VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Urteil vom 22.09.2003 - 12 UE 1255/03 - asyl.net: M4333
https://www.asyl.net/rsdb/M4333
Leitsatz:

1.Die zum 1. November 1997 und zum 1. Juni 2000 in Kraft getretenen Änderungen des § 19 AuslG über das eigenständige Aufenthaltsrecht des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft entfalten keine Rückwirkung auf schon vor dem jeweiligen Zeitpunkt getrennt lebenden Eheleute.

2. Ein türkischer Arbeitnehmer kann ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht auf der Grundlage einer ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis dann nicht erwerben, wenn er diese durch Vorspiegelung einer ehelichen Lebensgemeinschaft erschlichen hat; auf das Vorliegen einer umgangssprachlich so bezeichneten "Scheinehe" kommt es nicht an.

3. Einem türkischen Arbeitnehmer steht nach vierjähriger ordnungsgemäßer Beschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt ein Rechtsanspruch auf Verlängerung der Aufenthalts- und der Arbeitsgenehmigung auch dann zu, wenn er innerhalb der ersten drei Jahre den Arbeitgeber gewechselt hat.

4. Die Ausländerbehörde ist zur rückwirkenden Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis verpflichtet, wenn dem Ausländer bei Ablauf der zuvor erteilten Erlaubnis ein assoziationsrechtliches Verlängerungsrecht zustand.

5. Die Ausländerbehörde kann sich auf die Passlosigkeit eines Ausländers nicht berufen, wenn sie den Nationalpass in Verwahrung genommen und nicht herausgegeben hat und die Gültigkeit infolgedessen abgelaufen ist.

6. Dem Vertreter einer deutschen Großstadt mit Befähigung zum Richteramt braucht für die Stellungnahme zu einer in der mündlichen Verhandlung erfolgten Vernehmung des Klägers über die Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft kein Schriftsatznachlass gewährt zu werden.(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: D (A), Türken, Abgelehnte Asylbewerber, Aufenthaltserlaubnis, Deutschverheiratung, Eheliche Lebensgemeinschaft, Aufhebung, Eigenständiges Aufenthaltsrecht, Fristen, Gesetzesänderung, Altfälle, Rückwirkung, Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei, Arbeitnehmer, Falschangaben, Scheinehe, Passpflicht, Visumspflicht, Arbeitgeberwechsel
Normen: AuslG § 13 Abs. 1; AuslG § 17 Abs. 1; AuslG § 19; AuslG § 23 Abs. 1; AuslG § 4; AuslG § 58 Abs. 1; AuslG § 69 Abs. 3; AuslG § 8 Abs. 1; BGB § 1310; BGB § 1314; BGB § 1353; DVAuslG § 9 Abs. 2; GG Art.
Auszüge:

Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht im Anschluss an die Ausländerbehörde auch die Entstehung eines Anspruchs auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 abgelehnt. Der erkennende Senat ist aufgrund der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger bei Ablauf der für drei Jahre erteilten ersten Aufenthaltserlaubnis die Voraussetzungen für das Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 erfüllte, weil er die ehebezogene Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung ihres besonderen Zwecks nicht mittels Täuschung über die Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft erlangt hat und weil er in dem genannten Zeitpunkt länger als vier Jahre ordnungsgemäß als Arbeitnehmer beschäftigt war mit der Folge, dass die Ausländerbehörde verpflichtet ist, die Aufenthaltserlaubnis über den 4. April 1996 hinaus ohne Bindung an eine bestimmte Art von Erwerbstätigkeit zu verlängern.

Das in Art. 6 ARB 1/80 geregelte eigenständige Recht auf Gestattung der weiteren Erwerbstätigkeit und des dazu notwendigen Aufenthalts setzt eine ordnungsgemäße Beschäftigung auf dem regulären deutschen Arbeitsmarkt voraus (vgl. dazu m. Nachw. der Rspr. des EuGH Nr. 1.3. bis 1.6. der Allgemeinen Anwendungshinweise zum Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei -AAH-ARB 1/80; Erl. d. Hess. Min. des Innern vom 03.10.1998- II A 43 d).

Diese Rechtsfolgen treten allerdings nicht ein, wenn sich der Arbeitnehmer das ehebezogene Aufenthaltsrecht erschlichen hat; dann handelt es sich nämlich nicht um eine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 (EuGH, 05.06.1991 - C- 285/95 -, EZAR 811 Nr. 32 = NVwZ 1998, 15 - Kol; BVerwG, 17.06.1998 - 1 C 27.96 -, EZAR 033 Nr. 12 = DVBl.1998, 1028). Bei Prüfung der Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 ist zudem zu berücksichtigen, dass die Verfestigungsstufe aufgrund von vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung nach dem dritten Spiegelstrich von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 auch durch die Kumulation mehrerer Beschäftigungszeiten bei verschiedenen Arbeitgebern erfüllt werden kann, wobei nicht vorausgesetzt ist, dass zuvor die beiden ersten Verfestigungsstufen, erreicht wurden (Hess. VGH 10.03.2003 -12 UE 318/02 -, EZAR 029 Nr. 73 = InfAuslR 2003, 219).

Soweit die Beteiligten in diesem Zusammenhang den umgangssprachlichen Begriff der "Scheinehe" benutzen, ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Rechtsordnung eine derartige Erscheinung nicht kennt (Renner, Ausländerrecht in Deutschland, 1998, Rdnr. 3/55, 6/175). Nach der oben genannten Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG kommt es insoweit nicht darauf an, ob die Eheschließung ungültig war oder nachträglich aufgehoben worden ist und ob deswegen strafrechtliche Sanktionen verhängt worden sind. Maßgeblich ist nur, ob die Ausländerbehörde über das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft getäuscht worden ist, die für den Erwerb eines ehebezogenen Aufenthaltsrechts in Deutschland über die Eheschließung hinaus erforderlich ist (§§ 17 Abs.1, 23 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 1 AuslG), und der türkische Arbeitnehmer daher über kein gesichertes Aufenthaltsrecht, verfügte, das für eine ordnungsgemäße Beschäftigung unerlässlich ist (so auchNr. 2.3.2 AAH-ARB 1/80).

Für den vom Kläger angestrebten und ihm erteilten Aufenthaltstitel ist zu beachten, dass dem Kläger als Ehegatten einer Deutschen ein Anspruch auf Erteilung (und gemäß § 13 Abs.1 AuslG auf Verlängerung) der Aufenthaltserlaubnis nur zum Zwecke des nach Art. 6 GG gebotenen Schutzes von Ehe und Familie für die Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zustand (§ 17 Abs. 1 AuslG; dazu Hess. VGH, 21.03.2000 - 12 TG 2545/00 - EZAR 023 Nr. 20 = NVwZ-RR 2000, 639). Soweit es den Tatbestand der Verheiratung angeht, ist es unerheblich, ob die für die Eheschließung maßgeblichen Motive den Idealvorstellungen einer Ehe gerecht werden oder andere Beweggründe eine wesentliche oder gar eine ausschlaggebende Rolle gespielt haben (Renner, a.a.O., Rdnr. 6/176 m.w.N.). Sobald eine Ehe geschlossen ist, ist sie auch von der Ausländerbehörde zu beachten, es sei denn, sie wird aufgehoben oder geschieden (Hess. VGH, 21.03.2000, a.a.O.). Ob es sich dabei um eine "Scheinehe" handelt, die unter "Missbrauch" der Institution der Ehe zustandegekommen ist und deren Rechtsvorteile auszunutzen sucht (zur "Scheinehe" allgemein Kartzke, Scheinehen zur Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile, Diss. München 1990; Kretschmer, Scheinehen, 1993; Dertinger, Schenk mir Deinen Namen, 1999) ist für den rechtlichen Bestand der Ehe unerheblich.

Das Recht des verheirateten Ausländers auf Zuzug und auf Aufenthalt im Inland aus familiären Gründen setzt über das Bestehen der Ehe hinaus auch die Verwirklichung des Willens der Ehepartner voraus, im Inland eine Art. 6 GG entsprechende eheliche Lebensgemeinschaft zu führen (§ 17 Abs. 1 AuslG; vgl. Hess.VGH, 21.03.2000 - a.a.O.). Da den Ehegatten sowohl die Freiheit, ihr eheliches Zusammenleben souverän zu gestalten, als auch der Schutz vor staatlichen Eingriffen grundgesetzlich gewährleistet sind, ist bei einer wirksam geschlossenen Ehe grundsätzlich anzunehmen, dass die Ehepartner auch eine eheliche Lebensgemeinschaft zu führen bereit und imstande sind. Eine behördliche Prüfung des Einzelfalls auf das Vorliegen einer "Scheinehe" kommt daher nur ausnahmsweise bei einem triftigen Anlass in Betracht, zumal sie letztlich nur bei Kenntnis von Umständen aus dem höchstpersönlichen Bereich der Betroffenen erfolgen kann. Es wäre jedoch mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG schwerlich vereinbar, wenn die Verwaltung es unternähme, sich diese Kenntnis von Amts wegen zu verschaffen, und wenn den Betroffenen vorbehaltlos die Last auferlegt würde darzutun, dass es sich bei ihrer Ehe nicht um eine "Scheinehe" handele (BVerfG, 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. -, BVerfGE 76, 1 = EZAR 105 Nr. 20). Ungeachtet dessen können jedoch bei Ehegatten ohne Bedenken äußerliche Anhaltspunkte außerhalb der Intimsphäre festgestellt werden, die auf ein Zusammenleben in einer ehelichen Lebensgemeinschaft hindeuten. Dabei ist darauf zu achten, dass die nach § 17 Abs. 1 AuslG erforderliche Lebensgemeinschaft nicht in einer ständigen häuslichen Gemeinschaft gelebt zu werden braucht, dass sie aber über eine bloße Begegnungsgemeinschaft hinausgehen muss (Hailbronner, Ausländerrecht, § 17 AuslG Rdnr. 23; GK Ausländerrecht, § 17 AuslG Rdnr. 42 ff.; Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., 1999, § 17 AuslG Rdnr. 11). Es muss ein gemeinsamer Lebensmittelpunkt bestehen, der ein eheliches Zusammenleben erst ermöglicht (Hess. VGH, 27.08.1996 - 12 TG 3190196 -, EZAR 035 Nr.15 = FamRZ 1997, 749 m. w.N.). Ein vorübergehendes Getrenntleben der Eheleute ist unschädlich, wenn es nicht auf dem gemeinsamen Entschluss der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern auf beruflichen, gesundheitlichen oder ähnlichen sachlichen Gründen beruht, die das Fortbestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht in Zweifel ziehen (dazu Hess. VGR, 2l.03.2000, a.a.O.). Die Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft gehört zu den für den Ausländer günstigen Umständen, die er unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und mit Nachweisen zu belegen hat (§ 70 Abs. 1 Satz 1 AuslG). Bei der Feststellung des Vorliegens einer familiären Lebensgemeinschaft im Sinne des § 17 Abs. 1 AuslG besteht keine "Beweislast" der Ausländerbehörde, vielmehr setzt das Bestehen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen nachweisbar vorliegen (Hess. VGH, 09.02.2000 - 12 TZ 343/00 -; GK-AuslR, § 18 AuslG Rdnr. 60). Der Umfang dieser Darlegungsobliegenheit richtet sich nach den jeweiligen individuellen Verhältnissen, insbesondere nach den Wohnverhältnissen und den beruflichen Tätigkeiten der Ehepartner. Zu einer näheren Darlegung ihrer innerfamiliären Lebensumstände sind sie nur dann verpflichtet, wenn die Ausländerbehörde begründete Zweifel am Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft hegt und diese gegenüber dem ausländischen Ehegatten äußert.

Die Ausländerbehörde kann ihm für Darlegungen und Nachweise eine angemessene Frist setzen (§ 70 Abs. 1 Satz 2 AuslG). Wenn der Ausländer auf die Bedeutung einzelner Umstände für die Feststellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft bereits einmal aufmerksam gemacht worden ist, dann ist er unter Umständen gehalten, diese ohne weitere Aufforderung selbst substantiiert darzulegen. Grundsätzlich kann von ihm auch die Beantwortung mündlicher oder schriftlicher Fragen über Einzelheiten aus dem persönlichen Lebensbereich verlangt werden, soweit diese taugliche Anhaltspunkte für die vom Gesetz vorgeschriebene rechtliche Prüfung liefern können und die Intimsphäre der Ehepartner nicht tangieren. Soweit behördlicherseits Wohnungsbesichtigungen vorgenommen oder andere Ermittlungsmaßnahmen ergriffen werden, die nicht ohne Zustimmung der Betroffenen erfolgen können, sind diese grundsätzlich nicht erzwingbar. Der das Aufenthaltsrecht begehrende ausländische Ehegatte hat jedoch den Nachteil zu tragen, wenn es ihm nach Verweigerung der Mitwirkung an derartigen Ermittlungsmaßnahmen nicht gelingt, begründete Zweifel der Ausländerbehörde an dem Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu zerstreuen.

Nach Überzeugung des beschließenden Senats hat der Kläger unter Berücksichtigung dieser Grundsätze weder bei Antragstellung im März 1992 noch später gegenüber der Ausländerbehörde falsche Angaben über seine Ehe gemacht oder die Ausländerbehörde sonst zum Zwecke der Erlangung eines ehebezogenen Aufenthaltsrechts getäuscht, sondern mit seiner deutschen Ehefrau, der Zeugin S., bis (...) tatsächlich eine eheliche Lebensgemeinschaft geführt. Diese Überzeugung hat der Senat aufgrund der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung gewonnen; einer weiteren Beweiserhebung hierüber bedarf es nicht.

Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80, da er beim Ablauf der Gültigkeitsdauer der ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis am 4. April 1996 insgesamt mehr als vier Jahre ordnungsgemäß auf dem deutschen Arbeitsmarkt beschäftigt war (vgl. Hess. VGH, 10.03.2003, a.a.O.).

Er verfügte nämlich in der Zeit 6. März 1992 bis 4. April 1996 durchgehend über ein gesichertes Aufenthalts- und ein eben solches Arbeitsgenehmigungsrecht. Er besaß in diesem Zeitraum wie auch schon zuvor und danach eine Arbeitserlaubnis und ist so zu behandeln, als habe er die ehebezogene Aufenthaltserlaubnis auch schon vor deren formeller Erteilung am 5. April 1993, nämlich seit der Antragstellung am 6. März 1992, besessen. Da ihm auf diesen Antrag hin später eine ehebezogene dreijährige Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, hatte er bei zutreffender Beurteilung vom Antragszeitpunkt bis zum Ablauf dieser Aufenthaltserlaubnis eine gesicherte aufenthaltsrechtliche Position nicht nur vorübergehender Art inne. Die ursprünglich bestehenden Bedenken hinsichtlich der Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft waren, wie oben ausgeführt, bei nachträglicher Betrachtung unbegründet. Die Bearbeitungszeit darf aber insoweit nicht zu Lasten des Klägers gehen.

Unabhängig davon entsprach der damalige Aufenthalt des Klägers diesen Anforderungen auch deshalb, weil der Kläger selbst dann, wenn ihm die Einreise als Asylbewerber entgegen zu halten war, nach der Eheschließung aufgrund des Zusammenlebens mit seiner Ehefrau über ein gesichertes Aufenthaltsrecht verfügte. Allerdings hat der Erlaubnisantrag vom 6. März 1992 möglicherweise die Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3 AuslG nicht ausgelöst, weil der Kläger allem Anschein nach mit einem Touristenvisum eingereist war und dann einen Asylantrag gestellt hatte, die Einreise also wohl nicht mit dem erforderlichen Visum erfolgt war (§§ 58 Abs. 1 Nr. 1, 69 Abs. 3 AuslG). Wahrscheinlich hätte schon allein deswegen die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt werden müssen (§ 8 Abs. 1 Nr..1 AuslG). Zudem hatte der Kläger seine Asylklage im Hinblick auf die Eheschließung bereits mit Schriftsatz vom 31. Januar 1992 zurückgenommen und das Verwaltungsgericht das Verfahren am 14. Februar 1992 eingestellt, die Aufenthaltsgestattung war also schon vor der Antragstellung am 6. März 1992 erloschen (§ 67 Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG), und der Kläger hatte sich damit bei Antragstellung nicht seit mehr als sechs Monaten rechtmäßig in Deutschland aufgehalten (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG). Schließlich war der Kläger nach der damaligen Fassung von § 9 Abs. 2 DV AuslG auch nicht zur Beantragung der Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Eheschließung mit einer Deutschen ohne Rücksicht auf eine unerlaubte Einreise berechtigt (anders später § 9 Abs. 2 Nr: 1 DV AuslG i.d.F. vom 23.02. 1993, BGBl. I S. 266).

Alle diese Umstände bleiben letztlich im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 ohne rechtliche Folgen. Selbst wenn der Kläger nämlich das Visumverfahren hätte einhalten und zu diesem Zweck nach Vorabzustimmung durch die Ausländerbehörde nach § 11 Abs. 1 DV AuslG ausreisen müssen, wäre sein Inlandsaufenthalt und damit auch seine Beschäftigung nur kurze Zeit und für einen vorübergehenden Zweck unterbrochen gewesen.

Da der Kläger nach alledem beim Ablauf der ersten Aufenhaltserlaubnis am 4. April 1996 insgesamt mehr als vier Jahre ordnungsgemaß als Bauarbeiter in Deutschland beschäftigt war, hätte ihm damals die Aufenthaltserlaubnis gemäß Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 verlängert werden müssen, ohne dass es auf den ehebezogenen Voraufenthalt und ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 1 AuslG ankam. Danach hat der Kläger einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 5. April 1996 an, ohne dass seine Erwerbstätigkeit auf eine bestimmte Branche oder gar auf einen bestimmten Arbeitgeber beschränkt werden kann. Er verfügt seitdem über ein assoziationsrechtliches Aufenthalts- und

Beschäftigungsgenehmigungsrecht, das weitgehend dem Freizügigkeitsrecht eines Unionsbürgers angenähert ist, allerdings beschränkt auf den deutschen Arbeitsmarkt (vgl. EuGH, 10.02.2000 - C-340/97 -, EZAR 816 Nr. 4 = InfAuslR 2000, 161 - Nazli; Hess. VGH, 10.03.2003, a.a.O.).

Diese gemeinschaftsrechtliche Rechtsposition ist ungeachtet dessen erhalten geblieben, dass die Beklagte sie nach Eingang des Verlängerungsantrags nicht beachtet hat (dazu EuGH, 19.11.2002 - C-188/00 -, EZAR 816 Nr. 12 = InfAuslR 2003, 41- Kurz; zu rückwirkenden Verpflichtungen vgl. BVerwG, 29.09.1998 -1 C 14.97 -, EZAR 029 Nr. 19 = NVwZ 1999, 306; zu den Folgen einer Nichtbeachtung vgl. Hess. VGH, 18.12.2001 - 12 TZ 3009/01 u.a. -, EZAR 029 Nr. 18).

Sie beruht nämlich unmittelbar auf Assoziationsrecht und bedarf nur der deklaratorischen Verlautbarung durch die Ausländerbehörde, deren Aufenthaltstiteln daher nur Beweisfunktion zukommt (dazu EuGH, 19.11.2002, a.a.O.; EuGH, 22.06.2000 - C-65/98 -, EZAR 816 Nr. 7- Eyüp; EuGH, 16.03.2000 -,C-329/97-, EZAR 816 Nr. 5 = NVwZ 2000, 1277 - Ergat).

Der Senat hat die Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab 5. April 1996 ausgesprochen, weil es sich materiell betrachtet um eine Genehmigung auf einer neuen Grundlage handelt. Formell gesehen geht es freilich um eine Verlängerung ein und des selben Titels im Anschluss an den Ablauf des vorangegangenen (näher zu diesem Verhältnis Renner, a.a.O, Rdnr. 5/331 ff.).

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass der Kläger keinen gültigen Pass besitzt und ihm daher mit Rücksicht auf die Passpflicht nach § 4 Abs. 1 AuslG derzeit keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, hindert dies nicht die antragsgemäße Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vom 5. April 1996 an. Zum einen handelt es sich hierbei, wie ausgeführt, anders als sonst bei Drittstaatsangehörigen nicht um eine konstitutive Gewährung eines Aufenthaltsrechts, sondern nur um dessen formelle Bestätigung. Zum anderen ist der Beklagten die Berufung auf die Passlosigkeit des Klägers deswegen verwehrt, weil sie dieses formelle Hindernis selbst zu vertreten hat. Sie hat nämlich den allem Anschein nur (...) gültigen Pass unter Hinweis auf die Ausreisepflicht des Klägers in Verwahrung genommen (§ 42 Abs. 6 AuslG) und ihn auch nicht zum Zwecke der Verlängerung vorübergehend herausgegeben.