LSG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.12.2003 - L 13 EG 15/03 - asyl.net: M4785
https://www.asyl.net/rsdb/M4785
Leitsatz:

Kein Anspruch auf Erziehungsgeld.

Schlagwörter: D (A), Jugoslawen, Konventionsflüchtlinge, Aufenthaltsbefugnis, Erziehungsgeld, Familienbeihilfe, Diskriminierungsverbot, Gleichheitsgrundsatz
Normen: BErzGG § 1 Abs. 1a S. 1 a. F.; GG Art. 3; Vorläufiges Europäisches Abkommen
Auszüge:

Nach der hier noch anzuwendenden Vorschrift des § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG in der bis zum 31.12.2000 geltenden alten Fassung (a. F.) setzte die Gewährung von Erziehungsgeld an einen ausländischen Staatsangehörigen voraus, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis war. Dies galt selbst dann, wenn der Ausländer ein anerkannter Flüchtling war. Eine hier nicht zu berücksichtigende Rechtsänderung ist erst am 01.01.2001 durch § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 BErzGG in der Fassung des Gesetzes vom 12.10.2000 eingetreten. Es handelt sich nicht um eine authentische Interpretation der bisherigen Rechtslage. Vielmehr wurde für den Personenkreis der Flüchtlinge eine Anspruchsberechtigung neu geschaffen (Bundesrats-Drs. 191/00).

Die beanstandete alte Fassung des § 1 BErzGG ist mit dem Grundgesetz, insbesondere auch mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 zu vereinbaren (BSG SozR 3-7833 § 1 Nr. 16). Sie verstößt auch nicht gegen vorrangiges zwischenstaatliches und überstaatliches Recht.

Zwar ist der Kläger seit dem 13.04.1994 anerkannter Flüchtling im Sinne des FlüAbk und kann daher die den Flüchtlingen durch dieses Abkommen eingeräumten Rechte in Anspruch nehmen. Das Erziehungsgeld wird jedoch von den Bestimmungen des FlüAbk nicht erfasst. Insbesondere stehen Art. 23 und 24 der Anwendung des § 1 Abs. l a BErzGG a.F.nicht entgegen. Den Signatarstaaten ist es hinsichtlich ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestrittener Leistungen erlaubt, besondere Bestimmungen zu treffen, die zu einer Verschiedenbehandlung von Flüchtlingen und eigenen Staatsangehörigen führen.

Auch das Diskriminierungsverbot des Art. 3 EWGV 1408/71 ist nicht auf den Kläger anwendbar. Denn er befand sich während des streitigen Leistungszeitraums in einer Lage, die mit keinem Element über die Grenzen des EG-Mitgliedstaates Deutschland hinauswies (BSG, Urteil vom 29.01.2002 - B 10 EG 7/01 R -).

Ein Anspruch des Klägers kann sich schließlich auch nicht auf das deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen gründen. Es bezieht sich sachlich eindeutig nicht auf das Erziehungsgeld (BSG, Beschluss vom 28.03.2002, B 10EG 2/01 B sowie die rechtskräftige Entscheidung des erkennenden Senats vom 16.08.2002 - L 13 EG 3/02).

Schließlich kann der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf das Vorläufige Europäische Abkommen von 1953 stützen, das bis heute gültig ist und auf Grund des Ratifikationsgesetzes vom 07.05.1956 (BGBI.1956, S. 501 ff.) unmittelbare Rechtsansprüche begründet. Dies ist vom BFSFJ unter dem 27.01.2003 zudem bestätigt worden. Es sei erst nach der Ratifikation durch osteuropäische Staaten wieder in den Blickpunkt geraten. Nach Auskunft des beklagten Landes hatte während eines vorübergehenden Zeitraums sogar eine Weisungslage bestanden, wonach es im Bereich des BErzGG die Ansprüche der Flüchtlinge selbst auf Erziehungsgeld begründe (vgl. Auskunft des Beklagten vom 17.09.2002 - 000 - in der Streitsache L 13 EG 41/02 LSG NRW). Nach der Auskunft des BFSFJ vom 27.01.2003 besteht jedoch eine andere Weisungslage (Hinweis auf das Rundschreiben an die Länder vom 16.09.2002).

Der Kläger gehört auch zu dem Personenkreis, auf den das Vorläufige Europäische Abkommen Anwendung findet. Nach Art. 2 des Zusatzprotokolls (BGBl aaO, S. 528) finden die Vorschriften des Hauptabkommens auf die Flüchtlinge unter den gleichen Voraussetzungen Anwendung wie auf die Staatsangehörigen der Vertragsschließenden. Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ist in Deutschland der Ausländer, bei dem dasVorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (sog. kleines Asyl) festgestellt ist.

Sachlich erstreckt sich das Abkommen jedoch nicht auf das Erziehungsgeld nach dem BErzGG. Diese Leistung ist nicht als Familienbeihilfe (Art. 1 Nr. 1 d) anzusehen. Der Senat schließt sich der im Rundschreiben vom 16.09.2002 ausgesprochenen Rechtsauffassung des BFSFJ an.