OLG Hamm

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Zitieren als:
OLG Hamm, Beschluss vom 27.05.2004 - 15 W 307/03 - asyl.net: M5350
https://www.asyl.net/rsdb/M5350
Leitsatz:

Die Durchsuchung einer Wohnung nach einem abzuschiebenden Ausländer gemäß § 42 Abs. 1 PolG-NW setzt voraus, dass die Abschiebung mindestens einmal daran gescheitert ist, dass sich der Ausländer in der Wohnung verborgen gehalten hat; allein das Betreten der Wohnung eines erkennbar anwesenden Ausländers zu dessen Abschiebung ist keine Durchsuchung; nachträglich bekannt gewordene Umstände machen eine wegen ungenügender Sachverhaltsaufklärung rechtswidrige Durchsuchungsanordnung nicht rechtmäßig.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Hausdurchsuchung, Duchsuchungsanordnung, Ausländerbehörde, Unerlaubter Aufenthalt, Aufenthaltsbeendende Maßnahmen, Abschiebungsvereitelung, Richtervorbehalt, Sachaufklärungspflicht, Verhältnismäßigkeit, Weitere Beschwerde, Zulässigkeit, Rechtsschutzinteresse, Feststellungsinteresse
Normen: OBG NW § 24; PolG NW § 42 Abs. 1; GG Art. 13 Abs. 2; GG Art. 13 Abs. 7; AuslG § 92 Abs. 1 Nr. 1; FGG § 12
Auszüge:

Soweit in dem Antrag des Beteiligten zu 2) ausgeführt wird, dass es zur Durchführung der beabsichtigten Abschiebung unabdingbar sei, die Wohnung ggf. auch gegen den Willen der Beteiligten zu 1) betreten zu können, wird verkannt, dass das bloße Betreten der Wohnung zwecks Abschiebung der erkennbar anwesenden Beteiligten zu 1) auch gegen dessen Willen keine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG darstellt, die einer vorhergehenden richterlichen Anordnung bedürfte. Insoweit handelt es sich vielmehr um einen unter Art. 13 Abs. 7 (vormals Abs.3) GG fallenden sonstigen Eingriff (vgl. BVerwG aaO), der als Maßnahme des unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung der Ausreisepflicht (§ 49 AuslG) in den gesetzlichen Vorschriften zur Verwaltungsvollstreckung eine hinreichende gesetzliche Grundlage hat.

Soweit das Landgericht die Erforderlichkeit der Durchsuchungsanordnung daraus hergeleitet hat, dass sich durch die Abwesenheit der Beteiligten zu 1) zum Zeitpunkt der beabsichtigten Abschiebung gezeigt habe, dass Anlass für eine Durchsuchung bestanden habe, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Angesichts der Funktion des Richtervorbehalts in Art. 13 Abs.2 GG, durch eine vorbeugende Kontrolle Gewähr für die Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit des Grundrechteingriffs zu bieten (vgl. BVerfG, NJW 2002, 1333), kann es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung nur auf den Sachverhalt ankommen, der für den . Amtsrichter im Zeitpunkt seiner Entscheidung - ggf. nach Durchführung der möglichen und gem.

§ 12 FGG erforderlichen Ermittlungen - erkennbar ist. Später bekannt gewordene Umstände können eine danach rechtswidrige Durchsuchungsanordnung ebensowenig rechtfertigen (vgl. BVerfG NJW 2003, 150, 1514), wie sie die auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage gesetzeskonform angeordnete Durchsuchung im Nachhinein rechtswidrig machen können.

Da das Landgericht infolge der Verwertung von Umständen, die erst nach der Vollstreckung der Durchsuchungsanordnung bekannt geworden sind, verkannt hat, dass die amtsgerichtliche Entscheidung jedenfalls auf einer ungenügenden Sachverhaltsaufklärung (§ 12 FGG) beruht, war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Rechtswidrigkeit der amtsgerichtlichen Entscheidung festzustellen, ohne dass es darauf ankäme, ob im Ergebnis - bei weiterer Sachaufklärung durch den Amtsrichter - eine andere Sachentscheidung hätte getroffen werden müssen (vgl. BGH NJW 2002, 1801, 1803 a. E.).