OLG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 15.03.2004 - 20 W 426/03 - asyl.net: M4905
https://www.asyl.net/rsdb/M4905
Leitsatz:

Sicherungshaft gem. § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG setzt voraus, dass sich der Ausländer der Abschiebung entziehen will; auch wenn keine krankheitsbedingten Abschiebungshindernisse vorliegen, kann Abschiebungshaft wegen gesundheitlichen Gründen unverhältnismäßig sein.(Leitsatz der Redaktion)

 

Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Sicherungshaft, Abschiebung, Entziehungsabsicht, Verhältnismäßigkeit, Krankheit
Normen: AuslG § 57 Abs. 2 S. 2
Auszüge:

Der Senat vermag der in dem Beschluss des Landgerichts zum Ausdruck kommenden Auffassung, dass bei Durchführbarkeit der Abschiebung nach Ablauf der Ausreisefrist ohne weiteres Abschiebungshaft angeordnet werden kann, nicht zu folgen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 13. Juli 1994 in den Sachen 2 BvL 12/93 und 45/93 (= NVwZ-Beil. 1994,57 = InfAuslR 1994, 342 = DVBl. 1994, 1404 = EzAR 048 Nr. 13) entschieden, dass allein die Erfüllung der tatbestandlichen Merkmale der Haftgründe des § 57 Abs. 2 Satz 1 AuslG nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend erscheint, um zwingend die Rechtsfolge der Anordnung der Sicherungshaft auszulösen, wenn sich der Ausländer offensichtlich nicht der Abschiebung entziehen will.

Nach Auffassung des Senats muss dies in gleicher Weise für den Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 2 AuslG gelten.

Das Amtsgericht und das Landgericht hätten der Frage, ob sich der Betroffene der Abschiebung entziehen wollte, nachgehen, müssen. Dies um so mehr, als nach der Aktenlage außer der bloßen Vermutung der Antragstellerin kein Anhaltspunkt dafür besteht, zumal der Betroffene an seiner Wohnanschrift festgenommen wurde.

In diesem Zusammenhang ist auch dem Gesundheitszustand des Betroffenen, der regelmäßiger ärztlicher Behandlung bedarf, nicht genügend Beachtung geschenkt worden. Bei einem von der Abschiebung betroffenen kranken Ausländer muss der Abschiebungshaftrichter ganz besonders genau prüfen, ob die Abschiebungshaft, die im Einzelfall einen gegenüber der Durchführung der Abschiebung schwerwiegenderen Eingriff in die persönliche Freiheit darstellen kann, verhältnismäßig ist.

Nach dem Krankheitsbild des Betroffenen, das der Antragstellerin bekannt war, dem Amtsgericht aber - soweit ersichtlich - nicht im einzelnen offengelegt wurde, ergeben sich erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Haft.

In Anbetracht dieser Gesamtumstände hätte die Antragstellerin keinen Abschiebungshaftantrag stellen und Abschiebungshaft nicht angeordnet werden dürfen.