1. Im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist bei einer sofort vollziehbaren Ausweisung wegen der dem Betroffenen auferlegten Belastung und der häufigen Unabänderlichkeit auf Grund der drohenden Durchsetzung der Ausreise in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht eine intensivere Prüfung geboten.
2. Die Ausländerbehörden sind bei bestehendem Verdacht einer Scheinehe wegen des gewichtigen Interesses an deren Verhinderung zu Ermittlungen mit besonderer Sorgfalt verpflichtet. Die zu beachtende Intimsphäre der Ehepartner erfordert, zunächst weniger belastende und geeigenete Mittel der Sachaufklärung einzusetzen, bevor Dritte in die Ermittlungen einbezogen werden oder eine Besichtigung der Wohnung erwogen wird (i. A. Hessischer VGH, Beschluss vom 27. August 1996 - 12 TG 3190/96 -, FamRZ 1997, 749).
3. Zur gerichtlichen Interessenabwägung bei Ermittlungsdefiziten der Ausländerbehörde.
(amtliche Leitsätze)
Die Antragstellerin verfolgt mit ihrem Antrag im Beschwerdeverfahren die beim Verwaltungsgericht gestellten Anträge auf Eilrechtsschutz weiter. Dieses Begehren auf "Anordnung der aufschiebenden Wirkung" legt der Senat nach § 88 VwGO als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. Juni 2002 - mit Sofortvollzug - verfügte Ausweisung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5 Satz 1 VwGO sowie einen zusätzlichen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die im genannten Bescheid enthaltene Nichtverlängerung der Aufenthaltsgenehmigung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 VwGO und als weiteren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die im Bescheid erlassene Abschiebungsandrohung aus.
Diese Auslegung entspricht dem erkennbaren Willen der Antragstellerin, vorläufig bis zur bestandskräftigen Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland bleiben zu dürfen. Soweit die Ausweisung betroffen ist, kommt eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht in Betracht, weil ohne die Anordnung des Sofortvollzugs im Bescheid vom 6. Juni 2002 bereits der Widerspruch nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung entfaltet. Hinsichtlich der Nichtverlängerung der Aufenthaltsgenehmigung ist Eilrechtsschutz vorliegend zutreffend, ohne Rücksicht auf die insoweit ebenso gegebene innere Wirksamkeit der Behördenentscheidung gemäß § 72 Abs. 2 AuslG, als Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beantragt worden. Zwar liegt in der Hauptsache ein Verpflichtungsbegehren vor; die Antragstellerin ist aber im Besitz eines mit Zustimmung der damals zuständigen Ausländerbehörde erteilten Visums erlaubt eingereist (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AuslG i. V. m. § 11 DVAuslG). Damit löste der rechtzeitige Verlängerungsantrag die Fiktionswirkung gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AuslG bis zur Entscheidung der Behörde aus. Diese Wirkung lebt nicht wieder auf, deshalb kann Eilrechtsschutz sich nach Wegfall der aufschiebenden Wirkung gemäß § 72 Abs. 1 AuslG auf Grund der Sondervorschrift des Absatzes 2 nur auf die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht beziehen. An der Zuordnung zum Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ändert dies nichts (vgl. nur GK-AuslR, § 69 Rn. 52 m. w. N.).
Die Beschwerde ist zulässig.
Die Beschwerde ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anträge zu Unrecht abgelehnt. Die Antragstellerin hat Anspruch darauf, einstweilen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen verschont zu bleiben. Die Interessenabwägung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO fällt zu ihren Gunsten aus.
Dies gilt zunächst hinsichtlich der Ausweisung.
Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand lässt sich nicht feststellen, dass die angefochtene Ausweisung den Angriffen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren wird standhalten können; vielmehr erscheint der Ausgang dieses Verfahrens als offen.
Es steht nicht fest, dass die Voraussetzungen der § 45 Abs. 1 AuslG, § 46 Nr. 2 AuslG, auf die die Antragsgegnerin die Ausweisung gestützt hat, vorliegen.
Nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin ist bisher nicht zureichend zu folgern, dass die Antragstellerin den behaupteten Rechtsverstoß begangen hat. Die Antragstellerin soll nach Auffassung der Behörde und der Beurteilung der Vorinstanz Straftaten i. S. d. § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG begangen haben, indem sie zur Visumserlangung und im Antrag auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung unrichtige Angaben gemacht hat, weil nur eine Scheinehe vorliege. Die bisherigen Erkenntnisse, die von der Beschwerde substantiiert in Frage gestellt werden, mögen zwar Hinweise auf einen solchen Sachverhalt geben, eindeutig tragfähig sind sie indessen nicht. Vielmehr ist nicht auszuschließen, dass die Antragstellerin mit ihrem Ehemann zusammenlebt, was sie auch als Ziel ihres Aufenthaltes angegeben hat.
Nach den Erklärungen der Antragstellerin bei der Deutschen Botschaft in Hanoi und ihres Ehemannes bei der früher zuständigen Ausländerbehörde des Ilm-Kreises zu den Umständen des Kennenlernens der Eheleute und der Eheschließung und zum Zusammenleben durfte die Behörde Zweifel daran haben, dass tatsächlich eine Ehe gelebt werden soll.
Diese Angaben allein genügen aber nicht zur Feststellung, dass die Ehepartner keine Ehe leben und dies auch nicht beabsichtigt haben. Vielmehr war es an der Antragsgegnerin, die geweckten Zweifel, insbesondere nachdem die Ehepartner nach eigenen Angaben eine neue Wohnung in Erfurt bezogen hatten, durch geeignete Ermittlungen zu erhärten. Dabei ist im Hinblick auf den Ausweisungsschutz für Ausländer mit deutschem Ehepartner (vgl. § 48 Abs. 1 Nr. 4 AuslG) ebenso wie bei Feststellung einer familiären Lebensgemeinschaft im Sinne des § 17 Abs. 1 AuslG darauf Rücksicht zu nehmen, dass das Gesetz eine familiäre Lebensgemeinschaft erfordert und diese nicht unbedingt mit einer häuslichen Gemeinschaft verbunden sein muss (vgl. dazu nur Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 8/2002, Rn. 23 zu § 17 AuslG). Art und Weise des Zusammenlebens bestimmen die Eheleute eigenverantwortlich. Die nähere Ausgestaltung der ehelichen Gemeinschaft gehört zu ihrer geschützten Privatsphäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 1982 - 1 C 20.81 -, BVerwGE 65, 174; 181; BVerwG, Beschluss 18. Januar 1989 - 1 B 5/89 -, zitiert nach juris). Andererseits darf es sich nicht nur um eine reine Begegnungsgemeinschaft handeln, sondern es muss ein gemeinsamer Lebensmittelpunkt bestehen, der ein eheliches Zusammenleben ermöglicht. Kurzfristige Trennungszeiten können vernachlässigt werden, wenn sie nur als vorübergehend angesehen werden und die Eheleute gleichwohl eine Aufrechterhaltung der Ehe beabsichtigen und verwirklichen. Insoweit kommt es nicht auf zivilrechtliche Trennungsfristen an (vgl. Senatsbeschluss vom 5. März 2003 - 3 EO 606/02 - n.v.; BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 1992 - 1 B 48.92 -, InfAuslR 1992, 305), sondern auf Grund und Art des getrennten Wohnens.
Im Widerspruchsverfahren mag ggf. nach dem Untersuchungsgrundsatz gemäß § 24 ThürVwVfG eine eingehende sachliche Prüfung stattfinden, die die Widerspruchsbehörde auch der Erstbehörde übertragen kann. Dabei wird zu beachten sein, dass amtliche Ermittlungen über das eheliche Zusammenleben der Ehepartner deren Intimsphäre betreffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 1982 - 1 C 20.81 -, a. a. O.). Die daraus folgenden Beschränkungen für Aufklärungs- und Ermittlungsmaßnahmen bestehen unabhängig davon, ob es Anhaltspunkte für ein Erschleichen des Aufenthaltsrechts unter Berufung auf eine in Wirklichkeit nicht gelebte Ehe gibt. Die Ausländerbehörde ist gerade wegen des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von "Scheinehen" zu besonderer Sorgfalt bei der Überprüfung der Angaben der Ehepartner und erforderlichenfalls zu eingehenden Ermittlungen verpflichtet. So drängen sich zunächst weniger belastende und geeignete Mittel der Glaubhaftmachung als Befragungen Dritter auf. Die Behörde darf bei ihren Ermittlungen neben der Heiratsurkunde Belege über die polizeiliche Anmeldung und die gemeinsame Wohnung oder getrennte Wohnungen (Mietvertrag, Mietzinszahlung) verlangen und überprüfen. Sie kann auch eidesstattliche Versicherungen der Ehepartner erbitten. Bei dann noch bestehenden Zweifeln kann es auch zulässig sein, Vermieter und Nachbarn auf die Richtigkeit dieser Angaben hin zu befragen oder mit Einverständnis der Eheleute die Wohnung zu besichtigen. Es versteht sich von selbst, dass bei derartigen Ermittlungen und deren Auswertung streng auf die gegen Eingriffe staatlicher Stellen geschützte Privatsphäre der Eheleute Bedacht zu nehmen ist und Art und Ausmaß der Aufklärung unter anderem von der Dauer der bereits praktizierten und durch eine Aufenthaltsgenehmigung genehmigten ehelichen Lebensgemeinschaft abhängen (vgl. nur Hessischer VGH, Beschluss vom 27. August 1996 - 12 TG 3190/96 -, FamRZ 1997, 749). Dabei wird die Widerspruchsbehörde auch als Veränderung des Sachverhalts zu berücksichtigen haben, dass die Antragstellerin schwanger ist bzw. bereits entbunden wurde und ihr Ehemann nach Art. 21 EGBGB, § 1592 Nr. 1 BGB als Vater des Kindes gilt, sofern nicht § 1592 Nr. 2 oder Nr. 3 BGB eingreifen.
Kann nach dem bisherigen Sach- und Streitstand weder sicher auf eine Scheinehe noch darauf geschlossen werden, dass eine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und ihrem Ehemann nicht besteht, so fällt die Abwägung der widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen zu Gunsten der Antragstellerin aus. Sie wäre - falls sich später herausstellt, dass die angefochtene Ausweisung rechtswidrig ist - nicht nur in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG verletzt, müsste eine Trennung von ihrem Ehemann und die Unterbrechung ihrer begonnenen Integrationsbemühungen sowie überdies eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung ihrer prozessualen Möglichkeiten im Hauptsacheverfahren hinnehmen; denn es liegt - gerade im Hinblick auf die hier zu klärenden Tatsachenfragen - auf der Hand, dass die Antragstellerin zur Aufklärung dieser teilweise ihren höchstpersönlichen Bereich betreffenden Umstände vom außereuropäischen Ausland aus wesentlich weniger beitragen kann als in Deutschland jederzeit erreichbare Verfahrensbeteiligte. Demgegenüber fällt der Nachteil, der sich für das öffentliche Interesse ergibt, wenn die Antragstellerin einstweilen in Deutschland verbleibt, sich später aber herausstellt, dass die Ausweisung rechtmäßig ist, weniger ins Gewicht; die Herstellung des rechtmäßigen Zustands - sei es durch freiwillige Ausreise oder durch Abschiebung des Antragstellerin - würde dadurch lediglich verzögert.
Hinsichtlich der Versagung der Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung hat der Antrag ebenfalls Erfolg.