OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.07.2004 - 18 B 2303/03 - asyl.net: M5520
https://www.asyl.net/rsdb/M5520
Leitsatz:

Zum Anspruch auf Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis wegen der Wahrnehmung eines Umgangsrechts bezüglich eines Kindes. (Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Ausländer, Aufenthaltserlaubnis, Nachträgliche Befristung, Eigenständiges Aufenthaltsrecht, Eheliche Lebensgemeinschaft, Deutsche Kinder, Familiäre Lebensgemeinschaft, Sorgerecht, Umgangsrecht, Erziehungsgemeinschaft, Vaterschaftsanerkennung, Ermessen, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Beurteilungszeitpunkt
Normen: AuslG §12 Abs. 2 S. 2; AuslG § 19 Abs. 1 S. 2; AuslG § 23 Abs. 1
Auszüge:

Die Beschwerdebegründung, mit der sich der Antragsteller sinngemäß ausschließlich darauf beruft, zur Wahrnehmung seines Umgangsrechts bezüglich seines Kindes (...) weiterhin eine Aufenthaltserlaubnis beanspruchen zu können, berührt zunächst einmal nicht die Ergebnisrichtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für die seitens des Antragsgegners durch Bescheid vom 8. April 2003 verfügte nachträgliche zeitliche Beschränkung der dem Antragsteller zur Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit Frau (...) erteilten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG gegeben sind.

Ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß des insoweit allein in Betracht kommenden § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG entfällt, weil nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand der Antragsteller mit seinem Kind (...). zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der angefochtenen Beschränkungsentscheidung am 11. April 2003 nicht in der gesetzlich geforderten familiären Lebensgemeinschaft (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 AuslG) lebte. Die in diesem Zusammenhang grundsätzlich erforderliche häusliche Lebensgemeinschaft bestand unstreitig nicht. Es lag aber auch keine in einem solchen Fall prinzipiell schützenswerte Erziehungsgemeinschaft vor, die intensive Kontakte zwischen einem Elternteil und seinem getrennt lebenden Kind voraussetzt (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 9. Juli 2002 - 18 B 1241/02 -).

Der Antragsteller hatte am 11. April 2003 nicht einmal seine Vaterschaft für das bereits am 14. September 2002 geborene Kind anerkannt und ausweislich einer Aktennotiz des Antragsgegners bis dahin keinen Unterhalt für das Kind gezahlt. Darüber hinaus gibt es bezüglich des Beschränkungszeitpunkts für persönliche Kontakte des Antragstellers zu seinem Kind selbst unter Einbeziehung der von der Kindesmutter am 20. November 2003 abgegebenen eidesstattlichen Versicherung, die keine Rückschlüsse auf die damalige Situation zulässt, nicht den geringsten Anhalt.

Schon das Fehlen einer familiären Gemeinschaft stand jedenfalls seinerzeit auch einer Aufenthaltsgewährung aus § 23 Abs. 1 Halbsatz 2 AuslG entgegen, der einem - wie hier - nicht sorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen deutschen Kindes zu einer Aufenthaltserlaubnis verhelfen kann. Dessen ungeachtet ermöglicht diese Norm die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lediglich im Ermessenswege und begründet folglich nicht den hier erforderlichen Anspruch.

Stehen demnach Rechtsansprüche des Antragstellers einer nachträglichen zeitlichen Beschränkung seiner Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen, so steht die Beschränkung im Ermessen der Antragsgegners. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung ist allerdings im Gegensatz zu den Tatbestandsvoraussetzungen dem oben bereits aufgezeigten allgemeinen Grundsatz folgend mangels einer ausländerrechtlichen Sonderregelung auf den Zeitpunkt der letzten verwaltungsbehördlichen Entscheidung abzustellen, das heißt die Widerspruchsbehörde muss bei ihrer Entscheidung alle von dem Ausländer bis dahin geltend gemachten oder ihr sonst bekannt gewordenen Umstände in ihre Ermessenserwägungen einbeziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Mai 1991 und vom 27. Juni 1995, jeweils a.a.O.).

Dies bedeutet für ein auf die Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes gerichtetes Verfahren, dass bei noch ausstehendem Widerspruchsbescheid, das Gericht diesbezüglich auf den Zeitpunkt seiner Beschlussfassung abzustellen hat. Gemessen daran ist die Beschwerdebegründung, die insoweit nicht über den oben bereits dargestellten Inhalt hinaus geht, nicht geeignet das Ergebnis der Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Fehlerfreiheit der Ermessensausübung des Antragsgegners in Frage zu stellen.

Der Antragsgegner hat sinngemäß zu erkennen gegeben, auch in Ansehung der vom Antragsteller behaupteten ausländerrechtlich schützenswerten Vater-Kind-Beziehung an seiner (Ermessens-) Entscheidung festhalten zu wollen. Hierzu verweist er einerseits darauf, dass sich der Antragsteller bis zum Erlass der streitigen Ordnungsverfügung nicht auf seine Vaterschaft berufen hatte und die Vaterschaftsanerkennung auch erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte. Andererseits lässt er durchblicken, dem Antragsteller bei Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen, die er allerdings als nicht gegeben beurteilt, eine neue Aufenthaltserlaubnis erteilen zu wollen.

Hiergegen ist im Ergebnis nichts zu erinnern. Der Antragsgegner ist irn Rahmen seiner Ermessensentscheidung lediglich gehalten, alle dem Antragsteller günstigen Umstände in seine Entscheidung einzubeziehen. Dabei begegnet es keinen Bedenken, wenn er sich unter Berücksichtigung der den vorliegenden Fall kennzeichnenden Besonderheiten, zu denen die vom Antragsteller zu Erlangung eines Daueraufenthalts in Deutschland vorgenommenen Täuschungen über seine Identität und über das Fortbestehen seiner ehelichen Lebensgemeinschaft mit Frau N. gehören, zur Vermeidung einer deshalb im öffentlichen Interesse derzeit unerwünschten Aufenthaltsverfestigung dafür entscheidet, an der Befristungsverfügung festzuhalten und dem Antragsteller bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen gegebenenfalls eine neue Aufenthaltserlaubnis zur Führung einer Erziehungsgemeinschaft mi seinem Kind N. zu erteilen.

Ein solches Vorgehen ermöglicht es zugleich, die Ernsthaftigkeit der vom Antragsteller behaupteten Vater-Kind-Beziehung gegebenenfalls auch über einen längeren Zeitraum einer näheren Prüfung zu unterziehen, um ein nach den aufgezeigten Täuschungen durchaus denkbares verfahrensangepasstes Verhalten des Antragstellers ausschließen zu können.