OLG Köln

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Zitieren als:
OLG Köln, Beschluss vom 19.12.2003 - 16 Wx 228/03 - asyl.net: M4786
https://www.asyl.net/rsdb/M4786
Leitsatz:

Da die Passersatzbeschaffung bei algerischen Staatsangehörigen häufig mehr als drei Monate in Anspruch nimmt, ist vor Anordnung von Sicherungshaft stets zu prüfen, ob die Abschiebung im konkreten Fall innerhalb von drei Monaten möglich ist oder ob der Ausländer das Abschiebungshindernis zu vertreten hat. (Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Algerier, Abschiebungshaft, Abschiebungshindernis, Vertretenmüssen,Passersatzbeschaffung, Haftdauer, Drei-Monats-Frist, Abschiebung, Untersuchungshaft, Überhaft, Beschleunigungsgebot, Sofortige weitere Beschwerde
Normen: AuslG § 57 Abs. 2 S. 4
Auszüge:

Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern (§§ 27 Abs.1, 546 ZPO).

Der Beschluss des Landgerichts enthält entgegen § 12 FGG keine Feststellungen dazu, ob § 57 Abs. 2 S. 4 AuslG der Anwendung der Sicherungshaft entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist die Sicherungshaft unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann, wobei die Frist ab Haftanordnung beginnt und deshalb Untersuchungshaftzeiten einzurechnen sind. Die Regelung lässt erkennen, dass im Regelfall die Dauer von drei Monaten nicht überschritten werden soll und eine Haftdauer von sechs Monaten ( § 57 Abs. 3 S. 1 AuslG) nicht ohne weiteres als verhältnismäßig angesehen werden darf. Im Hinblick darauf, dass für den Betroffenen zunächst die erforderlichen Passersatzpapiere für die Heimreise zu beschaffen sind, hätte das Landgericht ermitteln müssen, auf welche konkreten Tatsachen sich die Erwartung der Ausländerbehörde gründet, die Abschiebung des Betroffenen innerhalb von drei Monaten durchführen zu können. Da die Abschiebung von algerischen Staatsangehörigen, die nicht über Ausreisepapiere verfügen und nicht freiwillig zur Ausreise bereit sind, häufig mehr als drei Monate in Anspruch nimmt (vgl. OLG Düsseldorf Beschluss vom 03.11.2003 - I-3 Wx 275/03; LG Berlin NVwZ-Beilage I 2/2001 S.24), wie auch die von der ZAB Köln im Rechtsbeschwerdeverfahren überreichte Statistik ergibt, haben die Tatsachengerichte stets zu prüfen, ob die Abschiebung im konkreten Fall innerhalb von drei Monaten möglich ist und - wenn dies nicht der Fall ist - ob Gründe für die zeitweise Undurchführbarkeit der Abschiebung von dem Betroffenen zu vertreten, also ihm zurechenbar oder vorzuwerfen sind.

Im Hinblick darauf, dass die im Anschluss an die Untersuchungshaft als Überhaft angeordnete Sicherungshaft am 24.12.2003, der Vorstellungstermin beim

algerischen Generalkonsulat aber erst für den 7./8. Januar 2004 vorgesehen und deshalb ein Antrag auf Verlängerung der Abschiebungshaft wahrscheinlich ist, ist folgendes anzumerken:

Eine Verlängerung der Abschiebungshaft über die Frist des § 57 Abs.2 S.4 AuslG hinaus, kommt nur in Betracht, wenn die Abschiebung innerhalb von drei Monaten zu erwarten war ,aber aus Gründen unterblieben ist, die der Ausländer zu vertreten hat (vgl. BGH NJW 1996, 2796 f). Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings auch das von der Ausländerbehörde zu beachtende Beschleunigungsgebot. Die Ausländerbehörde ist verpflichtet, einen Ausländer, den sie abschieben will, unverzüglich nach Kenntniserlangung von dessen Inhaftierung aufzusuchen, um mit ihm die notwendigen Maßnamen zur Passersatzpapierbeschaffung in die Wege zu leiten. Dies gilt umsomehr bei Staatsangehörigen, bei denen die Ausländerbehörden davon ausgehen können, dass die Beschaffung von Rückreisepapieren einen längeren Zeitraum einnehmen wird. Vorliegend bedarf dies besonderer Prüfung im Hinblick darauf, dass der seit 06.09.2006 in Untersuchungshaft befindliche Betroffene erst am 20.11.2003 zwecks Vorbereitung der Passersatzpapierbeschaffung in der JVA (...) aufgesucht wurde, wobei darauf hinzuweisen ist, dass auch bereits während der Untersuchungshaft die zur Abschiebung erforderlichen Maßnahmen ohne Aufschub und beschleunigt zu treffen sind.