VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 11.02.2003 - 5 K 935/98.A - asyl.net: M4349
https://www.asyl.net/rsdb/M4349
Leitsatz:

Bei Rückkehr nach China besteht keine Gefahr der politischen Verfolgung wegen Verstoßes gegen Familienplanungsvorschriften durch Geburt eines zweiten Kindes im Ausland oder wegen illegaler Ausreise.

Schlagwörter: China, Ein-Kind-Politik, Situation bei Rückkehr, illegale Ausreise, Antragstellung als Asylgrund, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, menschenrechtswidrige Behandlung
Normen: AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53 Abs. 4; EMRK Art. 3
Auszüge:

Bei Rückkehr nach China besteht keine Gefahr der politischen Verfolgung wegen Verstoßes gegen Familienplanungsvorschriften durch Geburt eines zweiten Kindes im Ausland oder wegen illegaler Ausreise.

(Leitsatz der Redaktion)

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG).

Die Klägerin hat auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen familienplanungsrechtliche Bestimmungen zu rechnen. Zwar sehen die nationalen Richtlinien der chinesischen Regierung zur Familienplanung vor, dass eine Frau nur ein Kind bekommen darf, wozu sie seit den 90-er Jahren auch im Falle einer Erstgeburt einer schriftlichen Genehmigung bedarf, die in der Regel problemlos erteilt wird. Unverheiratete Frauen erhalten die Genehmigung zur Geburt eines Kindes nicht. Eine strafrechtliche Verfolgung von ungenehmigten Geburten oder unterlassener Verhütung ist in China nicht vorgesehen. Allgemein drohen in den meisten Provinzen nur Geld- und Disziplinarstrafen für ungenehmigte Geburten, nicht jedoch für unterlassene Verhütung oder Sterilisierung. Von der Ein-Kind-Politik gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmefälle, die sich nach der jeweiligen Bevölkerungssituation und den regionalen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten richten (AA Lagebericht vom 17.September 2002, S. 16; Scharping an VG Leipzig vom 25. März und 28. Oktober 1999; BA IZ, China, Gesellschaft und Bevölkerung, März 2002, S. 6 ff.).

Ein solcher Ausnahmefall liegt etwa im Fall zurückgekehrter Auslandschinesen vor, wenn ein zweites oder weitere Kinder in der Bundesrepublik Deutschland geboren wurden (Scharping an VG Leipzig vom 25. März und 28. Oktober 1999; S. BA IZ, China, Gesellschaft und Bevölkerung, März 2002, S. 6 ff.).

Nach alledem ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Klägerin wegen des nunmehr erwarteten (zweiten) Kindes mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen muß.

Darüber hinaus schließt die Kammer sich der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (zuletzt Urteil vom 22. Mai 2001 - 15 A 1139/97.A -, S. 17) an, wonach die genannten familienplanungsrechtlichen Bestimmungen der Volksrepublik China nicht an asylerhebliche Merkmale anknüpfen, da sie die Bevölkerung Chinas unterschiedslos treffen und nach ihrem inhaltlichem Charakter und ihrer erkennbaren Gerichtetheit objektiv nicht dazu dienen, den Einzelnen aus der Gesellschaft auszugrenzen. Die Kammer vermag nach der vorliegenden Erkenntnislage auch keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass Sanktionen wegen Verstößen gegen familienplanungsrechtliche Bestimmungen gezielt gegen politisch missliebige Personen eingesetzt werden (AA an VG Trier vom 4. Juli 2000).

Es besteht auch im Hinblick auf eine illegale Ausreise keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für politische Repressalien oder asylrelevante strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Februar 2001 - 1 A 1713/00.A -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Juni 2001 - 10 A 10362/01 -).

Auch die Asylantragstellung führt in der Regel nicht zu politischer Verfolgung (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Februar 2001 - 1 A1713/00.A -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Juni 2001 - 10 A 10362/01 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. März 2002 - A 6 S 150/01 -).

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG; insbesondere droht ihr bei Rückkehr nach China nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 ERMK unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen familienplanungsrechtliche Vorschriften. Zur Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die diesbezüglichen voranstehenden Ausführungen verwiesen. Darüber hinaus schließt die Kammer sich der Auffassung des OVG NRW (Urteil vom 22. Mai 2001 - 15 A 1139/97.A -) an, wonach nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass aus Deutschland nach China zurückgekehrte Chinesinnen mit zwei oder mehr Kindern Zwangssterilisationsmaßnahmen zu befürchten haben. Vielmehr müssen nach den vorliegenden Erkenntnissen Funktionäre, die die Gewaltmaßnahmen anordnen, mit Strafverfolgung und Schadensersatzklagen rechnen (Scharping an VG Leipzig vom 25. März und 28. Oktober 1999).