1. Die Gefahr, in Togo an Malaria zu erkranken, ist eine allgemeine Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG, der die gesamte togoische Bevölkerung ausgesetzt ist.
2. Der Verlust der Semi-Immunität gegen Malaria infolge längeren Auslandsaufenthaltes begründet für einen togoischen Staatsangehörigen nicht die Gefahr im Falle seiner Abschiebung in sein Heimatland in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit an einer Tropenkrankheit zu erkranken, die zwangsläufig zum Tod oder zu schwersten Verletzungen führen würde. Eine Extremgefahr, die in verfassungskonformer Auslegung die Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG überwinden und zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG führen würde, liegt nicht vor.(Amtliche Leitsätze)
Der Abschiebung des Klägers nach Togo steht ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 6 AuslG nicht entgegen. Mit dem von dem Kläger zur Begründung des Abschiebungshindernisses angenommenen Risiko, im Falle seiner Rückkehr nach Togo dort alsbald einer lebensgefährlichen Tropenkrankheit (insbesondere Malaria und unter Umständen kumulativ hinzutretenden weiteren schweren Erkrankungen, wie z. B. Diarrhoe oder Aids) zu erliegen oder infolge dieser Erkrankung schwerste Verletzungen zu erleiden, wird nicht eine individuelle, sondern eine allgemeine Gefahr geltend gemacht. Bei diesen Krankheiten handelt es sich um allgemein in Togo verbreitete Krankheiten, wie sich aus den in dem Verfahren vor dem erkennenden Gerichtshof - A 6 S 967/01 - eingeholten bzw. in dieses Verfahren eingeführten und von dem Kläger auch zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemachten Gutachten des Tropenmediziners Herrn Dr. med. Junghanss vom 09.02. bzw. 15.10.2001 sowie dessen Gutachten vom 03.04.2003 an das Verwaltungsgericht Gera und der Auskunft der Deutschen Botschaft Lome an das Verwaltungsgericht Greifswald vom 17.10.2003 (die zuletzt genannten jeweils zur Rückkehrgefährdung eines in Deutschland geborenen Kindes nach Togo) ergibt.
Zwar erhöht sich diese allgemein bestehende Gefahr im Fall des Klägers dadurch, dass er infolge seines mehrjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland die - wie er behauptet - zuvor in seinem Heimatland erworbene Semi-Immunität gegen Malaria verloren habe. Aber auch dies führt nicht zur unmittelbaren Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, weil der Kläger insoweit nur eine besonders verstärkte Auswirkung der allgemeinen, durch die Tropenkrankheiten bedingten Gefährdungslage in Togo individuell auf seine Person bezogen geltend macht. Denn diese Gefahr besteht für alle togoischen Staatsangehörigen, die sich - wie der Kläger - längere Zeit in Deutschland bzw. außerhalb ihres Heimatlandes aufgehalten haben oder hier geboren wurden (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2002 - A 6 S 697/01).
Der Senat schließt sich bei der Beurteilung der Frage, wann bei allgemeinen Gefahren ein Abschiebungshindernis trotz Fehlens einer Anordnung nach § 54 AuslG anzunehmen ist, der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts an. Danach kommt eine einschränkende Auslegung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG und damit eine Durchbrechung der Sperrwirkung dieser Vorschrift nur dann in Betracht, wenn es um die Gewährung des nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unabdingbar gebotenen Abschiebungsschutzes geht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dieser Fall ausnahmsweise beim Vorliegen einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahrenlage gegeben, bei der der einzelne Ausländer im Falle seiner Abschiebung in deren unmittelbaren Zusammenhang "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert" würde (BVerwG, Urteil vom 12.07.2001 - 1 C 5.01 -, BVerwGE 115, 1, 7).
Ausgehend hiervon ist nicht zu erkennen, dass der Kläger - in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit - an einer Tropenkrankheit erkranken wird, die zwangsläufig zum Tod oder zu schwersten Verletzungen führen würde. Dies gilt sowohl für das Risiko einer Malariaerkrankung wie auch für sonstige Tropenkrankheiten. Auch für die von dem Kläger insbesondere in der mündlichen Verhandlung herausgehobene Möglichkeit kumulativ zusammentreffender Krankheiten ist eine extreme Gefahr nicht festzustellen.
Unter Heranziehung der Gutachten von Herrn Dr. Junghanss vom 09.02.2001, 15.10.2001 und zuletzt speziell zu Togo vom 03.04.2003 ist davon auszugehen, dass die Schutzwirkung der Semi-Immunität zwar beträchtlich ist, was sich an der Mortalitätsrate von an Malaria erkrankten Kindern ablesen lässt, die noch nicht über eine - voll aufgebaute - Semi-Immunität verfügen. So sterben nach den Angaben in den genannten Gutachten von Herrn Dr. med. Junghanss im Kongo bzw. in Togo pro Jahr mindestens 940 von 100.000 Kindern in diesem Alter (null bis vier Jahre) an Malaria. Selbst wenn diese Altersgruppe der bis vierjährigen lebenden Kinder im Wesentlichen als Referenzgruppe für die spezifische Malariagefährdung der Gruppe der Rückkehrer herangezogen wird (so auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.11.2003 - A 6 S 697/01 - unter Hinweis auf die Ausführungen von Herrn Dr. Junghanss in der mündlichen Verhandlung am 13.11.2003), kann von einer extremen Gefährdung nicht ausgegangen werden. Die malariaspezifische Sterblichkeit beträgt nach den vorgelegten Gutachten bezüglich dieser Altersgruppe etwa 1 %. Im Hinblick darauf käme eine Extremgefahr allenfalls dann in Betracht, wenn es sichere und besonders gewichtige Anhaltspunkte dafür gäbe, dass gerade die Gruppe der Rückkehrer ein sehr viel höheres Risiko trifft, an Malaria zu erkranken, als die in der Sub-Sahara-Zone lebenden Kinder im Alter bis zu vier Jahren. Solche Anhaltspunkte sind indes nicht erkennbar.
Gerade auch Rückkehrer nach Togo, die längere Zeit im Bundesgebiet gelebt haben, können das Risiko, an Malaria zu erkranken, durch vorbeugende Maßnahmen senken. Im Falle des Klägers kann daher für den Fall der Abschiebung nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, er werde an einer tödlich verlaufenden Malaria erkranken. Gleiches gilt auch für die Gefahr schwerster Verletzungen. Zwar müssen Rückkehrer mit verlorengegangener Semi-Immunität in Malariagebieten mit einer schweren Malaria rechnen. Diese kann auch bleibende Schäden zur Folge haben. Das Risiko von Spätschäden liegt bei ca. 10 bis 20 %. Dabei handelt es sich nicht um schwerwiegende Schäden wie etwa Erblindung und Lähmung. Auch insoweit kann daher eine extreme Gefahr "schwerster Verletzungen" nicht festgestellt werden (so für Kongo: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.11.2002 - A 6 S 967/01 - und Hess. VGH, Beschluss vom 14.10.2003 -3 UE 466/02.A -).