OLG Oldenburg

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Zitieren als:
OLG Oldenburg, Beschluss vom 02.12.2003 - Ss 342/03 - asyl.net: M4666
https://www.asyl.net/rsdb/M4666
Leitsatz:

Keine Verpflichtung eines Gastwirtes zur Überprüfung des aufenthaltsrechtlichen Status von Ausländern, die sich in seiner Gaststätte aufhalten.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: D (A), Strafrecht, Einschleusen von Ausländern, Gastwirt, Prostituierte
Normen: AuslG § 92a Abs. 1 Nr. 1; AuslG § 92a Abs. 1 Nr. 2
Auszüge:

[...] Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, als Inhaber der Bar "..." in ... Ausländerinnen, die in seiner Bar angetroffen wurden, Hilfe zu ihrem gegen § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG verstoßenden Aufenthalt in Deutschland geleistet und sich dadurch wegen Einschleusens von Ausländern gemäß § 92a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG strafbar gemacht zu haben. [...]

Das Landgericht hat keine Einzelhandlung festgestellt, mit welcher der Angeklagte konkret Hilfe zum illegalen Aufenthalt leistete. So ist insbesondere schon nicht festgestellt worden, dass der Angeklagte den Barbetrieb tatsächlich leitete; eher für das Gegenteil spricht, dass das LG davon ausgeht, er habe die 8 Ausländerinnen nicht gekannt und sei selbst nur selten in der Bar gewesen. Das könnte dafür sprechen, dass er mit dem Ablauf des Barbetriebes nicht befasst, sondern bloßer Konzessionsinhaber war.

Auch die - nur pauschal getroffene - Urteilsfeststellung, die Ausländerinnen seien in der Bar "beschäftigt" gewesen (UA S. 5, 3. Abs.), reicht in dieser Form für einen Schuldspruch nach § 92a AuslG nicht aus. [...]

Eine Strafbarkeit des Angeklagten im Sinne der Anklage könnte sich aufgrund der Urteilsfeststellungen somit nur daraus ergeben, dass der Angeklagte Konzessionsinhaber der Bar war, in der sich Ausländerinnen befanden, die sich unberechtigt in Deutschland aufhielten. Darin liegt aber kein nach § 92a AuslG strafbares Verhalten.

Das bloße Nichteinschreiten gegen den Aufenthalt sich illegal in Deutschland befindender Personen in einer Gaststätte durch den Konzessionsinhaber könnte nur § 92a Abs. 1 AuslG unterfallen, wenn diese Form eines Unterlassens insoweit strafbar wäre. Das ist indessen nicht der Fall.

Zwar ist - wie bei jeder Beihilfe - bei § 92a AuslG als einem Fall der zum Tatbestand verselbständigten Beihilfe eine Tatbegehung durch Unterlassen grundsätzlich möglich. Eine Strafbarkeit des Unterlassens setzt aber bei unechten Unterlassungsdelikten, also auch hier, eine entsprechende Rechtspflicht zum Handeln voraus. Diese müßte vorliegend dahin gehen, dass der Konzessionsinhaber eines Barbetriebes rechtlich verpflichtet ist zu verhindern, dass Ausländer, die sich illegal in Deutschland befinden, sich in seiner Bar aufhalten. Eine solche Rechtspflicht besteht indessen nicht. Sie überspannte die an eine Privatperson zu stellenden Anforderungen. Es ist nicht vertretbar, von jedem Gastwirt unter Strafandrohung zu verlangen, den aufenthaltsrechtlichen Status ausländischer Gäste zu kontrollieren und sich illegal in Deutschland aufhaltende Ausländer seiner Räume zu verweisen. Dadurch würde ihm die Erledigung ausschließlich öffentlicher Aufgaben auferlegt, für die nicht Privatpersonen, sondern die Ausländerbehörde bzw. die Polizei zuständig sind, vgl. Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 13 Rdn. 13 m.w.Nachw..

Auch der Umstand, dass sich unweit der Bar des Angeklagten Räume befanden, in denen der Prostitution nachgegangen wurde, erweitert den Pflichtenkreis des Angeklagten nicht, und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass sich unter Prostituierten häufig Ausländerinnen ohne Aufenthaltsgenehmigung oder -duldung befinden. Denn nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte nicht Mieter dieser Räume; dass er zu ihnen oder zu den dort ausgeübten Tätigkeiten sonst rechtlich oder tatsächlich in irgendeiner Beziehung stand, ist gleichfalls nicht festgestellt. Aus der im Urteil mitgeteilten Auffassung der Strafkammer, die Trennung zwischen der Bar und den Bordellräumen im Obergeschoss sei "nur formaler Natur" gewesen (UA S. 5, 2. Abs.), ergibt sich nichts anderes. Tatsachen, die es erlaubten, die von den Ausländerinnen ausgeübte Prostitutionstätigkeit dem Angeklagten zuzurechnen, sind ausweislich der Urteilsgründe nicht festgestellt worden.

Für die neue Hauptverhandlung wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass eine Erfüllung des Tatbestands des § 92a Abs. 1 Nr. 1 AuslG nur in Betracht kommen dürfte, wenn ein hinreichend konkreter Vermögensvorteil des Angeklagten festgestellt wird. [...]