Keine mittelbare oder unmittelbare staatliche Verfolgung von Roma in Serbien und Montenegro (ohne Kosovo); keine extreme Gefährdungslage i.S.d. verfassungskonformen Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG für Roma.(Leitsatz der Redaktion)
Die Berufung ist begründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Feststellung, dass bei ihnen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Der Senat unterstellt zu ihren Gunsten, dass sie ihr Heimatland Jugoslawien - jetzt: Serbien-Montenegro - vorverfolgt verlassen haben, so dass die erforderliche Prognose, ob ihnen bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, nach dem herabgestuften Maßstab der "hinreichenden Sicherheit" zu treffen ist (vgl. BVerfG a.a.O., S. 345). Doch auch diese für die Kläger günstigen Vorgaben verhelfen ihrem Begehren nicht zum Erfolg. Denn sie wären bei einer Rückkehr in ihr Heimatland gegenwärtig und auf absehbare Zeit auf Grund der nach ihrer Ausreise erfolgten durchgreifenden Veränderung der politischen Verhältnisse in ihrem Heimatland vor (erneuter) politischer Verfolgung hinreichend sicher.
Die Kläger müssen als Roma aus Serbien keine politische Verfolgung mehr befürchten. Die neue politische Führung in Serbien gewährleistet den Minderheiten Schutz, in Montenegro ist dies schon länger der Fall. Aus diesem Grunde hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 23. Mai 2002 - 3 L 176/95 - für Minderheiten in Serbien eine hinreichende Verfolgungssicherheit bejaht, wobei es in dem Beschluss - wie vorliegend - um eine moslemische Romafamilie aus Serbien ging.
Zur Lage der Roma gibt es zwar nach wie vor Berichte über eine starke Diskriminierung dieser Minderheit in der jugoslawischen Gesellschaft, jedoch geht dies nicht auf gezielte staatliche Maßnahmen zurück. Im Gegenteil widerspricht dies der neuen Minderheitenpolitik im Heimatland der Kläger. So berichtet das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 17. Mai 2001 an das VG Köln, dass in früheren Zeiten vereinzelt Übergriffe von Skinheads auf Roma bekannt geworden seien, in der jüngsten Zeit aber nicht mehr. Roma sind seit dem politischen Umschwung am 5. Oktober 2000 besser geschützt. Die Justizbehörden greifen jetzt Klagen von Roma auf. Erstmalig wurde im Frühjahr 2001 ein Skinhead wegen eines Überfalls auf einen Roma-Jungen von einem serbischen Gericht verurteilt. Im Lagebericht vom 16. Oktober 2002 heißt es hierzu, die Roma seien nicht wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, vielmehr bemühe sich die Bundesregierung, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik zu verbessern. Die Roma haben nach dem neuen Minderheitengesetz den Status einer nationalen Minderheit und sollen z. B. proportional in öffentlichen Ämtern vertreten sein, damit sie die Politik aktiv mitgestalten können. Seit dem Vorjahr 2002 erarbeitet das jugoslawische Minderheitenministerium in Kooperation mit den Roma eine landesweite Integrationsstrategie für Roma. Vor diesem Hintergrund kann eine staatliche bzw. dem Staat zurechenbare mittelbare Verfolgung von Roma in Serbien und Montenegro nicht angenommen werden.
Auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG liegen nicht vor. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des hier allein in Betracht zu ziehenden § 53 Abs. 6 AuslG nicht vor.
Im Angesicht der seit der Ausreise der Kläger eingetretenen und Eingangs dargestellten Veränderungen der politischen Verhältnisse in Serbien und Montenegro kommen Übergriffe auf die körperliche Integrität von Angehörigen der Volksgruppe der Roma nur vereinzelt vor und insoweit bieten die staatlichen Institutionen Schutz (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Oktober 2002 und Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17. Mai 2001 an das VG Köln).
Im Hinblick auf die allgemein schwierige Lage der Roma handelt es sich um eine Problematik, die grundsätzlich nur Gegenstand einer Entscheidung nach § 54 AuslG sein kann, da insoweit eine ganze Bevölkerungsgruppe betroffen ist. Einen solchen Abschiebestopp gibt es zurzeit nicht. Es besteht aber auch keine extreme Gefährdungslage in dem vorbezeichneten Sinne im Hinblick auf die Zugehörigkeit der Kläger zur Volksgruppe der Roma, die die Anwendung von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG rechtfertigen könnte. Für die Bevölkerungsgruppe der Roma ist zwar festzustellen, dass ihre Lebensbedingungen in Serbien ausgesprochen schwierig sind und es im täglichen Leben in der Tat immer noch Vorbehalte und Diskriminierungen gibt. Diese schwierige Situation rechtfertigt aber nicht die Annahme einer extremen Gefahrenlage, denn es kann keine Rede davon sein, dass Roma im Falle der Abschiebung dort gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würden. Eine Versorgung mit Nahrung und Unterkunft ist - wenn auch auf niedrigem Niveau - auch für Roma im Regelfall gesichert (vgl. zum Ganzen: Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Oktober 2002, Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17. Mai 2001 an das VG Köln, Auskunft der Gesellschaft für bedrohte Völker vom 6. Februar 2003 an das VG Freiburg).
Auch die Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden. Zwar ist die Bezeichnung
des Abschiebezielstaates (Bundesrepublik Jugoslawien) aufgrund des geänderten Staatsnamens inzwischen nicht mehr aktuell, jedoch entspricht die Abschiebungsandrohung nach wie vor den Anforderungen des § 50 Abs. 2 AuslG. Mit dem Begriff "Bundesrepublik Jugoslawien" wird das Abschiebeziel auch nach der Änderung des Staatsnamens sowohl für den betroffenen Ausländer als auch für die mit der Abschiebung betraute Ausländerbehörde unmissverständlich klar bezeichnet, so dass der Zweck des § 50 Abs. 2 AuslG in erreicht wird.