OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 13.02.2004 - 7 LA 194/03 - asyl.net: M4752
https://www.asyl.net/rsdb/M4752
Leitsatz:

Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der mündlichen Verhandlung im Asylprozess

Schlagwörter: D (A), Berufungszulassungsantrag, Verfahrensmangel, Rechtliches Gehör, Dolmetscher, Beeidigung, Auskünfte, Verfahrensgegenstand, Terminsvorbereitung, Vertagung, Beweisantrag, Ablehnung, Zeugen, Ausland, Rechtshilfe, Auswärtiges Amt, Auslandsvertretung, Telefonische Zeugenvernehmung, Sachverständigengutachten, Eigene Sachkunde, Wahrunterstellung
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3; VwGO § 138 Nr. 3; VwGO § 173 S. 1
Auszüge:

Eine verfahrensfehlerhafte Nichtbeeidigung eines Dolmetschers ist als solche nicht geeignet, das rechtliche Gehör zu verletzen. Eine Verletzung kommt nur in Betracht, wenn die Sprachmittlung durch einen zugezogenen Dolmetscher aufgrund von Übertragungsfehlern an erheblichen Mängeln gelitten und deshalb zu einer unrichtigen, unvollständigen oder sinnentstellenden Wiedergabe der vom Asylsuchenden in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben geführt hat (vgl. GK-AsylVfG, § 78 Rn. 436).

Davon abgesehen geht das Rügerecht verloren, wenn - wie hier - die Nichtbeeidigung in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt worden ist.

Die Klägerin sieht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör ferner dadurch verletzt, dass ihr nicht genügend Zeit zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung eingeräumt worden sei. Für die Verlegung von Terminen sowie die Vertagung von Verhandlungen gilt gemäß § 173 Satz 1 VwGO iVm § 227 Abs. 1 ZPO, dass eine positive Entscheidung über derartige Anträge "erhebliche Gründe" voraussetzt. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin im Zulassungsantrag sind derartige Gründe angesichts des relativ großen Zeitraums zwischen Ladung/Auskunftsübersendung und dem Terminstag nicht ersichtlich. Im Übrigen hat die Klägerin die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs jedenfalls nicht ordnungsgemäß erhoben. Dafür hätte sie darlegen müssen, was sie ohne die behauptete Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor dem Verwaltungsgericht noch vorgetragen hätte und inwiefern dieser Vortrag zu einer Klärung des geltend gemachten Asylanspruchs hätte führen können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.2.1984 - 9 CB 191.83 -, DVBl. 1984, 570).

Sieht das Verwaltungsgericht von einer Beweiserhebung wegen Wahrunterstellung ab, so ist dies zulässig, wenn ein Verzicht auf eine Beweiserhebung wegen Unerheblichkeit der vorgetragenen Tatsache vorliegt, welche durch die Wahrunterstellung nur sozusagen experimentell erwiesen wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.1990 - 9 C 39.89 -, NVwZ-RR 1990, 510 m.w.N.). Hier stellt sich die Wahrunterstellung durch das Verwaltungsgericht nicht als verfahrensfehlerhaft dar, weil es auf die unterstellte Tatsache aus seiner Sicht nicht ankam.

Den zweiten auf die Vernehmung oder Anhörung des vormaligen Ministers gerichteten Beweisantrag hat das Verwaltungsgericht abgelehnt, weil eine Vernehmung den Zeugen selbst gefährden würde und ein solches Vorgehen auch als völkerrechtlich unfreundlicher Akt zu werten wäre. Die Rüge der Klägerin, eine Anhörung des benannten Zeugen durch die deutsche Botschaft sei ohne die vom Gericht befürchteten Probleme möglich gewesen, zeigt ungeachtet der vom Verwaltungsgericht gegebenen Begründung für die Ablehnung des Beweisantrags einen Verfahrensmangel schon deshalb nicht auf, weil das Begehren, zu Einzelheiten des angeblichen Verfolgungsgeschehens einen im (möglichen) Verfolgerstaat lebenden Zeugen im Wege der Rechtshilfe durch deutsche Auslandsvertretungen vernehmen oder anhören zu lassen, auf ein grundsätzlich schlechthin ungeeignetes Beweismittel gerichtet ist, welches unverwertbar wäre (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 9.5.1983 - 9 B 10466.81 -, DVBl. 1983, 1001).

Den Beweisantrag zu 3), die - in China lebende - Frau B. C. D. als Zeugin zu vernehmen, hilfsweise telefonisch durch das Gericht zu befragen, hat das Verwaltungsgericht abgelehnt, weil bei einer telefonischen Befragung die Identität der befragten Person nicht festgestellt werden könnte. Die Klägerin ist demgegenüber der Auffassung, dass sich eine solche Befragung unter Einschaltung eines Dolmetschers dem Gericht sogar hätte aufdrängen müssen. Damit wird jedoch ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht dargelegt. Die Ablehnung des Beweisantrags durch das Verwaltungsgericht ist rechtlich nicht zu beanstanden, denn dieser war auf ein schlechthin ungeeignetes Beweismittel gerichtet. Da es im Falle einer Anhörung der benannten Zeugin in jeder Hinsicht auf die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben und damit auf den persönlichen Eindruck des Gerichts angekommen wäre, wäre die vorgeschlagene telefonische Befragung für die Wahrheitsfindung wertlos gewesen.

Den Beweisantrag zu 4) - die Einholung weiterer Sachverständigengutachten - hat das Verwaltungsgericht abgelehnt, weil es "durch das eingeholte Gutachten des Auswärtigen Amtes" ausreichend sachkundig sei. Auch gegen dieses Vorgehen bestehen durchgreifende Bedenken nicht. Einem auf Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens gerichteten Beweisantrag hat das Verwaltungsgericht nach seiner tatrichterlichen Beurteilung in entsprechender Anwendung der §§ 404, 412 ZPO iVm § 98 VwGO nicht nachzugehen, wenn ihm zu dem Beweisthema andere amtliche Auskünfte oder Sachverständigengutachten vorliegen, die in das Verfahren eingeführt worden sind, verwertet werden und eine hinreichende sichere Beurteilung der Verfolgungslage erlauben, so dass sich die Einholung von Sachverständigengutachten nicht aufdrängt (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v.20.3.1990 - 9 C 91.89 -, BVerwGE 85, 92).