VG Magdeburg

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Zitieren als:
VG Magdeburg, Urteil vom 14.06.2004 - 9 A 371/03 MD - asyl.net: M5458
https://www.asyl.net/rsdb/M5458
Leitsatz:

§ 51 Abs. 1 AuslG für staatenlosen Kurden wegen an die kurdische Volkszugehörigkeit anknüpfender Wiedereinreiseverweigerung des syrischen Staates.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Syrien, Kurden, Jesiden, Staatenlose, Illegale Ausreise, Einreiseverweigerung, Verfolgungsbegriff
Normen: GG Art. 16a; AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53
Auszüge:

Der Klägerin ist Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG zu gewähren, denn ihr wird vom syrischen Staat aufgrund asylerheblicher Merkmale die Wiedereinreise verweigert. Sie ist zur Überzeugung des Gerichts staatenlose Kurdin aus Syrien und hat dies durch ihren schlüssigen und widerspruchsfreien Vortrag im Verfahren hinreichend glaubhaft gemacht.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass staatenlosen Kurden, deren Land des gewöhnlichen Aufenthalts Syrien war, eine Wiedereinreise nach illegaler Ausreise im Regelfall nicht möglich ist. Staatenlosen Kurden aus Syrien wird, wie sich den vom Gericht eingeholten Gutachten und der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes entnehmen lässt, die Wiedereinreise verweigert. Die Gutachter Haio/Savelsberg verneinen die Möglichkeit der Wiedereinreise ganz ausdrücklich (vgl. S. 10). Auch das DOI verneint diese Frage für den Regelfall (S. 4, 5) und hält eine Wiedereinreisemöglichkeit nur dann für gegeben, wenn die Wiedereinreise vor der Ausreise mit den syrischen Behörden abgestimmt wurde oder aber Beziehungen eingesetzt werden können. Die Einschätzung der Gutachter wird schließlich auch vom Auswärtigen Amt geteilt, welches eine Wiedereinreisemöglichkeit nur in Ausnahmefällen aufgrund persönlicher Beziehungen und Bestechung für denkbar hält (Auskunft an VG Magdeburg vom 01.10.2002).

Da ersichtlich für die Klägerin keiner der von den Gutachtern beschriebenen Ausnahmefälle einschlägig ist, ist davon auszugehen, dass dem Kläger eine Wiedereinreise nach Syrien nicht möglich ist. Dagegen spricht auch nicht die Zusage Syriens aus dem Jahre 2002, einen aus Syrien stammenden Staatenlosen zurückzunehmen. Das Auswärtige Amt (vom 26.03.2003) hat gegenüber dem erkennenden Gericht auf ausdrückliche Nachfrage das Vorliegen eines Einzelfalles unterstrichen, der sich von dem eines Ausnahmefalles (so aber OVG LSA, U.v. 07.05.2003, A 3 S 566/99, S. 38/39) durch seine Einmaligkeit qualitativ unterscheidet.

Die Verweigerung der Wiedereinreise stellt für die Klägerin politische Verfolgung dar.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Verweigerung der Wiedereinreise, soweit sie an asylerhebliche Merkmale anknüpft, politische Verfolgung darstellen kann, denn der Staat entzieht seinem Staatbürger hiermit wesentliche staatsbürgerliche Rechte und grenzt ihn so aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit aus (vgl. BVerwG, U. v. 24.10.1995, 9 C 3/95, NVwZ 1996, S. 602 ff.). Politische Verfolgung wird dabei regelmäßig - ohne dass hier eine Regelvermutung gilt (vgl. BVerwG, B. v. 07.12.1999, 9 B 474/99, Bucbholz-40225 § 1 AsylVfG Nr. 224) - bei der Aussperrung von Staatsangehörigen anzunehmen sein (vgl. BVerwG, U. v. 24.10.1995, a. a. O.). Bei Staatenlosen kann eine solche Maßnahme des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthalts aber auch auf anderen als auf asylrelevanten Gründen beruhen, wenn etwa der Staat ein Interesse daran hat, die durch den Aufenthalt dieser Personengruppe entstehende wirtschaftliche Belastung zu mindern oder Gefahren für die Staatssicherheit durch potenzielle Unruhestifter vorzubeugen oder weil er keine Veranlassung sieht, Staatenlose, die freiwillig das Land verlassen, weiterhin aufzunehmen (BVerwG, U. v. 24.10.1995, a. a. O.). Zur Überzeugung der Kammer beruht aber die Wiedereinreiseverweigerung durch den syrischen Staat nicht auf den vorstehend benannten Gründen. Vielmehr knüpft die Wiedereinreiseverweigerung bei objektiver Betrachtung für Staatenlose allein an die Eigenschaft "staatenloser Kurde" an, wobei die kurdische Volkszugehörigkeit ausschlaggebend ist.

Das Gericht ist der Überzeugung, dass der syrische Staat mit der Wiedereinreiseverweigerung nicht nur asylrelevante ordnungspolitische Ziele verfolgt, also Gefahren für die übergreifende Friedensordnung vorbeugen will, sondern hinter seinen Maßnahmen das Ziel steht, Staatenlose kurdischer Volkszugehörigkeit wegen ihrer Volkszugehörigkeit zu treffen (so noch OVG LSA, U. v. 27.06.2001, A 3 S 461/98, S. 14 EA. vor dem Hintergrund einer anderen Erkenntnislage).