VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.05.2004 - 13 S 422/04 - asyl.net: M5635
https://www.asyl.net/rsdb/M5635
Leitsatz:

Eine Aufenthaltserlaubnis, die von dem Ausländer unter Angaben falscher Personalien erwirkt worden ist und die auf den falschen Namen lautet, ist jedenfalls dann nicht nach § 44 LVwVfG nichtig, wenn sie mit einem Passfoto des Ausländers verbunden und damit diesem zuzuordnen ist.(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: D (A), Ghanaer, Aufenthaltserlaubnis, Kinder, in Deutschland geborene Kinder, Mutter, Aufenthaltserlaubnis/EG, Identitätstäuschung, Falschangaben, Passfälschung, Rechtswidrigkeit, Wirksamkeit, Nichtigkeit, Rücknahme, Verwaltungsakt, Bestimmtheitsgebot
Normen: AuslG § 21 Abs. 1 S. 1; LVwVfG § 44
Auszüge:

Die Aufenthaltserlaubnis ist zwar rechtswidrig erteilt worden, da die Mutter der Kläger nicht die gem. § 1 Abs. 1 AufenthG/EWG erforderliche Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union besaß. Dies hat jedoch lediglich zur Folge, dass die Aufenthaltserlaubnis unter den Voraussetzungen des § 48 L VwVfG rücknehmbar ist. Sie war jedoch nicht von vornherein unwirksam. Auf die Wirksamkeit der Aufenthaltserlaubnis hatte im vorliegenden Fall der Umstand, dass deren Erteilung durch Angabe eines falschen Namens und unter Vorlage einer entsprechend gefälschten französischen Identitätskarte erwirkt worden war, keinen Einfluss.

Die der Mutter der Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis war auch nicht nichtig. Weder liegt einer der in § 44 Abs. 2 LVwVfG genannten Nichtigkeitsgründe vor noch ist die erteilte Aufenthaltserlaubnis deswegen nichtig, weil ein besonders schwerwiegender und offenkundiger Fehler i.S.d. § 44 Abs. 1 LVwVfG gegeben wäre. Als besonders schwerwiegend werden nur solche Rechtsfehler erfasst, die deshalb mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar sein können, weil sie tragenden Verfassungsprinzipien oder den der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen widersprechen (BVerwG, Urteil vom 22.2.1985, BayVBI. 1985, 410; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 44 RN 8), etwa bei völliger Unbestimmtheit oder Unverständlichkeit des Verwaltungsakts. Nichtig sind allerdings auch solche Verwaltungsakte, deren Subjekt oder Objekt nicht oder nicht mehr existiert (Kopp/Ramsauer, a.a.O. RN 9, 26 f.).

Dies war jedoch bei der auf einen falschem Namen der Mutter lautenden Aufenthaltserlaubnis nicht der Fall. Zwar werden in der Aufenthaltserlaubnis falsche Personalien genannt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie sich auf eine fiktive und nicht bestimmbare Person bezieht. Da in der Aufenthaltserlaubnis ein Passfoto der Mutter der Kläger enthalten ist, ist eine eindeutige Zuordnung zu der Person, welche die Aufenthaltserlaubnis betrifft, möglich. Zwar existiert eine Person des von der Mutter der Kläger angegebenen Namens mit den angegebenen Personalien in Wirklichkeit nicht, wie im Verwaltungsverfahren ermittelt wurde, dies ändert aber nichts daran, dass die Aufenthaltserlaubnis hier einer konkret existenten Person, die nur unter falschem Namen angesprochen wird, erteilt worden ist.

In solchen Fällen liegt keine Nichtigkeit vor (vgl. hierzu auch: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 6. Aufl. 2001, § 44 Anm. 109; BVerwG, Urteil vom 8.3.1977, NJW 1977, 1603). Hieran ändert nichts, dass die Aufenthaltserlaubnis EG in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als (lediglich) deklaratorisch bezeichnet wird (Urteil vom 25.7.2002, AuAS 2003, 38). Hieraus folgt nämlich nur, dass ein Unionsbürger unabhängig von einer behördlichen Entscheidung im Besitz einer solchen Aufenthaltserlaubnis ist, wenn die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen, nicht aber, dass eine von der Ausländerbehörde erteilte Aufenthalterlaubnis gegenstandslos ist, wenn die Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen.