OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.09.2003 - 10 A 10967/03.OVG - asyl.net: M4668
https://www.asyl.net/rsdb/M4668
Leitsatz:

Zur Zwangsgeldandrohung bei unerlaubter Beförderung von Ausländern in das Bundesgebiet auf dem Luftweg. (Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Luftfahrtunternehmen, Beförderungsverbot, Einreisebestimmungen, Untersagungsverfügung, Zwangsgeld, Übermaßverbot, Verhältnismäßigkeit
Normen: AuslG § 74
Auszüge:

Nach § 74 Abs. 3 Satz 1 AuslG setzt der Erlass einer Zwangsgeldandrohung voraus, dass ein Beförderungsunternehmer trotz Abmahnung Ausländer ohne die erforderlichen Grenzübertrittsdokumente in die Bundesrepublik befördert. Diesbezüglich hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem - zwischen den Beteiligten ergangenen, das Urteil des Senates vom 1. Juni 2001 a.a.O. bestätigenden - Urteil vom 21. Januar 2003 - BVerwG 1 C 5.02 - betont, dass sowohl mit dem Beförderungsverbot als auch mit der Zwangsgeldandrohung nach dem erkennbaren Gesetzeszweck die Einhaltung der Pass- und Visumspflicht in jedem Einzelfall sichergestellt werden soll. Die Beförderungsunternehmer sind für die von ihnen nach Deutschland gebrachten Passagiere verantwortlich und werden durch diese behördlichen Maßnahmen dazu angehalten, wirksame Kontrollen durchzuführen und damit zugleich die Verpflichtungen aus ihrer luftverkehrsrechtlichen Betriebsgenehmigung zu erfüllen. Sowohl die unmittelbar kraft Gesetzes nach § 74 Abs. 1 Satz 1 AuslG bestehende Pflicht der Beförderungsunternehmer, Ausländer nur in die Bundesrepublik zu befördern, wenn sie die erforderlichen Reisedokumente besitzen, als auch das im Einzelfall konkretisierte Verbot nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG, Ausländer dem Absatz 1 zuwider in das Bundesgebiet zu befördern, sind hiernach dahin zu verstehen, dass den Beförderungsunternehmer eine nach objektiven Maßstäben bemessene Verpflichtung trifft, Verstöße gegen die Einreisebestimmungen soweit wie irgend möglich zu vermeiden, wobei den Unternehmer allerdings keine rechtlich oder tatsächlich unerfüllbaren Anforderungen treffen. Dementsprechend ist in der übrigen Rechtsprechung anerkannt und wird auch vom Senat angenommen, dass diese gesetzlichen Vorgaben mit Blick auf das Übermaßverbot dahingehend zu modifizieren sind, dass ein Beförderungsverbot und eine Zwangsgeldandrohung nur erlassen werden dürfen, wenn die ihnen behördlicherseits zugrunde gelegten unerlaubten Beförderungen nicht nur von einigem Gewicht sind, sondern dem Unternehmer als solche auch vorwerfbar sind. Denn nur, wenn der Unternehmer die ihm vorgehaltenen Beförderungen von Ausländern ohne die erforderlichen Grenzübertrittsdokumente hätte vermeiden können, liegt ein für ihn steuerbares Risiko vor, das ihm alsdann auch Raum gibt, durch eine Verbesserung seiner Kontrollpraxis künftig nach Möglichkeit den an ihn gestellten Anforderungen gerecht zu werden (vgl. dazu OVG Münster, NVwZ 1989, S. 1090, OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. Dezember 1997 - 11 B 13028/97.OVG - sowie Urteil des Senates, a.a.O.).

Hiernach aber durfte die Beklagte entsprechend ihrer Praxis zur Ermittlung des Beförderungsverhaltens der Klägerin zunächst einmal grundsätzlich alle überhaupt zu Tage getretenen, die Frage nach einer etwaigen Vermeidbarkeit durch die Klägerin aufwerfenden Verstöße auflisten, weswegen es nicht zu beanstanden ist, wenn sie in dieser Phase ihrer Erhebungen lediglich die Fälle unberücksichtigt gelassen hat, die ihr schon von Seiten der jeweiligen Grenzschutzstellen mangels jeglichen weiterführenden Verfolgungsinteresses erst gar nicht gemeldet worden waren bzw. denen perfekte Fälschungen zugrunde lagen, die wegen der Qualität der vorgenommenen Manipulationen von ihr zweifelsohne nicht erkannt werden konnten (vgl. dazu auch die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum AuslG vom 28. Juni 2000 - AuslG-VwV - zu § 74 Rz. 1.4.3). Ebenso begegnet es von daher auch keinen Bedenken, dass die Beklagte entsprechend dieser Auflistung ihrem weiteren Vorgehen gegen die Klägerin laut der Ausgangsverfügung jeweils 20 zu beanstandende Fälle im (...) Quartal (...) und im (...) Quartal (...) bzw. nach entsprechender Überprüfung laut Widerspruchsbescheid (...) Fälle in (...) und (...)Fälle in den (...) Quartalen (...)zugrunde gelegt, hat.

Schließlich verhält es sich auch nicht so, dass die Zwangsgeldandrohung vor dem Hintergrund des hinsichtlich der Zeiträume des Jahres (...) und der (...) des Jahres (...) zuletzt im Rahmen des Widerspruchsbescheides angeführten Zahlenmaterials allein mit Blick auf die hiernach aus der Sicht der Klägerin eher geringe Anzahl der aufgelisteten bzw. vorgehaltenen Fälle als fehlerhaft angesehen werden müsste, weil der Klägerin letztlich eine selbst unter den größten Anstrengungen kaum noch realisierbare weitere Verbesserung ihrer Kontrollpraxis abgenötigt würde. Insofern zeigt sich vielmehr, dass sich ausgehend von den dem Widerspruchsbescheid zugrunde gelegten unerlaubten Beförderungen bei insgesamt (...)Verstößen im Jahr (...) ein durchschnittlicher Wert je Quartal von (...) Fällen bzw. bei (...) Verstößen in (...) Quartalen (...) ein solcher Wert je Quartal von (...) Fällen ergibt. Diese Anzahl erscheint nicht bereits so gering, dass sie von der Beklagten nicht zum Anlass für die vorliegende Zwangsgeldandrohung hätte genommen werden dürfen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man berücksichtigt, dass hiervon entsprechend der von der Beklagten für diese beiden Jahre ermittelten Prozentsätze von 69 % bzw. 65 % jeweils rund 2/3 allein auf die Fallgruppe der Einreisen ohne Sichtvermerk bzw. ohne zeitlichen gültigen Sichtvermerk entfallen waren.

Dass die Beklagte gegen die Klägerin nicht etwa "ohne Maß und Ziel" vorgeht, wird hierbei ferner daran deutlich, dass sie bereits im Rahmen des Erlasses der Zwangsgeldandrohung wie auch des Widerspruchsbescheides durchaus den erheblichen Aufwand der Klägerin zur Unterbindung unerlaubter Beförderungen anerkannt hat, dass sie des Weiteren deutlich gemacht hat, auf keinen Fall etwa auf einer 100-prozentigen Quotenerfüllung zu bestehen, dass sie außerdem erneut angeboten hat, mit den Kontrollteams der Klägerin weitere Schulungen durchzuführen, sowie dass sie sich schließlich bereit erklärt hat, im Falle einer weiteren nachhaltigen Absenkung der unerlaubten Beförderungen um 25 % sogar die Untersagungsverfügung vom 12. April 2000 und damit naturgemäß auch die vorliegende, sich ohnehin an der gesetzlichen Untergrenze bewegende Zwangsgeldandrohung wieder aufzuheben. Die Annahme der Beklagten, die Klägerin werde ungeachtet dieser ihr zuerkannten Fortschritte gleichwohl noch zu einer weiteren Steigerung ihres Kontrollverhaltens gerade auch mit Blick auf die ihr besonders anzulastenden Einreisen ohne Sichtvermerk bzw. ohne zeitlich gültigen Sichtvermerk in der Lage sein, wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass der Anteil dieser Fallgruppe an der Gesamtzahl der unerlaubten Beförderungen auch im Jahr 2002 erneut und nunmehr sogar auf nur noch 51 % zurückgegangen ist bzw. es offenbar in jüngerer Zeit hinsichtlich bestimmter Abflughäfen praktisch zu gar keinen Beanstandungen mehr kommt.