OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.04.2004 - 17 B 863/04 - asyl.net: M5249
https://www.asyl.net/rsdb/M5249
Leitsatz:

Auch wenn bei Rückkehr in das Herkunftsland eines Ausländers dieser als Wehrpflichtiger eingezogen würde, ist grundsätzlich der Verweis auf das Visumsverfahren zur Familienzusammenführung zumutbar.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Türken, Familienzusammenführung, Visumspflicht, Visumsverfahren, Schutz von Ehe und Familie, Zumutbarkeit, Wehrdienst, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: GG Art. 6; EMRK Art. 8
Auszüge:

Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller - ungeachtet der missverständlichen Formulierung des Beschwerdeantrags - weiterhin die vorläufige Untersagung seiner Abschiebung begehrt. Ein dieses Begehren stützender Anordnungsanspruch ist indes nicht glaubhaft gemacht.

Auch im Lichte des Beschwerdevorbringens kann nicht zu Grunde gelegt werden, dass Art. 6 GG oder/und Art. 8 EMRK einer vorläufigen Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet entgegenstehen.

Die Verweisung eines Ausländers auf die Einholung des für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung erforderlichen Visums ist - selbst im Falle eines Nachzugsanspruchs - grundsätzlich mit Art. 6 GG vereinbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1995 - 1 B 152/95 -, InfAuslR 1996, 137).

Gleiches gilt bezüglich Art. 8 EMRK, der das Recht der Vertragsstaaten, die Beachtung der Einreisevorschriften zu fordern, unberührt lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1997 - 1 C 20.97 -, InfAuslR 1998, 276).

Die mit der Durchführung eines solchen Verfahrens verbundene familiäre Trennung ist regelmäßig hinzunehmen.

Besondere Umstände, derentwegen Art. 6 GG im Einzelfall eine Unterbrechung der familiären Gemeinschaft verbietet, liegen nicht vor. Die Dauer des Visumsverfahrens beschränkt sich auf einen überschaubaren Zeitraum. Einer etwaigen sachlich nicht gerechtfertigten Verzögerung des Verfahrens kann im Bedarfsfall durch die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes begegnet werden.

Falls der Antragsteller in der Türkei zum Wehrdienst herangezogen werden sollte, berührt die hierdurch bedingte Verlängerung seines Auslandsaufenthalts ebenfalls nicht die Vereinbarkeit seiner Abschiebung mit Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK. Die Ableistung des Wehrdienstes ist eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht, deren Erfüllung häufig eine vorübergehende Trennung von der Familie mit sich bringt. Soweit der Antragsteller und/oder seine Angehörigen diese Trennung als unzumutbar empfinden sollten, sind die Ehefrau und die beiden Kinder, welche die Staatsangehörigkeit des Antragstellers teilen, nicht gehindert, ihn regelmäßig in der Türkei zu besuchen.

Die mit der Beschwerde bekundete Besorgnis, "ein vorübergehender Ausfall der Erziehungsleistung des Antragstellers würde zum völligen Verdienstausfall der Ehefrau führen, der auf mehr als einige Wochen nicht existenziell zu verkraften wäre", stellt die Vereinbarkeit der Aufenthaltsbeendigung mit Art. 6 GG ebenfalls nicht in Frage. Die Lebensplanung und -organisation von Ausländern entbindet nicht von der Beachtung des geltenden Visumsrechts. Im Bedarfsfall müssen sich die Angehörigen des Antragstellers um die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt bemühen.