VG Braunschweig

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Zitieren als:
VG Braunschweig, Beschluss vom 18.05.2004 - 3 B 59/04 - asyl.net: M5611
https://www.asyl.net/rsdb/M5611
Leitsatz:

Leistungen nach § 2 AsylbLG für Ashkali und "Ägypter" aus dem Kosovo.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Kosovo, Ashkali, Ägypter, Asylbewerberleistungsgesetz, Sozialhilfe, BSHG, Duldung, Humanitäre Gründe, Abschiebungsstopp, Freiwillige Ausreise, Zumutbarkeit, Situation bei Rückkehr, Krankheit, Asthma bronchiale, Medizinische Versorgung, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Einstweilige Anordnung
Normen: AsylbLG § 2; VwGO § 123
Auszüge:

Die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG sind ebenfalls gegeben.

Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG müssen, damit die Privilegierung des Leistungsberechtigten eintreten kann, dergestalt vorliegen, dass weder die "freiwillige" Ausreise noch aufenthaltsbeendende Maßnahmen erfolgen können, weil humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe oder das öffentliche Interesse entgegenstehen (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 17.01.2001 - 4 M 4422/00 -). Die selbständige Bedeutung sowohl der freiwilligen Ausreisemöglichkeit als auch der Möglichkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen hat die erkennende Kammer bereits für § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG a. F. angenommen (vgl. B. v. 05.05.1997 - 3 B 3131/97 -, ebenso Nds. OVG, B. v. 27.01.1997 - 12 M 264/97 - und VGH Baden-Württemberg, B. v. 22.11.1995 - 6 S 1347/95 - in FEVS 46, 410, 411; a. A. u. a. Nds. OVG, B. v. 20.01.1997 - 4 M 7062/96 -).

Sowohl einer freiwilligen Ausreise der Antragsteller als auch aufenthaltsbeendenden Maßnahmen stehen derzeit humanitäre Gründe entgegen. Insoweit braucht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden, ob es sich bei den Antragstellern, wie von ihnen behauptet, um Angehörige der "Roma" oder entsprechend der seitens des Antragsgegners eingeholten Auskunft des Kosovo Information Projects (KIP) vom 12.09.2001 um Angehörige der sog. "Ägypter" handelt. Denn im hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung finden in Anbetracht der aktuellen Situation im Kosovo für sämtliche Minderheiten keine Rückführungen in den Kosovo statt. Dies ergibt sich aus den Erlassen des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 31.03.2004 und 07.04.2004. Damit sind die auf der Grundlage des zwischen dem Bundesminister des Innern der Bundesrepublik Deutschland und dem Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vereinbarten Memorandum of Understanding vom 31.03.2003 und den dazu ergangenen ministeriellen Erlassen erfolgten Abschiebungen von Minderheiten der Ashkali und "Ägypter" in das Kosovo bis auf weiteres gestoppt worden. Hintergrund ist die Tatsache, dass es am 17. und 18.03.2004 in verschiedenen Orten des Kosovo zu erheblichen Unruhen gekommen ist und daher aus Sicherheitsgründen weder Abschiebungen von Minderheitenangehörigen als auch von ethnischen Albanern in das Kosovo durchgeführt werden. Insoweit handelt es sich um humanitäre Gründe im Sinne von § 2 Abs. 1 AsylbLG, die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen derzeit entgegenstehen.

Neben der Voraussetzung, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus den humanitären Gründen des letzten Halbsatzes des § 2 Abs. 1 AsylbLG derzeit zu Lasten der Antragsteller nicht möglich sind, ist auch die weitere Voraussetzung, dass eine freiwillige Ausreise derzeit nicht zuzumuten ist, gegeben. Denn auch insoweit bestehen Ausreisehindernisse aus den im 2. Halbs. des § 2 Abs. 1 AsylbLG genannten Gründen. Obwohl grammatikalisch nicht eindeutig ist, ob sich der letzte Halbsatz des § 2 Abs. 1 AsylbLG auch auf die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise bezieht, entspricht ein solcher Bezug doch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung (vgl. Nds. OVG, B. v. 17.01.2001, a. a. O.). Danach soll die leistungsrechtliche Angleichung an das höhere Niveau der Sozialhilfe zwar die Ausnahme bilden, bei Vorliegen bestimmter humanitärer, rechtlicher oder persönlicher Voraussetzungen aber eine einheitliche Behandlung der Leistungsberechtigten erfolgen - unabhängig davon, ob lediglich aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder aber auch die freiwillige Ausreisemöglichkeit aus diesen Gründen eingeschränkt sind. Eine freiwillige Ausreise im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist aber dann nicht möglich, wenn sie für den Ausländer unzumutbar ist (OVG Lüneburg, B. vom 06.10.2000 - 4 M 3278/00 -). Auch eine freiwillige Ausreise ist den Antragstellern im vorliegenden Verfahren nicht zumutbar; denn die genannten Erlasse des Niedersächsischen MI haben zum Hintergrund, dass Angehörigen von ethnischen Minderheiten eine Rückkehr aus humanitären Gründen nicht zugemutet werden soll. Diese Gründe gelten auch für eine freiwillige Ausreise.

Ergänzend ist anzumerken, dass die vorliegenden Erkenntnisse zu einer Erkrankung des Antragstellers zu 1) allein nicht zu einer leistungsrechtlichen Besserstellung der Antragsteller führen könnten. Nach im einstweiligen Rechtsschutzverfahren lediglich zulässiger und möglicher summarischer Prüfung würde ein Abschiebungshindernis dadurch nicht begründet, da die Erkrankungen nach den vorliegenden Erkenntnissen im Kosovo behandelbar sind.

Insoweit ergibt sich aus den Gutachten des Deutschen Verbindungsbüros Kosovo vom 09.02.2004, 05.04.2004, 03.03.2004 sowie dem Gutachten der Deutschen Botschaft vom 16.10.2002, dass nicht kindliches Asthma bronchiale im Kosovo behandelbar ist und entsprechende Medikamente zur Verfügung stehen.