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VG Oldenburg

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Zitieren als:
VG Oldenburg, Urteil vom 04.02.2004 - 7 A 241/03 - asyl.net: M4750
https://www.asyl.net/rsdb/M4750
Leitsatz:

Ein vorverfolgt ausgereister Sympathisant der RDR aus dem regierungskontrollierten südlichen Gebiet der Elfenbeinküste hat keine zumutbare inländische Fluchtalternative in den nördlichen von den Rebellen gehaltenen Teilen des Landes, wenn er dort keine familiären Bindungen hat.(Amtlicher Leitsatz)

 

Schlagwörter: Côte d'Ivoire, RDR, Sympathisanten, Vorverfolgung, Glaubwürdigkeit, Interne Fluchtalternative, Bürgerkrieg, Waffenstillstand, Verfolgungssicherheit, Existenzminimum, Versorgungslage, Soziale Bindungen
Normen: AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

Der Kläger hat sein Heimatland als Verfolgter verlassen.

Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Kläger im (...) in seiner Heimatstadt (...) von den Sicherheitskräften der ivorischen Regierung, die die Stadt von den Rebellen zurückerobert hatten, gesucht worden ist. Seine von diesen angetroffenen Freunde und ein Cousin, mit denen er zusammengelebt hat, sind getötet worden, während es dem Kläger gelungen ist, sich verborgen zu halten.

Im Zeitpunkt seiner Ausreise Ende (...), stand dem Kläger in dem von den Rebellen der MPCI eingenommenen Gebiet im Norden der Elfenbeinküste keine inländische Fluchtalternative zur Verfügung.

Zwar ist zwischen der Regierung und den Rebellen bereits am 18. Oktober 2002 ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen worden (vgl. Auskunft von amnesty international an das VG Hannover vom 19. Dezember 2002). Seither herrscht, was den von der MPCI gehaltenen Teil der Elfenbeinküste angeht, eine weitgehend befolgte Waffenruhe (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Oldenburg vom 22. April 2003). Die damalige Situation war aber noch nicht hinreichend verfestigt, so dass ein Wiederaufflammen der Kämpfe und eine Rückeroberung der Rebellengebiete durch die Regierungstruppen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen war. Erst Ende Januar 2003 ist in Linas-Marcoussis bei Paris zwischen den Bürgerkriegsparteien eine Friedensvereinbarung zustande kommen (vgl. Auskunft des Instituts für Afrikakunde an das VG Oldenburg vom 31. März 2003).

Eine erneute politische Verfolgung des Klägers in seinem von der Regierung kontrollierten Heimatort (...) und den übrigen südlichen Teilen der Elfenbeinküste kann nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.

Es besteht auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung für den Kläger keine zumutbare inländische Fluchtalternative im Norden der Elfenbeinküste.

Eine Gefahr politischer Verfolgung besteht dort derzeit allerdings nicht. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 22. April 2003 an das erkennende Gericht gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass dort Angehörige der RDR solchen Maßnahmen ausgesetzt werden. In der Auskunft des Instituts für Afrikakunde an das erkennende Gericht vom 31. März 2003 wird dargelegt, dass die nördlichen moslemischen Rebellengebiete so etwas wie ein Schutzraum für RDR-Angehörige und Sympathisanten seien. Dafür spricht, dass MPCI und RDR das gemeinsame Ziel haben, die Situation der moslemischen Bevölkerung zu verbessern (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. November 2003 - 9 LA 310/03 - <S. 3>; Beschluss vom 1. Oktober 2003 - 9 LA 273/03 - <S. 3>).

Es besteht derzeit auch nicht die reale Gefahr, dass die Regierung Gbagbo im Norden wieder die Macht übernimmt.

Diese Fluchtalternative ist für den Kläger aber nicht zumutbar.

Nach der Auskunft des Instituts für Afrikakunde vom 31. März 2003 an das erkennende Gericht ist die Versorgungslage in einigen der von den Rebellen gehaltenen Gebieten extrem angespannt. Es wird dementsprechend die Einschätzung vertreten, dass zahlreiche Menschen erheblichen Risiken für Leib und Leben ausgesetzt seien. Auch amnesty international (Auskunft an das VG Oldenburg vom 3. April 2003) ist der Auffassung, dass für Rückkehrer in den nördlichen Gebieten des Landes kein gesichertes Existenzminimum bestehe. Nach einem Bericht der taz vom 19. September 2003 sind die Rebellengebiete verarmt. Wegelagerei sei üblich. Die FAZ vom 19. September 2003 erwähnt dementsprechend, dass dort Anarchie und Bandentum um sich greife. Das Auswärtige Amt (vgl. Sicherheitshinweise vom 21. Januar 2004) warnt vor Reisen in den Nordteil der Elfenbeinküste.

Angesichts der bereits geschilderten politischen Stabilisierung ist zwar davon auszugehen, dass sich die wirtschaftliche Situation auch in den nördlichen Gebieten in den letzten Monaten verbessert hat. Anhaltspunkte für weitreichende Hungersnöte vermag das Gericht den vorhandenen Erkenntnismitteln nicht zu entnehmen. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass der Kläger im Nordteil der Elfenbeinküste keine persönlichen Bindungen hat. Wie er beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen übereinstimmend angegeben hat, leben seine Eltern und seine Geschwister in der Nähe von (...), wo der Kläger auch geboren ist. Angesichts der oben beschriebenen Situation im Nordteil der Elfenbeinküste ist er allein nicht in der Lage, sich in den Rebellengebieten eine ausreichende Existenzgrundlage zu schaffen.