OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 07.06.2004 - 7 ME 114/04 - asyl.net: M5234
https://www.asyl.net/rsdb/M5234
Leitsatz:

Zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu Studienzwecken. (Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Studenten, Aufenthaltsbewilligung, Verlängerung, Verlängerungsantrag, Duldungsfiktion, Erlaubnisfiktion, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Zulässigkeit, Vorwegnahme der Hauptsache, Ordnungsgemäßes Studium, Verwaltungsvorschriften, Gleichheitsgrundsatz, Selbstbindung der Verwaltung, Studiendauer, Studienabschluss
Normen: AuslG § 28; AuslG § 69 Abs. 2; AuslG § 69 Abs. 3; VwGO § 80 Abs. 5; VwGO § 123
Auszüge:

Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alternative VwGO gegen die Ablehnung seines Antrags auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung gewährt, obwohl der Antragsteller diesen Verlängerungsantrag erst (kurz) nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der zuvor erteilten Aufenthaltsbewilligung gestellt hat. Das Verwaltungsgericht ist damit der Auffassung gefolgt, dass in einem solchen Fall der Verlängerungsantrag zwar regelmäßig nicht die Fiktion des erlaubten Aufenthalts nach § 69 Abs. AuslG, wohl aber die Fiktion des (nur) geduldeten Aufenthalts nach § 69 Abs. 2 AuslG (analog) auslöst und daran anknüpfend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gestattet. Dieser von mehreren Obergerichten und auch in der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. zum Meinungsstand nur OVG Hamburg, Beschl. v. 10.10.2000 - 3 Bs 289/00 -, NVwZ-RR 2001, 270) setzt die Antragsgegnerin den Hinweis entgegen, dass nach Ansicht anderer Obergerichte und eines Teils der Literatur eine derartige Fiktionswirkung nicht eintrete und deshalb vorläufiger Rechtsschutz nur nach § 123 Abs. 1 VwGO in Betracht komme.

Damit genügt die Beschwerdebegründung indes nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, wonach sie die Gründe darlegen muss, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander zu setzen hat. Dafür reicht es nicht aus, zu einer bestimmten, vom Verwaltungsgericht immerhin vertretbar beantworteten Frage einen kontroversen Meinungsstand aufzuzeigen.

Selbst wenn der gegenteiligen Auffassung, die in Fällen dieser Art gegebenenfalls vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO gewähren will, zu folgen wäre, könnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.

Soweit die Antragsgegnerin meint, eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung im Wege der einstweiligen Anordnung stelle eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache dar, verkennt sie, dass es dem Antragsteller im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht um eine derartige Verlängerung, sondern lediglich um die vorläufige Aussetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht geht.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin steht dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch zu, denn es ist hinreichend wahrscheinlich, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin über den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung bei fehlerfreier Entscheidung anders ausfallen wird. Gemäß

§ 28 Abs. 2 Satz 2 AuslG kann die Aufenthaltsbewilligung um jeweils längstens 2 Jahre nur verlängert werden, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann. Dafür sprechen hier gewichtige Gründe, die es rechtfertigen, von einer Durchsetzung der Ausreisepflicht derzeit abzusehen.

Die Antragsgegnerin ist zu ihrer (Feststellung, dass der Antragsteller ein ordnungsgemäßes Studium nicht (mehr) betreibe, unter Heranziehung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ländergesetz gelangt, sie hat dabei aber ihrer Entscheidung unzutreffende Tatsachen zugrunde gelegt und deshalb eine ermessensfehlerhafte Entscheidung getroffen. Nach Nr. 28.5.2.3 Satz 4 AuslG-VwV liegt ein ordnungsgemäßes Studium regelmäßig vor, solange der Ausländer die durchschnittliche Studiendauer an der betreffenden Hochschule in dem jeweiligen Studiengang nicht um mehr als 3 Semester überschreitet. Diese Beurteilung legt auch die Antragsgegnerin - wie die Begründung ihres Ablehnungsbescheides erkennen lässt - ihrer Verwaltungspraxis zugrunde. Sie hat jedoch übersehen, dass die durchschnittliche Studiendauer in dem Studiengang des Antragstellers nicht - wie von ihr angenommen - 10, sondern - wie das Verwaltungsgericht ermittelt hat - 12 Semester beträgt.

Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit des Studiums lassen sich hier ausnahmsweise auch nicht damit begründen, dass der Antragsteller sein Studium nicht innerhalb einer Gesamtaufenthaltsdauer von 10 Jahren im Bundesgebiet abgeschlossen hat. Weder § 28 Abs. 2 Satz 2 AuslG noch der allgemeinen Verwaltungsvorschrift ist eine derartige absolute Grenze zu entnehmen; vielmehr kommt es darauf an, ob im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt damit gerechnet werden kann, dass der Antragsteller sein Studium noch innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgreich abschließen wird (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 21.8.1998 - 17 B 2314/96 -, InfAuslR 1998, 493). Für die ihre ablehnende Entscheidung tragende, dies verneinende Prognose hat die Antragsgegnerin bisher ausreichende Erkenntnisse nicht gewonnen.