OLG Celle

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Zitieren als:
OLG Celle, Beschluss vom 19.05.2003 - 17 W 40/03 - asyl.net: M4029
https://www.asyl.net/rsdb/M4029
Leitsatz:

Zur Abänderbarkeit einer Entscheidung über die Haftverlängerung trotz unveränderter Sachlage in einem Abschiebungshaftverfahren.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Haftverlängerung, Passersatzpapiere, Passbeschaffung, Mitwirkungspflichten, Abschiebungshindernis, Vertretenmüssen, Ausländerbehörde, Beschleunigungsgebot, Sofortige weitere Beschwerde
Normen: AuslG § 57
Auszüge:

Zu Recht beanstandet der Betroffene, dass die Entscheidung des Landgerichts daran leidet, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von der Rechtskraft des Beschlusses des Amtsgericht Hannover vom 16. Januar 2003 ausgeht und aus diesem Grund - insoweit folgerichtig - auch nur den Zeitraum ab Erlass des Beschlusses betrachtet. Nach der ganz überwiegenden Meinung unterliegen Entscheidungen in Freiheitsentziehungssachen zwar der formellen Rechtskraft, einer materiellen Rechtskraft sind sie jedoch nicht fähig (vgl. OLG Stuttgart FGPrax 96, 40; Zimmermann in Keidel/Kuntze/ Winkler, 15. Aufl., § 31, Rdnr. 22; Marschner in Marschner/Volckart, 4. Aufl.,

§ 10 FEVG, Rdnr. 2), so dass ihre Abänderbarkeit sowohl auf eine unveränderte Sachlage oder auf neue Tatsachen gestützt werden kann.

Vor diesem Hintergrund reichen die vom Landgericht angesichts des auch im Beschwerdeverfahren (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, 15. Aufl., § 12 Rdnr. 63) geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes angestellten Ermittlungen des Landgerichts noch nicht aus. Für die Zulässigkeit der hier in Rede stehenden Haftfortdauer kommt es entscheidend darauf an, ob und in welchem Maß die Verzögerung auch auf Gründen beruht, die der Betroffene nicht selbst zu vertreten hat (BGH NJW 1996, 2796,2797). Die nach Aktenlage bestehende Unklarheit, ob die Ausländerbehörde die zur Abschiebung notwendigen Anstrengungen in der erforderlichen Eile unternommen hat, ist mit dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen noch nicht ausgeräumt. Insbesondere ist nicht erkennbar, warum erneut (vgl. Aussage des Zeugen ..., Bl. 130 d.A.) von einer Verfahrensdauer für die Beschaffung von Passersatzpapieren von drei Monaten gesprochen wird, obwohl doch seit der Beantragung dieser Papiere, die Anfang November 2002 erfolgt sein soll, bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts nahezu 5 Monate vergangen sind und die Passersatzpapiere damals immer noch nicht vorlagen. Weiterhin ist dem Betroffenen darin zuzustimmen, dass die Feststellung des Landgerichts, dieser habe die eingetretene Verzögerung auch deswegen selbst zu vertreten, weil er selbst Passpapiere habe beantragen können, so nicht frei von Rechtsfehlern ist. Ganz unabhängig von den diesbezüglichen Ausführungen in der Begründung der weiteren sofortigen Beschwerde ist anzumerken, dass sich aus dem bisherigen Akteninhalt kein Hinweis darauf ergibt, dass die vietnamesischen Behörden derartige Anträge ihrer Bürger schneller bearbeiten als die Passersatzanträge der deutschen Botschaft. Schließlich wird man dem Betroffenen ein derartiges Unterlassen wohl auch nur dann vorhalten können, wenn er jemals auf diese Möglichkeit hingewiesen worden wäre. Dass der Betroffene, dessen Identität wohl zu keinem Zeitpunkt zweifelhaft war, ohne Erfolg zu einer derartigen Verfahrensweise aufgefordert worden ist, lässt sich dem Akteninhalt bisher jedenfalls nicht entnehmen.