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Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 5.03 - asyl.net: M5013
https://www.asyl.net/rsdb/M5013
Leitsatz:

Eine Verpflichtungsklage auf erneute Entscheidung über einen Antrag auf Einbürgerung erledigt sich nicht dadurch, dass die Beklagte eine Einbürgerungszusicherung erteilt; § 88 Abs. 1 Nr. 3 AuslG (Einbürgerung trotz Straffälligkeit) erfasst nur Verurteilungen nach dem Erwachsenenstrafrecht.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Franzosen, Einbürgerung, Straftäter, Jugendstrafe, Bundeszentralregister, Tilgung, Mehrstaatigkeit, Gegenseitigkeit, Einbürgerungszusicherung, Rechtsschutzbedürfnis, Erledigung der Hauptsache
Normen: AuslG § 86 a.F.; AuslG § 87 Abs. 2 n.F.; AuslG § 88 Abs. 1 S. 2; AuslG § 88 Abs. 1 S. 1
Auszüge:

Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist die vom Kläger angestrebte Einbürgerung, auch wenn er sein Klagebegehren auf die ihm vom Verwaltungsgericht zuerkannte Neubescheidung beschränkt hat (vgl. hierzu Clausing in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 121 VwGO Rn. 92). Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist durch die mittlerweile erteilte Einbürgerungszusicherung weder der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt noch das Rechtsschutzinteresse für das Klagebegehren entfallen. Denn die Einbürgerungszusicherung des Beklagten verbessert zwar die Rechtsposition des Klägers, gewährt ihm aber noch nicht die erstrebte Einbürgerung. Zudem hat der Beklagte dargelegt, noch nicht abschließend über das Einbürgerungsbegehren entscheiden zu können, da dies noch von der Entlassung des Klägers aus der französischen Staatsangehörigkeit und von der Klärung seiner Unterhaltsfähigkeit abhänge. Er hat sich damit ausdrücklich die Prüfung vorbehalten, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 AuslG in der hier - angesichts der Stellung des Einbürgerungsantrags am 17. Januar 1995 - maßgeblichen Fassung vom 29. Oktober 1997 (BGBI II S. 2584 - AuslG a.F.) erfüllt sind (vgl. § 102 a AuslG in der Fassung vom 9. Januar 2002 <BGBI II S. 361>).

Die Erteilung der vom Kläger begehrten Einbürgerung steht somit weiter im Streit, auch wenn sich der Beklagte nicht mehr auf das Einbürgerungshindernis der strafgerichtlichen Verurteilung nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 AuslG a.F. beruft.

Da es zur Klärung der noch offenen Einbürgerungsvoraussetzungen weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr.2 VwGO).

Allerdings hat das Berufungsgericht das auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags beschränkte Begehren des Klägers wegen der im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung - vor der Tilgung im Bundeszentralregister - noch entgegenstehenden strafgerichtlichen Verurteilung mit Recht zurückgewiesen. Die gegen den Kläger verhängte Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten durfte bei Bescheidung des Einbürgerungsbegehrens nicht unberücksichtigt bleiben. Die Voraussetzungen des § 88 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AuslG lagen nicht vor. Mit Recht hat das Berufungsgericht aus Wortlaut, Systematik und Zweck der Vorschrift abgeleitet, dass § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AuslG nur Verurteilungen nach Erwachsenenstrafrecht erfasst (so schon Urteil vom 16. November 2000 - BVerwG 9 C 4.00 - BVerwGE 112, 180 184>; vgl. auch Urteil vom 19. November 1996 - BVerwG 1 C 25.94 - Buchholz 402.240 § 47 AuslG 1990 Nr. 11; ebenso Marx, Staatsangehörigkeitsrecht, § 88 AuslG Rn. 5). Eine Jugendstrafe ist weder eine Freiheitsstrafe im Sinne des § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 noch eine Strafe im Sinne des § 88 Abs. 1 Satz 2 AuslG. Für die Verurteilung zu Jugendstrafe trifft § 88 Abs. 2 AuslG eine Sonderregelung. Zutreffend ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass für eine Ermessensentscheidung nach § 88 Abs. 1 Satz 2 AuslG jedenfalls dann kein Raum ist - und zwar auch nicht im Wege der entsprechenden Anwendung -, wenn der Einbürgerungsbewerber zu einer Jugendstrafe ohne Bewährung verurteilt worden ist (so auch Renner, Nachtrag "Staatsangehörigkeitsrecht" zur 7. Auf!. des Kommentars zum Ausländerrecht, § 88 AuslG Rn. 4).

Die Verurteilung aus dem Jahr 1989 steht aber nach der Tilgung der in Rede stehenden Verurteilungen und dem daraus folgenden Verwertungsverbot (§ 51 BZRG) der Einbürgerung des Klägers nicht mehr entgegen. Der Senat kann diese im Revisionsverfahren eingetretene unstreitige Tatsache seiner Entscheidung auch zugrunde legen, weil ihre Berücksichtigung einer endgültigen Erledigung des Rechtsstreits um die Einbürgerung des Klägers dient (vgl. zuletzt etwa Urteil des Senats vom 20. Februar 2001 - BVerwG 9 C 20.00 - BVerwGE 114, 16 25 f.> m.w.N.). Es würde eine erhebliche Verlängerung des Verfahrens bedeuten, wenn der Senat heute über den seit neun Jahren anhängigen Einbürgerungsantrag ohne Berücksichtigung der Tilgung der verhängten Verurteilung entschiede und der Kläger unter Umständen ein neues Einbürgerungsverfahren betreiben müsste, falls die noch ungeklärten weiteren Einbürgerungsvoraussetzungen zwischen den Beteiligten streitig werden sollten.