VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 09.05.2003 - 12 UZ 34/03 - asyl.net: M4091
https://www.asyl.net/rsdb/M4091
Leitsatz:

Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 AuslG setzt voraus, dass zuvor eine ehebezogene Aufenthaltserlaubnis tatsächlich erteilt worden war. Es genügt grundsätzlich nicht, lediglich für zurückliegende Zeiträume möglicherweise einen Anspruch auf Erteilung einer ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis gehabt zu haben.(Amtlicher Leitsatz)

 

Schlagwörter: D (A), Deutschverheiratung, Tod des Ehegatten, Aufenthaltserlaubnis, Nachträgliche Befristung, Berufungszulassungsantrag, Ernstliche Zweifel, Eigenständiges Aufenthaltsrecht
Normen: AuslG § 23 Abs. 3; AuslG § 19 Abs. 1 Nr. 3; VwGO § 124 Abs. 2
Auszüge:

Die vom Kläger sinngemäß geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgericht liegen jedenfalls im Ergebnis nicht vor.

Der Kläger macht geltend, nach Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen C am (...) auf seinen Antrag vom 29. Januar 2002 hin einen Anspruch auf Erteilung einer ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis (§ 23 i.V.m. § 17 AuslG) bzw. nach dem Tod seiner Ehefrau im Februar 2002 einen Anspruch auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach den §§ 23 Abs. 3, 19 Abs. 1 Nr. 3 AuslG zu haben. Die Verneinung eines solchen Anspruchs im verwaltungsgerichtlichen Urteil erweist sich jedoch jedenfalls im Ergebnis als offensichtlich richtig, weil dem Kläger nach dem Zeitpunkt des Todes seiner Ehefrau kein von der Ehefrau abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach §§ 23, 17 AuslG mehr zustand und er auch keinen Anspruch auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach §§ 23 Abs. 3, 19 AuslG geltend machen kann.

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des nach Art. 6 des Grundgesetzes gebotenen Schutzes von Ehe und Familie nach § 17 AuslG ist gebunden an den Bestand der Ehe bzw. familiären Lebensgemeinschaft und ist daher - unbeschadet des formellen Fortbestandes einer bereits erteilten Aufenthaltserlaubnis - gerechtfertigt nur für den Zeitraum des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft. Dementsprechend kann eine erteilte ehebezogene Aufenthaltserlaubnis nach Wegfall des Aufenthaltszwecks - etwa dem Tod des Ehegatten - nachträglich rückwirkend auf den Zeitpunkt der Beendigung der Lebensgemeinschaft befristet werden, und es ist in aller Regel ein Grund, von einer solchen Befristung abzusehen, nicht erkennbar (Hess. VGH, 10.03.2003 - 12 UE 2568/02 -, EZAR 023 Nr. 30).

Daher kann der Kläger für Zeiträume ab dem Februar 2002 keine ehebezogene Aufenthaltserlaubnis beanspruchen.

Ein Anspruch auf Gewährung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 19 AuslG setzt voraus, dass zuvor eine ehebezogene Aufenthaltserlaubnis tatsächlich erteilt worden war. Es genügt nicht, lediglich für zurückliegende Zeiträume möglicherweise einen Anspruch auf Erteilung einer ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis gehabt zu haben (Hess. VGH, 15.03.1995 - 13 TH 269/95 -, NVwZ-RR 1995,474; OVG Hamburg, 26.05.1998 - Bs VI 260/96 -; OVG Lüneburg, 06009.2000 - 11 M 2715/00-; VG Hamburg, 01.02.2001 - 17 VG 3425/00 -; Hailbronner, Ausländerrecht, § 19 AuslG Rdnr. 5; GK-AuslR § 19 AuslG Rdnr. 21; siehe auch Hess. VGH, 10.03.2003-12 UE 2568/02, a.a.O.). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 19 AuslG, der von der Verlängerung und nicht von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis spricht und eine zuvor erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 17 AuslG in Bezug nimmt. Ferner sieht § 19 AuslG eine Ausnahme von dem Prinzip, dass der Ausländer zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sein muss, nur für den Fall vor, dass er aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grund nicht rechtzeitig die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis beantragen konnte (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG; s. Renner, Nachtrag zur 7. Auflage des Kommentars Ausländerrecht, § 19 AuslG Rdnr. 33). Eine andere Ausnahme, insbesondere für den Fall, dass eine ehebezogene Aufenthaltserlaubnis noch überhaupt nicht erteilt war, sieht das Gesetz nicht vor.

Es sind zwar Fälle denkbar, in denen durch eine verzögerte Bearbeitung eines gestellten Aufenthaltserlaubnisantrages bei der Behörde das Entstehen eines eigenständigen Aufenthaltsrechts des ausländischen Ehegatten nach Beendigung der Lebensgemeinschaft vereitelt werden könnte (vgl. VG Hamburg, 01.02.2001, a.a.O.). Vorliegend kommt es jedoch nicht darauf an, wie solche Fälle zu behandeln wären, ob etwa in einem solchen Fall eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 1 AuslG zu erteilen wäre; denn vorliegend liegt erkennbar keine verzögerte Behandlung durch die Ausländerbehörde vor. Der Kläger hatte am 29. Januar 2002 wegen der am 24. Januar 2002 erfolgten Eheschließung bei der Ausländerbehörde vorgesprochen und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt und dann bereits mit Schriftsatz vom 19. Februar 2002 mitgeteilt, dass seine Ehefrau inzwischen verstorben sei.

Schließlich ist es auch nicht im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG willkürlich, dass in Fällen, in denen eine eheliche Lebensgemeinschaft nur während eines ganz kurzen Zeitraums bestanden hatte, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 AuslG möglicherweise wegen der Bearbeitungszeiten für die Erteilung einer ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis nicht entstehen kann. Denn der Zweck des § 19 AuslG geht dahin, ausländischen Ehegatten, die sich aufgrund des ihnen wegen den Bestehens einer ehelichen Lebensgemeinschaft gewährten Aufenthaltstitels auf einen Daueraufenthalt in Deutschland eingerichtet haben, die Möglichkeit zur Fortsetzung dieses Aufenthalts unter den in § 19 AuslG im Einzelnen genannten Voraussetzungen eigenständig zu ermöglichen. Dieser Gesetzeszweck kommt indes nicht zur Geltung, wenn eine eheliche Lebensgemeinschaft nur für einen sehr kurzen Zeitraum bestanden hat und ein Vertrauen auf einen Daueraufenthalt sich im Hinblick auf die Ehe und die daraufhin erteilte Aufenthaltsgenehmigung noch nicht in gesicherter Weise gebildet haben kann.

Hiernach hat der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 3 i.V.m. § 19 AuslG, weil er zu keinem Zeitpunkt im Besitz einer ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis gewesen war.