Schutz durch internationale Organisationen in Kosovo rechtfertigt Widerruf der Flüchtlingsanerkennung von albanischen Volkszugehörigen.(Leitsatz der Redaktion)
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Die von den Klägern abschließend aufgeworfene Frage, ob Flüchtlingen aus dem Kosovo der Asylrechtsschutz entzogen werden darf, obgleich sie dort nicht den Schutz des Staates Serbien und Montenegro in Anspruch nehmen können, da die serbisch-montenegrinische Staatsgewalt im Kosovo suspendiert ist, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Die Kläger meinen, dass es eine unzulässige Analogie zur Genfer Flüchtlingskonvention darstellen würde, wenn diese Flüchtlinge auf den Schutz der KFOR und der UNMIK verwiesen würden. Diese Frage ist im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht klärungsbedürftig, weil sie nicht entscheidungserheblich ist und sich deshalb in einem Berufungsverfahren nicht stellen würde. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg ist nicht nur geklärt, dass albanische Volkszugehörige im Kosovo vor einer politischen Verfolgung durch die Bundesrepublik Jugoslawien - dem heutigen Serbien und Montenegro, das in völkerrechtlicher Hinsicht mit der Bundesrepublik Jugoslawien identisch ist (vgl. Lagebericht Kosovo des Auswärtigen Amtes vom 10.02.2004) - hinreichend sicher sind (vgl. Urteil vom 17.03.2000 - A 14 S 1167/98 -). Vielmehr ist auch entschieden, dass Kosovo-Albaner nach derzeitiger Erkenntnis auf dem gesamten serbischen Staatsgebiet hinreichend sicher vor politischer Verfolgung sind (vgl. Urteil vom 29.03.2001 - A 14 S 2078/99 - [ASYLMAGAZIN 5-6/2001, S. 29]). Damit können albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo ohne Verfolgungsfurcht auch nach Serbien und Montenegro - und damit in den Machtbereich der serbisch-montenegrinischen Regierung - zurückkehren, womit sie im Wortsinne des Art. 1 C Ziffer 5 GK den Schutz des Landes in Anspruch nehmen können, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Ausweislich der Präambel der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates blieb die Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Bundesrepublik Jugoslawien erhalten, so dass der Kosovo nach wie vor Teil des Staates Serbien und Montenegro ist.
Abgesehen hiervon bestünde aber auch dann kein Klärungsbedarf, wenn unterstellt würde, dass die Kläger - als Kosovo-Albaner - bei einer realistischen Betrachtungsweise tatsächlich nicht nach Serbien und Montenegro, sondern in den Kosovo zurückkehren würden. Denn die aufgeworfene Frage würde sich insoweit unter Berücksichtigung der Beendigungsklausel der Genfer Flüchtlingskonvention aus § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG selbst beantworten. Nach Art. 1 C Ziffer 5 GK fällt eine Person, auf die die Bestimmungen des Absatzes A zutreffen, nicht mehr unter dieses Abkommen, wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt. Lediglich bei einer rein am Wortlaut orientierten Auslegung könnte angenommen werden, dass eine Beendigung der Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention für albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo deshalb nicht in Betracht kommt, weil der Kosovo nach der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates unter vorübergehender Verwaltung der Vereinten Nationen steht und der serbisch-montenegrinische Staat dort derzeit faktisch keine Machtbefugnisse inne hat. Indessen ist reine Wortauslegung ("grammatische Methode") typischerweise schon für sich genommen nur in Ausnahmefällen geeignet, den Inhalt einer Rechtsnorm sachgerecht zu bestimmen; dies gilt umso mehr bei Rechtsnormen des internationalen Rechts, in die regelmäßig unterschiedlichstes Rechtsdenken einzufließen pflegt. Im vorliegenden Falle verfehlt eine Beschränkung auf die bloße Wortauslegung, ohne dass dies grundsätzlicher Klärung bedürfte, ganz offensichtlich den sachlichen Regelungsgehalt von Art. 1 C Ziffer 5 GK. Wie sich insbesondere den Erläuterungen zur Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Handbuch UNHCR, a.a.O.; vgl. dazu auch die Schweizerische Asylrekurskommission in ihrem Urteil vom 05.07.2002) entnehmen lässt, soll nach der Rechtsauffassung des Flüchtlingskommissars, die der Senat teilt, für die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 1 C Ziffer 5 GK maßgeblich sein, dass internationaler Schutz nicht mehr gewährt werden soll, wo er nicht mehr erforderlich oder nicht mehr gerechtfertigt ist (Nr. 111 des Handbuchs), weil die Gründe, die dazu führten, dass jemand ein Flüchtling wurde, nicht mehr bestehen (Nr. 115). Unter Zugrundelegung dieses Schutzzwecks reicht somit aus, dass der Flüchtling in das Land seiner Staatsangehörigkeit zurückkehren kann und dort vor der politischen Verfolgung, deretwegen er sein Heimatland verlassen hat, hinreichend sicher ist. Dieser Schutz muss nicht notwendig gerade durch die "Regierung" seines Heimatlandes (hier: des serbischen-montenegrinischen Staates) gewährt werden; vielmehr reicht es aus, wenn dieser Schutz auf Grund einer UN-Resolution für eine Übergangszeit von einer von ihr legitimierten Verwaltung gewährleistet wird. Dies gilt umso mehr, wenn die "Regierung" des Heimatstaats - wie hier - der internationalen Präsenz ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. dazu Nr. 5 der Resolution 1244). Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich überdies durch einen Vergleich mit Ziffer 6 des Art. 1 C GK. Bei Staatenlosen wird darauf abgestellt, ob sie in der Lage sind, in das Land zurück zu kehren, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Dies zeigt deutlich, dass es maßgeblich darauf ankommt, ob dem Flüchtling in dem Land seiner Herkunft Schutz gewährt wird, nicht jedoch, durch welche Schutzmacht. Eine solche Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention ist um so mehr geboten, als bei Abschluss dieses Abkommens an Ausnahmefälle wie den vorliegenden, in dem Organisationen der Vereinten Nationen im Machtbereich eines Staates für diesen und mit dessen Einwilligung faktisch die Herrschaftsgewalt ausüben, nicht gedacht war. [...]