OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.02.2004 - 18 B 811/03 - asyl.net: M5067
https://www.asyl.net/rsdb/M5067
Leitsatz:

Einem Ausländer, der keinen Pass besitzt, kann die Ausländerbehörde nicht mit Ordnungsverfügung aufgeben, einen Pass vorzulegen; sie kann ihn lediglich zu im Einzelnen konkret bestimmten Mitwirkungshandlungen bei der Passbeschaffung verpflichten.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Passpflicht, Passverfügung, Passvorlage, Passbeschaffung, Mitwirkungspflichten, Ermächtigungsgrundlage, Ermessen, Bestimmtheitsgebot, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt
Normen: AuslG § 40 Abs. 1; AuslG § 4 Abs. 1; DVAuslG § 25; AsylVfG § 15 Abs. 2; OBG NRW § 14 Abs. 1
Auszüge:

Mit der gegenüber dem Antragsteller unter Ziffer 1. dieses Bescheides erlassenen Verfügung, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Ordnungsverfügung den für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet gültigen Pass vorzulegen, hat die Antragsgegnerin das ihr zukommende Ermessen überschritten.

Dabei ist im Wege der Auslegung dieser Verfügung davon auszugehen, dass sich die Verfügung auf die Vorlage eines vom Antragsteller ggf. noch zu beschaffenden Passes richtet, also auch die Verpflichtung beinhaltet, sich, soweit es für die geforderte Vorlage erforderlich ist, einen gültigen Pass zu beschaffen.

Als Rechtsgrundlagefür die - so verstandene - unter Ziffer 1. des Bescheides vom 10. Januar 2003 ergangene Verfügung kommt nur § 14 Abs. 1 OBG NRW in Betracht. Zwar werden die für einen Ausländer bestehenden ausweisrechtlichen Pflichten durch Vorschriften des Ausländergesetzes {vgl. §§ 4 Abs. 1,39,40 AuslG) und der dazu ergangenen . Durchführungsverordnung (§ 25 DV AuslG) normiert. Weiterhin enthält das Asylverfahrensgesetz für Personen, die einen Asylantrag gestellt haben (§§ 1 Abs. 1, 13 AsylVfG) in § 15 Abs. 2 Nrn. 4 und 6 AsylVfG passrechtliche Mitwirkungspflichten. Diese - abstrakt generell geltenden - Vorschriften beinhalten aber keine Ermächtigung für die Ausländerbehörde, die sich aus ihnen ergebenden Pflichten im Falle ihrer Nichtbefolgung mittels Verwaltungsakt für den einzelnen Ausländer zu konkretisieren. Diese Befugnis ergibt sich vielmehr aus der allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Generalermächtigung des § 14 Abs. 1 OBG NRW.

Die angefochtene Verfügung erweist sich indes als fehlerhaft. Zwar liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 OBG NRW vor. Der Antragsteller verwirklicht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, indem er sich entgegen § 4 Abs. 1 AuslG ohne gültigen Pass im Bundesgebiet aufhält und von der Passpflicht des § 4 Abs. 12 1 AuslG ersichtlich nicht befreit ist.

Die Antragsgegnerin hat aber das ihr gemäß § 14 Abs. 1 OBG NRW eingeräumte Ermessen überschritten, als sie den Antragsteller zu einer Passbeschaffung verpflichtet hat. Eine derartige Maßnahme geht über den ihr zukommenden Handlungsrahmen hinaus. Hierfür gibt es keine Rechtsgrundlage.

Gemäß § 40 VwVfG NRW muss die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausüben und dessen gesetzlichen Grenzen einhalten. Derartige Grenzen können neben der Ermächtigungsgrundlage auch aus Vorschriften anderer Gesetze resultieren (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Auflage, § 40 VwVfG, Rdnr. 64; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Auflage, § 40 VwVfG, Rdnr. 82).

Insoweit kommen vorliegend die §§ 4 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 3, 39 Abs. 1, 40 AuslG und § 25 Nrn. 1 und 2 DV AuslG sowie § 15 Abs. 2 Nrn. 4 und 6 AsylVfG in Betracht, die die einem Ausländer obliegenden Pflichten in Bezug auf die Erlangung und die Vorlage eines Passes normieren. Aus der durch diese Vorschriften erfolgten inhaltlichen Ausgestaltung derartiger Pflichten ergibt sich zugleich, was einem Ausländer in diesem Zusammenhang nicht mehr abverlangt werden kann. Aus keiner der genannten Vorschriften lässt sich indes eine einem Ausländer obliegende Verpflichtung, sich einen Pass zu beschaffen, herleiten.....

Folgt somit weder aus den Vorschriften des Ausländergesetzes noch aus denen des Asylverfahrensgesetzes für den Antragsteller die Verpflichtung, sich einen Pass zu beschaffen, kann auch dahingestellt bleiben, ob § 15 Abs. 2 Nrn. 4 und 6 AsylVfG auf den Antragsteller nach Abschluss seines Asylverfahrens überhaupt noch anwendbar ist (vgl. in diesem Zusammenhang wiederum Senatsbeschluss vom 10. Juli 2002 - 18 B 1184/01 -).

Soweit also der Ausländer über keinen Pass verfügt, können ihm zur Erlangung eines solchen nur die im Ausländergesetz und in der dazu ergangenen Durchführungsverordnung normierten bzw., soweit er einen Asylantrag gestellt hat (§§ 1 Abs. 1, 13 AsylVfG), die im Asylverfahrensgesetz normierten Handlungspflichten auferlegt werden. In Bezug auf die Konkretisierung derartiger Verpflichtungen durch Erlass eines Verwaltungsaktes erfordert es das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit einer Verfügung (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW), dass der Ausländer zu jeder insoweit in Betracht kommenden Maßnahme durch eine gesonderte Regelung verpflichtet wird. Gesonderte Regelungen dürften auch im Hinblick auf etwaige Fristsetzungen, die in Bezug auf die in Betracht kommenden Handlungspflichten durchaus unterschiedlich zu bemessen sein können, und im Hinblick auf möglicherweise beabsichtigte Zwangsmittel geboten sein. Soweit nicht hinreichend sicher feststellbar ist, welche Handlung/Handlungen auf seiten des Ausländers geboten ist/sind, damit die Ausländerbehörde zur Durchführung ihrer Aufgaben in den Besitz eines Passes gelangen kann, können auch mehrere insoweit in Betracht kommende Regelungen zusammen in einem Bescheid, in einem abgestuften Verhältnis zueinander, ergehen.