VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 13.11.2003 - 4 E 5241/01.AF(2) - asyl.net: M4725
https://www.asyl.net/rsdb/M4725
Leitsatz:

§ 51 Abs. 1 AuslG für chinesischen Staatsangehörigen wegen öffentlichkeitswirksamen Engagements für "Weltkongress der uigurischen Jugend".(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: China, Uiguren, Ostturkistanische Befreiungsbewegung, Mitglieder, Glaubwürdigkeit, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, Weltkongress der uigurischen Jugend, Demonstrationen, Ostturkistanischer Nationalkongress, Videokassetten, Medienberichterstattung, Überwachung im Aufnahmeland
Normen: AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG liegen in der Person des Klägers vor.

Vorliegend kann offen bleiben, ob der Kläger sein Heimatland bereits vorverfolgt verlassen hat. Auf die im Laufe des Verfahrens aufgetretenen Glaubhaftigkeitszweifel am Vortrag eines angeblich erlittenen Verfolgungsschicksals durch den Kläger kommt es nicht (mehr) an. Denn aufgrund der vom Kläger entfalteten exilpolitischen Tätigkeiten für die Organisation "Weltkongress der uigurischen Jugend" droht dem Kläger bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung. Der Kläger ist etwa seit März 2002 Mitglied in der Organisation "Weltkongress der uigurischen Jugend" und hat dies auch durch Vorlage des Mitgliedsausweises belegt. Der Kläger hat an Demonstrationen von Exiluiguren in (...) teilgenommen. Er hat am (...) an einer Demonstration von Exiluiguren vor dem chinesischen Generalkonsulat und bei Demonstrationen im (...) mitgemacht. Seine Aktivitäten sind durch entsprechende Fotos belegt und durch einen Artikel in einer türkischen Zeitung vom 01.10.2003, die u. a. auch den Kläger auf dem Titelblatt zeigt. Der Kläger ist binnenorganisatorisch engagiert in der oben genannten exiluigurischen Organisation. Eine spezielle Aufgabe von ihm ist es, Videobänder über die Geschichte Uiguriens und die Proteste der Exiluiguren zu fertigen.

Auf dem Einband dieser Videokassette ist ebenfalls u. a. der Kläger zu sehen. Auf dem Vorspann des Videofilmes ist ebenfalls der Name des Klägers als Mitfertiger eingeblendet.

Schon alleine das Fertigen und Verbreiten der Videobänder exponiert den Kläger. Aufgrund dieser Aktivitäten droht dem Kläger zur vollen Überzeugung des beschließenden Gerichtes bei einer Rückkehr nach China mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung.

Aus dem Artikel der Hürümji Abendzeitung vom 22.11.2001 ergibt sich, dass die Mitglieder des "Weltkongresses der uigurischen Jugend" und des "Ostturkistanischen Nationalkongresses", der mit dem Weltkongress der uigurischen Jugend kooperiert, in den Kontext internationalen Terrorismus gestellt werden. Dieser Artikel hat zum Ziel die Mitglieder der eben genannten Organisationen als Verfolger separatistischer Bestrebungen zu brandmarken um sie damit als extreme Gefahr für die staatliche Einheit der Volksrepublik Chinas darzustellen. In diesem Zusammenhang wird auch auf den Bericht des Auswärtigen Amtes vom 17. September 2002 verwiesen, der Auskunft darüber gibt, dass die chinesische Regierung im Konfliktfall gegenüber der dort lebenden Minderheit der muslimischen Uiguren mit unnachsichtiger Härte vorgeht.

Dies ergibt sich auch aus der Stellungnahme des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 14.12.1999. Darin heißt es:

"Aus den hier vorliegenden Erkenntnissen ist das chinesische Generalkonsulat München erheblich an Aktivitäten der Osttürkistanischen Union in Europa e. V., Büro München, interessiert. Wiederholt war der chinesische Generalkonsul des GK München bei bayerischen Sicherheitsbehörden vorstellig geworden, um gegen Veranstaltungen der Osttürkistanischen Union zu intervenieren."

Auch aus diesem Hinweis ergibt sich, dass zumindest auch in der Öffentlichkeit agierende Exiluiguren in Deutschland ins Visier des chinesischen Staates geraten und die chinesischen Sicherheitskräfte an Informationen über die entsprechenden Personen interessiert sind.

Und genau dieses Schicksal teilt zur vollen Überzeugung der Kläger. Aus der Öffentlichkeit der Teilnahme des Klägers an den entsprechenden Demonstrationen und auch aufgrund der Tatsache, dass der Kläger die oben bezeichneten Videobänder miterstellt und produziert, die im Übrigen auch nach China zu der dortig lebenden Minderheit der Uiguren versandt werden, muss davon ausgegangen werden, dass die exilpolitische Tätigkeit des Klägers auch chinesischen Behörden bekannt wird oder bekannt geworden ist. Aufgrund dieser Einschätzung kommt das Gericht zu dem Schluss, dass dem Kläger aufgrund der bestehenden Mitgliedschaft und seiner Aktivitäten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei Rückkehr nach China die Gefahr politischer Verfolgung droht.