Im Rahmen des Widerrufs der Asylanerkennung nach § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG findet die Jahresfrist gem. § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG i.V.m. § 49 Abs. 2 S. 2 VwVfG keine Anwendung.(Amtlicher Leitsatz)
Der auf Divergenz und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AsylVfG) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Die Divergenzrüge geht fehl.
Der Kläger meint, das Verwaltungsgericht sei vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.9.2000 (BVerwGE 112, 80) abgewichen, weil es seine Entscheidung - stillschweigend - auf den Rechtssatz gestützt habe, dass die nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht geltende Jahresfrist für den Widerruf von Verwaltungsakten nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG keine Anwendung finde, wenn die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG für den Widerruf der Asylanerkennung vorlägen.
Es ist bereits zweifelhaft, ob das Verwaltungsgericht tatsächlich "verdeckt" einen solchen Rechtssatz aufgestellt hat. Denn die Frage, ob die Asylanerkennung trotz Ablauf der Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG noch widerrufen werden kann, wird in den Entscheidungsgründen mit keinem Wort erwähnt. Dies kann jedoch dahinstehen. Denn die Divergenzrüge ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 19.9.2000 nur den Rechtssatz aufgestellt hat, dass die Regelung des § 73 Abs. 2 AsylVfG zur Rücknahme der Asylanerkennung Raum lässt für eine ergänzende Anwendung des § 48 VwVfG; die Frage einer ergänzenden Anwendung der §§ 48, 49 VwVfG auf den Widerruf der Asylanerkennung hat es ausdrücklich offengelassen (vgl. BVerwGE 112, 80, 88 f.). Im Übrigen bezieht sich der oben genannte Rechtssatz nur auf die Frage, ob außerhalb des Anwendungsbereichs des § 73 Abs. 2 AsylVfG auf § 48 VwVfG als eigenständige Rechtsgrundlage für die Rücknahme einer Asylanerkennung zurückgegriffen werden kann. Diese Frage hat das Bundesverwaltungsgericht vor allem mit der Begründung bejaht, die in § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG spezialgesetzlich normierte Rücknahmepflicht bedeute eine Verschärfung der allgemeinen Rücknahmeregelung des § 48 VwVfG zu Lasten des Asylberechtigten, so dass nicht angenommen werden könne, dass der Gesetzgeber die Asylberechtigten hinsichtlich der weiteren in § 48 VwVfG geregelten Rücknahmegründe habe privilegieren und insoweit nicht einmal eine Rücknahme nach Ermessen habe zulassen wollen (vgl. BVerwGE 112, 80, 90). Diese Begründung macht deutlich, dass der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gerade nicht entnommen werden kann, dass auch dem Asylberechtigten günstige Teilregelungen des allgemeinen Rücknahme- und Widerrufsrechts wie die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG bei einer auf § 73 AsylVfG gestützten Aufhebung der Asylanerkennung gelten sollen.
Auch die Grundsatzrüge bleibt ohne Erfolg.
Der Kläger wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob die nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht geltende Jahresfrist für den Widerruf von Verwaltungsakten (§ 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG) auch bei einem Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG gelte.
Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig. Denn aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes und dem eindeutig erkennbaren Gesetzeszweck folgt ohne weiteres, dass eine ergänzende Anwendung des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ausgeschlossen ist, soweit die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG für den Widerruf der Asylanerkennung gegeben sind (ebenso OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.1.2000, InfAuslR 2000, 468 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.4.2002, NVwZ-Beilage I 8/2002, 93 für den Fall der auf § 73 Abs. 2 AsylVfG gestützten Rücknahme der Asylanerkennung; anderer Auffassung VG Stuttgart, Urteil vom 7.1.2003, InfAuslR 2003, 261, 263 f. und Urteil vom 19.3.2003 - A 3 K 13507/02 -; wohl auch BayVGH vom 18.10.2002 -13a ZB 02.31261 - <juris-asylis>). Zum einen enthält § 73 Abs. 1 AsylVfG gerade keine der Regelung des § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG entsprechende Bezugnahme auf die Vorschrift des § 48 Abs. 4 VwVfG. Zum Zweiten hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 73 Abs. 1 AsylVfG eindeutig zu erkennen gegeben, dass die Asylanerkennung unter keinen Umständen Bestand haben soll, wenn die Verfolgungsgefahr nachträglich entfallen ist. Er hat nicht nur angeordnet, dass die Asylanerkennung in diesem Fall zwingend zu widerrufen ist, sondern dem Bundesamt außerdem aufgegeben, den Widerruf unverzüglich nach Wegfall der Anerkennungsvoraussetzungen auszusprechen. Für eine ergänzende Anwendung der dem Vertrauensschutz dienenden Vorschrift des § 48 Abs. 4 VwVfG ist bei diesem auf eine alsbaldige Entlastung der Bundesrepublik Deutschland als Aufnahmestaat zielenden Gesetzeszweck (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.6.1997, NVwZ-RR 1997, 741 f.) ganz offensichtlich kein Raum (ebenso BVerwG, DVBl. 1994, 409, 410 und BVerwGE 101, 24, 34 hinsichtlich weiterer spezialgesetzlich geregelter Rücknahme- und Widerrufspflichten).