OLG Düsseldorf

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Zitieren als:
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.02.2004 - I-3 Wx 25/04 - asyl.net: M4776
https://www.asyl.net/rsdb/M4776
Leitsatz:

Verfahren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung eines unzulässigerweise in Abschiebungshaft genommenen Betroffenen.

Schlagwörter: D (A), Marokkaner, Abschiebungshaft, Passlosigkeit, Passbeschaffung, Haftdauer, Drei-Monats-Frist, Belgien (A), Zurückschiebung, Rückübernahmeersuchen, Haftanordnung, Rechtswidrigkeit, Feststellungsantrag, Kostenentscheidung
Normen: AuslG § 57 Abs. 2 S. 4; AuslG § 61 Abs. 3; FreihEntzG § 16 Abs. 1; FGG § 13a Abs. 1
Auszüge:

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Antrag des Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des die Haft anordnenden Beschlusses des Amtsgerichts Düsseldorf vom 2. April 2003 teilweise begründet.

Nach § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG ist die Sicherungshaft unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen waren zum Zeitpunkt der Anordnung der Haft am 2. August 2003 nicht gegeben, wohl aber seit dem 1. September 2003.

Die Haftanordnung und die Inhaftierung des Betroffenen war hiernach zunächst rechtmäßig.

Zwar musste die Antragstellerin davon ausgehen, dass marokkanische Staatsbürger, die über keinerlei Identitätspapiere verfügten, nach den damaligen Gegebenheiten nicht binnen der nächsten drei Monate abgeschoben werden konnten, weil durch die marokkanischen Behörden in diesem Zeitraum Ersatzpapiere nicht zu erlangen waren. Dies ergab sich daraus, dass deshalb im Jahre 2003 10 marokkanische Staatsangehörige, die im Hafthaus Moers einsaßen, zum Ablauf der jeweils angeordneten dreimonatigen Abschiebungshaft entlassen werden mussten (vgl. AG Moers vom 28.08.2003 bei Melchior, Abschiebungshaft, Anhang ). Die Antragstellerin hat dem letztlich nicht widersprochen. Der einzige von ihr angeführte Fall der Abschiebung eines Marokkaners aus der Abschiebungshaft (AG Mönchengladbach - IV 2714 B -) ist zum Beleg des Gegenteils ungeeignet, weil - so unwidersprochen der Betroffene - die Abschiebung erst nach 172 Tagen Haft erfolgt ist.

Gleichwohl war die Haftanordnung zunächst rechtmäßig, weil der Betroffene angegeben hatte, er habe sich in Belgien aufgehalten, weshalb die Möglichkeiten einer Rückführung des Betroffenen nach Belgien zur Überprüfung standen. Allerdings war der Antragstellerin hierfür nicht ein Zeitraum von 6 Wochen zuzugestehen. Sie hätte die unter dem 4. August 2003 rechtzeitig eingeleitete Klärung bis spätestens zum 31. August 2003 abschließen müssen. Nach Artikel 2 Abs. 1 des Übereinkommens zwischen den Regierungen des Königreichs Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, des Großherzogtums Luxemburg, des Königreichs der Niederlande und der Republik Polen betreffend die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt (Bundesgesetzblatt 1993 Teil II Seite 1100) übernimmt die Vertragspartei, über deren Außengrenze die Person eingereist ist, die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei die geltenden Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt, auf Antrag dieser Vertragspartei formlos diese Person. Hierbei hat die ersuchte Vertragspartei - hier Belgien - das an sie gerichtete Rückübernahmeersuchen innerhalb von acht Tagen zu beantworten (Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens). Die Klärung der Rückübernahme hätte hiernach spätestens bis zum Ablauf des Monats August 2003 abgeschlossen werden müssen, mit der Folge, dass insoweit verbliebene Klärungsbedürftigkeit jedenfalls ab 1. September 2003 nicht mehr die Haftanordnung rechtfertigen konnte.

Bei dieser Sachlage war die angefochtene Entscheidung des Landgerichts teilweise zu ändern und festzustellen, dass die Haftanordnung ab 1. September 2003 rechtswidrig war.

Eine Überbürdung der dem Betroffenen entstandenen außergerichtlichen Kosten auf die Gebietskörperschaft, der die Ausländerbehörde angehört, kommt zwar nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des entsprechend anzuwendenden § 16 Satz 1 FreihEntzG (vgl. BayObLG a.a.O.; BayObLGZ 1997, 379/380) nicht gegeben sind. Das Verfahren hat nämlich nicht ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags auf Anordnung von Sicherungshaft nicht vorlag.

Zwar regelt die Erstattung außergerichtlicher Auslagen im Freiheitsentziehungsverfahren in Abweichung von § 13 a FGG die Vorschrift des § 16 Abs. 1 FreihEntzG (vgl. Thüringer OLG v. 24.01.2001 bei Melchior, Abschiebungshaft, Anhang). Der Regelungsgehalt des § 16 Satz 1 FreihEntzG deckt aber im vorliegenden Fall den Verfahrensgegenstand insoweit nicht ab als der Betroffene seit dem 1. September 2003 zu Unrecht inhaftiert war und er insoweit mit seinem auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung gerichteten Begehren zu einem Teil erfolgreich war. Die Bedeutung des § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG tritt insoweit in den Vordergrund. Dies hat zur Folge, dass aus Gründen der Billigkeit die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten dem Betroffenen von der Antragstellerin (Gebietskörperschaft) im Umfang seines Obsiegens im Feststellungsverfahren zu erstatten sind. Die Antragstellerin wird ihrerseits hierdurch nicht unbillig betroffen, weil sie es in der Hand hatte, rechtzeitig auf die Aufhebung der Haftanordnung hinzuwirken.