OLG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 12.08.2003 - 20 W 255/03 - asyl.net: M4209
https://www.asyl.net/rsdb/M4209
Leitsatz:

Abschiebungshaft: Allein die Tatsache, dass für 10 % der indischen Staatsangehörigen innerhalb von sechs Monaten Passersatzpapiere beschafft werden können, rechtfertigt nicht die Annahme, dass das auch im Einzelfall eintreten wird.(Leitsatz der Redaktion)

 

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Anhörung, Landgericht, Entziehungsabsicht, Passbeschaffung, Passersatzbeschaffung, Inder
Normen: AuslG § 57 Abs. 2 S. 4
Auszüge:

[...]

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, der sich seit dem 22. Mai 2003, in Zurückweisungshaft/Sicherungshaft befindet, ist zulässig und hat in der Sache in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

Nach der einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung darf das Erstbeschwerdegericht im Abschiebungshaftverfahren nur in seltenen Ausnahmefällen von der persönlichen mündlichen Anhörung des betroffenen Ausländers absehen. Ein solcher Ausnahmefall ist hier schon deshalb nicht gegeben, weil beide Verfahrensbevollmächtigten ausdrücklich um eine mündliche Anhörung nachgesucht haben und der Betroffene die Möglichkeit haben muss, in Anwesenheit eines Verfahrensbevollmächtigten Angaben zur Sache zu machen. Dessen ungeachtet ist für den Senat nicht ersichtlich, worauf sich die Annahme des Landgerichts gründet, der Betroffene sei von dem Amtsgericht Frankfurt am Main und dem Amtsgericht Darmstadt ausführlich angehört worden. Das Protokoll der Anhörung durch den Abschiebungshaftrichter des Amtsgerichts Frankfurt am Main befindet sich nicht bei den Akten. Das Protokoll über die Anhörung vor dem Amtsgericht Darmstadt (Bl. 23, 24 d.A.) besteht hinsichtlich der Angaben des Betroffenen aus wenigen Sätzen. [...]

Landgerichts vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main abgegebenen Erklärung des Betroffenen, er wolle unter keinen Umständen freiwillig ausreisen, ohne weiteres noch keine Rückschlüsse auf sein Verhalten bei einer zwangsweisen Ausreise (Abschiebung/Zurückweisung) gezogen werden können.

Aufklärungsbedarf besteht auch hinsichtlich des Vertrags des Antragstellers, der Betroffene habe ihm gegenüber angegeben, sich von 1989 bis 1991 in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten zu haben.

Schließlich wird das Landgericht erneut zu prüfen haben, welche konkreten Aussichten dafür bestehen, dass der Betroffene innerhalb von 6 Monaten abgeschoben werden kann. Die bloße Annahme, in 10 % der Fälle sei bei fehlendem Identitätsnachweis bei indischen Staatsangehörigen eine Passbeschaffung innerhalb von 6 Monaten erfolgreich, reicht nach Auffassung des Senats allein nicht für die Annahme aus, dass die Abschiebung des Betroffenen innerhalb von 6 Monaten gewährleistet ist. [...]