OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.01.2004 - 10 B 11661/03.OVG - asyl.net: M5277
https://www.asyl.net/rsdb/M5277
Leitsatz:

Die Zuweisungsentscheidung aus dem Asylverfahren bleibt auch nach dessen Abschluss gültig; zur Vermeidung wesentlicher Nachteile kann es im einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Ausländerbehörde aufgegeben werden, von der zwangsweisen Durchsetzung der Verpflichtung zum Verlassen ihres Zuständigkeitsbereiches abzusehen.(Leitsatz der Redaktion)

 

Schlagwörter: D (A), Marokkaner, Abgelehnte Asylbewerber, Asylverfahren, Aufenthaltsgestattung, räumliche Beschränkung, Duldung, Ausländerbehörde, Örtliche Zuständigkeit, Gewöhnlicher Aufenthalt, Umverteilung, Familienzusammenführung, Familienangehörige, Schutz von Ehe und Familie, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Einstweilige Anordnung
Normen: AsylVfG § 67; AuslG § 44 Abs. 6; AuslG § 64 Abs. 2 S. 1; LVwVfG Rh-Pf § 1; VwVfG § 3 Abs. 1 Nr. 3a; POG Rh-Pf § 91 Abs. 1
Auszüge:

In Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht Berlin (vgl. hierzu den bereits vom Verwaltungsgericht zitierten Beschluss vom 23. Oktober 2000 - OVG 8 S 21.00 -, InfAuslR 2001, S. 165 ff.) und Teilen der Kommentarliteratur (vgl. GK-AsylVfG, Stand Oktober 2003, Rdnr. 3 zu § 67; a.A. z.B. Hailbronner, AuslR, Stand Dezember 2003, Rdnr. 16 zu § 67 AsylVfG) ist auch der Senat der Auffassung, dass eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts kraft asylverfahrensrechtlicher Zuweisung nicht zusammen mit der Aufenthaltsgestattung des Asylbewerbers bei rechtskräftiger Ablehnung des Asylantrags erlischt, sondern bis zu seiner Ausreise oder ihrer anderweitigen Erledigung fort gilt.

Ist der Aufenthalt des Antragstellers zu 1) aber auch nach der Beendigung des von ihm betriebenen Asylverfahrens im März 2002 auf den Landkreis L...-W... beschränkt geblieben, hat er unabhängig davon, seit wann er sich - in der Absicht, dort auf Dauer zu bleiben - in K... aufhält, daselbst nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen vermocht. Hierzu reicht es nämlich nicht aus, dass ein Ausländer die Absicht hat, an einem bestimmten Ort nicht nur vorübergehend zu verweilen, und sich dort gegebenenfalls auch tatsächlich schon längere Zeit aufgehalten hat; er muss sich an dem Ort vielmehr auch nicht nur vorübergehend aufhalten können, was nicht der Fall ist, wenn er sich aufgrund einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsbeschränkung anderenorts aufzuhalten hat (vgl. hierzu z.B. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1993 - 1 C 45.90 -, BVerwGE 92, S. 116 ff.; OVG Berlin, a.a.O.).

Nur aus der Begründung seines gewöhnlichen Aufenthalts in K... könnte sich jedoch die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die von den Antragstellern begehrte Duldung des Antragstellers zu 1) ergeben. Die örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde ist im Ausländergesetz selbst nicht geregelt. Insbesondere besagt § 64 Abs. 2 Satz 1 AuslG hierzu nichts; die Vorschrift setzt vielmehr die örtliche Zuständigkeit - nach Landesrecht - der "anderen Ausländerbehörde" voraus (vgl. z.B. OVG Hamburg, Urteil vom 6. Mai 1993 - OVG Bf VII 10/93 -, InfAuslR 1994, S. 229 ff.; Hailbronner, a.a..O., Rdnr. 8 zu § 64 AuslG; unklar insoweit HessVGH, Beschluss vom 24. Juni 1996 10 TG 2557/95 -, InfAuslR 1996, S. 360 ff.; das OVG Niedersachsen, Beschluss vom 12. Mai 2000 - 11 M 1263/00 -, geht im Zusammenhang mit der unabhängig von § 64 Abs. 2 AuslG von ihm erwogenen Möglichkeit einer weiteren Duldung ebenfalls nicht näher auf die örtliche Zuständigkeit für die zusätzliche Duldung ein). Darauf, ob sich - wovon das Verwaltungsgericht mit seiner Bezugnahme auf das Oberverwaltungsgericht Berlin wohl ausgegangen ist - in Rheinland-Pfalz die örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörden nach § 1 Abs. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes - LVwVfG - i.V.m. § 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - richtet, oder ob nicht vielmehr mit Rücksicht darauf, dass in Rheinland-Pfalz die Wahrnehmung der ausländerrechtlichen Aufgaben ausdrücklich dem Ordnungs- bzw. Gefahrenabwehrrecht unterstellt ist (vgl. § 2 Nr. 1 der Landesverordnung über die Zuständigkeit der allgemeinen Ordnungsbehörden), die örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörden nach § 91 Abs. 1 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes - POG - zu bestimmen ist (so der 11. Senat des Gerichts, Beschluss vom 14. Juni 1995 - 11 B 11714/95.OVG; ferner z.B. GK-Ausländerrecht, Stand Dezember 2003, Rdnr. 80 zu § 63), kommt es im hier behandelten Zusammenhang im Ergebnis nicht an.

Mit Blick auf die von den Antragstellern angeführte Rechtsprechung zu § 64 Abs. 2 Satz 1 AuslG weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin: Hier geht es - anders als in den von den Antragstellern herangezogenen Entscheidungen - nicht um die Erteilung einer weiteren Duldung mit der gesetzlichen Folge, dass sich der betreffende Ausländer auch in einem anderen Bundesland aufhalten kann, sondern darum, dass es einem Ausländer durch die erstmalige Erteilung einer Duldung ermöglicht werden soll, seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des ihm im Asylverfahren zugewiesenen Bereichs in einem anderen Bundesland nehmen zu können. In derartigen Fällen steht mithin gar nicht einmal die Abänderung oder Aufhebung einer von der seinerzeit zuständig gewesenen Ausländerbehörde angeordneten "Maßnahme gegen einen (keine Aufenthaltsgenehmigung besitzenden) Ausländer" durch eine andere Ausländerbehörde in Rede, sondern die erstmalige Anordnung einer ganz anderen Maßnahme, wobei sich zudem jedenfalls dann, wenn es - wie hier - um eine "Familienzusammenführung" geht, die Zuständigkeit zur Erteilung einer Duldung ohne Beteiligung einer anderen Ausländerbehörde durch eine ebenso "beteiligungsfreie" neue Zuweisungsentscheidung erreichen lässt. Von daher scheidet in solchen Fällen eine - entsprechende - Anwendung des § 64 Abs. 2 AuslG von vornherein aus.

Mit Rücksicht darauf, dass es, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, abzusehen (ist), dass dem Antragsteller zu 1) die Begründung eines Daueraufenthalts bei seinem Sohn und dessen Mutter nicht wird vorenthalten werden können", und auf die Tatsache, dass das inzwischen fast ein halbes Jahr alte Kind, erwiesenermaßen an einer erheblichen körperlichen Fehlentwicklung leidet und von daher das Beschwerdevorbringen durchaus glaubhaft ist, dass gerade auch jetzt schon die "Antragsteller auf die ununterbrochene gegenseitige Fürsorge und Unterstützung dringend angewiesen" sind, hält es der Senat allerdings zur Vermeidung wesentlicher Nachteile für erforderlich, der Antragsgegnerin, die - wie schon erwähnt - den Antragsteller zu 1) bereits auf der Grundlage des § 36 AuslG dazu aufgefordert hat, das Stadtgebiet K... wieder zu verlassen, im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über den Umverteilungsantrag die Vollstreckung der Verlassenspflicht zu untersagen. Ein darauf gerichtetes Begehren ist als Minus in dem Antrag enthalten, die Antragsgegnerin zu verpflichten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegenüber dem, Antragsteller zu 1) Abstand zu nehmen (vgl. hierzu auch HessVGH, Beschluss vom 24. Juni 1996 - 10 TG 2557/95 -, a.a.O.).