Erhöhte politische Aktivität von monarchistischen Organisationen Ende 2003 rechtfertigt die Neubewertung der Verfolgungsgefährdung iranischer Staatsangehöriger im Asylfolgeverfahren; § 51 Abs. 1 AuslG für Vorstandsmitglied der N. I. D. und dessen Ehefrau.(Leitsatz der Redaktion)
Den Klägern ist auf den Folgeantrag hin Schutz vor Abschiebung in den Iran nach § 51 Abs. 1 AuslG zu gewähren, weil die gemäß § 71 Abs. 1 AsylVfG für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens erforderlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegeben sind und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ebenfalls vorliegen.
Insbesondere haben sie die für ihr Wiederaufgreifensbegehren relevanten Gründe binnen der Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG, die grundsätzlich auch für bei Gericht neu vorgebrachte Wiederaufgreifensgründe gilt, so BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998, a.a.O. geltend gemacht. Zwar fehlt es im Zeitpunkt der Antragstellung beim Bundesamt an der substantiierten Darlegung einer Änderung der Sach- oder Rechtslage. Der Antragsschriftsatz beschränkt sich vielmehr im Wesentlichen darauf, bereits in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2002 Vorgetragenes zu wiederholen. Eine Änderung der Sachlage im Hinblick auf das allgemeine Gefährdungspotential bei einem Eintreten für monarchistische Organisationen ist jedoch in der ersten Jahreshälfte 2003 eingetreten bzw. offenbar geworden. Denn während im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung über den Asylerstantrag nach der Auskunftslage davon auszugehen war, dass es seit Jahren im Iran keine monarchistischen Aktivitäten mehr gegeben hatte, die monarchistische Opposition nicht im gleichen Maße wie die Volksmudjahedin als Bedrohung empfunden wurde und deshalb ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates hinsichtlich der Mitglieder monarchistischer Organisationen eher als fraglich einzustufen war (vgl. Auswärtiges Amt, Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Iran vom 18. April 2001, S. 16, und vom 15. Juli 2002, S. 15; Deutsches Orient-Institut, Auskunft an das VG Münster vom 31. März 1998, und Auskunft an das VG Schleswig vom 28. Januar 1999; Bundesamt für Verfassungsschutz, Auskunft an das VG Potsdam vom 4. Januar 1999; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Münster vom 26. Januar 1998), ist in der ersten Jahreshälfte 2003 durch Eingang entsprechender gutachtlicher Äußerungen für die mit Asylverfahren befassten Stellen offenbar geworden, dass eine aktive, nicht bloß pro forma eingegangene Mitgliedschaft und Tätigkeit in monarchistischen Exil-Parteien oder -Organisationen jedenfalls neu bewertet werden muss, weil die monarchistische Exilopposition im Iran via Satellitenfernsehen erhebliche Propaganda gegen das Regime betreibt und die Abneigung im iranischen Volk gegen politische, westlich gefärbte Vorschläge monarchistischen Ursprungs im weiteren Sinne nicht nur signifikant nachgelassen hat, sondern auch Forderungen dieser Exilopposition von politischen Gruppen in Iran aufgegriffen worden sind (vgl. Deutsches Orient-Institut, Auskunft an das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht vom 26. Mai 2003 und Auskunft an das VG Kassel vom 26. Mai 2003; Protokoll über Vernehmung des Sachverständigen C2 am 11. März 2003 vor dem VG Wiesbaden; 4 E 1641/00.A(1).
Eine solche Neubewertung durch Wiederaufgreifen des rechtskräftig abgeschlossenen Asylerstverfahrens ist mangels erneuter Änderung der Auskunftslage auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) geboten (vgl. zum "Wegfall" des Anspruchs auf Wiederaufgreifen im Laufe des gerichtlichen Verfahrens VGH Mannheim, Urteil vom 16. März 2000 - A 14 S 2443/98-, juris/AuAS 2000, 152 ff.).
Diese Änderung der allgemeinen Verhältnisse im Heimatland haben die Kläger bereits mit Schriftsatz vom 23. Januar 2003 - unter anderem unter Bezugnahme auf die häufigen Auftritte von Reza Schah II. in weltweit zu empfangenden persischen Exil-Fernsehsendern - und damit fristgerecht gegenüber dem Gericht geltend gemacht.
Der fristgerecht vorgetragene Wiederaufnahmegrund begründet in Verbindung mit den nach Entstehen des Anspruchs auf Wiederaufgreifen weiter vorgetragenen Einzelheiten zu den Tätigkeiten der Kläger für den N.I.D. einen beachtlichen Nachfluchtgrund im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG. Den Klägern droht bei einer Zusammenschau ihrer exilpolitischen Tätigkeiten bzw. unter Berücksichtigung ihrer familiären Stellung bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung.
Für die Begründung einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr durch exilpolitische Aktivitäten reicht dabei nicht jede öffentlich zur Schau getragene Kritik am iranischen Regime, sondern nur ein nach außen hin in exponierter Weise für eine regimefeindliche Organisation oder als Einzelperson erfolgtes Auftreten als, das den Asylbewerber aus Sicht der iranischen Behörden als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner erscheinen lässt (so OVG NRW in st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 21. August 1997 - 9 A 3502/97.A -, vom 17. April 1998 - 9 A 345/98.A -, vom 16. April 1999 - 9 A 5338/98.A - und vom 28. Mai 2001 - 6 A 1994/01.A -; ebenso Niedersächsisches OVG, Urteil vom 26. Oktober 1999 - 5 L 3180/99-).
Dieser Einschätzung liegt zu Grunde, dass iranische Stellen zwar die im Ausland tätigen Oppositionsgruppen und (prominenten) Regimegegner genauestens beobachten und permanent ausspähen (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 8. Februar 2000; Bundesamt für
Verfassungsschutz, Auskunft an das VG Leipzig vom 23. August 2000 und Auskunft an das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht vom 28. Januar 2003; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. August 2003 "Prozess wegen Spionage für Iran - Ehemaliger Vize-Konsul informierte Teheran über Oppositionelle"), gleichzeitig aber bei der Beurteilung oppositioneller Kräfte genau zu unterscheiden wissen zwischen Führungspersonen von Oppositionsgruppen oder Einzelpersonen mit Außenwirkung und Personen, die sich an regimekritischen Aktivitäten beteiligen; nur die beiden erstgenannten Personengruppen sind gefährdet.
In Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger zu 1. zu den Personen zu zählen, die wegen ihres exponierten Auftretens für eine regimefeindliche Organisation den iranischen Sicherheitsbehörden als ernsthafte Gefahr für den Bestand der Islamischen Republik des Iran erscheinen.
Der Kläger zu 1. betätigt sich in hervorgehobener Position für den N.I.D./O.I.K. "Wächter des ewigen Iran/Organisation iranischer Konstitutionalisten" (kurz: N.I.D.). Seine Stellung als Vorstandsmitglied der Sektion L erschöpft sich nicht in rein organisatorischen Tätigkeiten, sondern umfasst auch programmatische Arbeit.
Es kann dahinstehen, ob die Aktivitäten der Klägerin zu 2. und die Wahrnehmung ihrer Funktion als Schatzmeisterin eine exponierte Stellung begründen. Ihr droht bei einer Rückkehr in den Iran dennoch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin zu 2. immerhin formal nach außen als Vorstandsmitglied auftritt, indem sie sich auf der Internetseite neben dem Präsidenten des N.I.D. als offizielle Vertreterin (im Bild) präsentiert, und unter gleichzeitiger Berücksichtigung ihrer persönlichen Stellung als Ehefrau des Klägers zu 1. sowie ihrer inzwischen mehrjährigen Tätigkeit für den N.I.D. ist es nach Überzeugung des Gerichts überwiegend wahrscheinlich, dass die iranischen Behörden sie bei einer Rückkehr in den Iran nicht lediglich als Mitläuferin (zum Zwecke der Beförderung des Asylverfahrens), sondern als tatsächlich Oppositionelle einstufen und entsprechend behandeln werden.