VG Hannover

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Zitieren als:
VG Hannover, Beschluss vom 01.04.2004 - 6 B 1089/04 - asyl.net: M4888
https://www.asyl.net/rsdb/M4888
Leitsatz:

1. Auch bei Ablehnung eines verspäteten Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung ist vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren (im Anschluss an OVG Hamburg, NVwZ-RR 2001, 270).

2. Die festgelegte Regelstudienzeit bestimmt nicht zwingend die für das Erreichen des Aufenthaltszwecks nach § 28 Abs. 2 Satz 2 AuslG maßgebliche tatsächliche durchschnittliche Studiendauer (Nr. 28.5.2.3 AuslG-VwV).

3. § 28 Abs. 2 Satz 2 AuslG erfordert die Prognose, dass der Ausländer nach gegenwärtiger Erkenntnislage (nunmehr) sein Studium innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolgreich beenden wird (wie OVG Nordrhein-Westfalen, InfAuslR 1998, 493).(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: D (A), Ägypter, Studium, Aufenthaltsbewilligung, Verlängerung, Studiendauer, Aufenthaltsdauer, Verwaltungsvorschriften, Regelstudienzeit, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Fristen, Fristversäumnis, Zulässigkeit
Normen: AuslG § 28 Abs. 2 S. 2; VwGO § 80 Abs. 5; VwGO § 123
Auszüge:

Soweit der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 12. Februar 2004 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Januar 2004 anzuordnen, soweit darin sein Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung abgelehnt wird, ist der Antrag entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin trotz der verspäteten Stellung des Verlängerungsantrages nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO statthaft. Das Gericht folgt insoweit der überzeugenden Auffassung des OVG Hamburg in seinem Beschluss vom 10. Oktober 2000 - 3 Bs 289/00 - (NVwZ-RR 2001, 270 m.w.N.). Danach ist die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Ablehnung eines Antrages auf Verlängerung einer Aufenthaltsbefugnis auch dann nach § 80 Abs. 5 VwGO und nicht nach § 123 VwGO zu beurteilen, wenn der Verlängerungsantrag erst nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der zuvor erteilten Aufenthaltsgenehmigung gestellt worden ist. In einem solchen Fall löst der Verlängerungsantrag zwar regelmäßig nicht die Fiktion des erlaubten Aufenthaltes nach § 69 Abs. 3 AuslG, statt dessen aber die Fiktion des (nur) geduldeten Aufenthaltes nach § 69 Abs. 2 AuslG (analog) aus, was dann als rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO genügt (vgl. OVG Hamburg, a.a.O., m.w.N.; ebenso die Kammer, Beschlüsse vom 4. März 2004 - 7 B 7321/03 - und vom 5. März 2004 - 7 B 7323/093 - V.n.b.).

Insoweit ist der Antrag auch begründet. Denn die im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO vom Gericht vorzunehmende Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers, vorläufig von den Wirkungen des angegriffenen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Verwaltungsaktes geht zu Gunsten des Antragstellers aus, weil nach Auffassung des Gerichts bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung der Antragsgegnerin bestehen (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin, den Antrag des Antragstellers auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung wegen des Nichtvorliegens der Voraussetzungen nach § 28 Abs. 2 Satz 2 AuslG abzulehnen, bestehen schon deshalb, weil die Antragsgegnerin dabei nicht einmal die für sie verwaltungsintern verbindliche Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AuslG (AuslG-VwV) richtig ausgelegt und angewendet hat.

Nach Nr. 28.5.2.3 Satz 1 AuslG-VwV ist die Aufenthaltsbewilligung grundsätzlich um jeweils zwei Jahre zu verlängern, soweit ausreichende Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes für diesen Zeitraum nachgewiesen werden und ein ordnungsgemäßes Studium vorliegt. Nach Satz 4 dieser Regelung liegt ein ordnungsgemäßes Studium regelmäßig vor, solange der Ausländer die

durchschnittliche Studiendauer an der betreffenden Hochschule in dem jeweiligen Studiengang nicht um mehr als drei Semester überschreitet. Nur soweit dies der Fall ist, greift die Regelung in Nr. 28.5.4.1 AuslG-VwV ein, wonach der Ausländer bei Überschreiten der zulässigen Studiendauer von der Ausländerbehörde schriftlich darauf hinzuweisen ist, dass eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nur erfolgt, wenn die Ausbildungsstelle unter Berücksichtigung der individuellen Situation des ausländischen Studierenden einen ordnungsgemäßen Verlauf des Studiums bescheinigt, die voraussichtliche weitere Dauer des Studiums angibt und zu den Erfolgsaussichten Stellung nimmt. Diese Vorschriften hat die Antragsgegnerin nicht hinreichend beachtet.

In diesem Zusammenhang ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass selbst eine erhebliche Überschreitung der "zulässigen" Studiendauer für sich genommen noch nicht zwingend zur Ablehnung der Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung nach § 28 Abs. 2 Satz 2 AuslG führen muss. Entscheidend ist vielmehr, ob im entscheidungserheblichen Zeitpunkt nach der gegenwärtigen Erkenntnislage damit gerechnet werden kann, dass der Ausländer sein Studium jetzt innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolgreich abschließen wird (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. August 1998 -17 B 2314/96 - juris Web = InfAuslR 1998, 493).

Für die danach erforderliche Prognose muss die Ausländerbehörde von Amts wegen entsprechende Ermittlungen anstellen (vgl. § 24 Abs. 1 VwVfG). Hierzu kann sie selbstverständlich insbesondere auch den Ausländer selbst heranziehen, der gemäß § 70 AuslG in besonderer Weise zur Mitwirkung verpflichtet ist, und ihn gemäß Nr. 28.5.4.1 AuslG-VwV zur Vorlage einer diesbezüglichen Studienbescheinigung der Hochschule auffordern. Derartige Ermittlungen der Antragsgegnerin sind im vorliegenden Fall jedoch nicht einmal ansatzweise ersichtlich. Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, allein aus der (geringfügigen) Überschreitung der Regelstudienzeit die Annahme abzuleiten, der Antragsteller könne sein Studium nicht mehr innerhalb einer angemessenen Zeitspanne erfolgreich beenden. Dies ist offensichtlich unzureichend.

Des Weiteren ist auch die Aussage der Antragsgegnerin in ihrem Bescheid, die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung sei ausgeschlossen, wenn die Gesamtaufenthaltsdauer zehn Jahre überschreite, in dieser Form nicht haltbar.