BVerfG

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Zitieren als:
BVerfG, Beschluss vom 23.07.2004 - 2 BvR 1056/04 - asyl.net: M5789
https://www.asyl.net/rsdb/M5789
Leitsatz:

Verspäteter Widerruf der Asylanerkennung nicht verfassungswidrig.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Asylanerkennung, Widerruf, Unverzüglichkeit, Verfassungsbeschwerde
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1 S. 1; GG Art. 2 Abs. 1
Auszüge:

Die Kammer nict die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.

Die den angegriffenen Entscheidungen zugrundeliegende Annahme, § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sehe die Unverzüglichkeit des Widerrufs nicht im Interesse des davon betroffenen Ausländers vor, sondern ausschließlich im öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Beseitigung seiner Rechtsposition als anerkannter Asylberechtigter, entspricht der in der fachgerichtlichen Rechtsprechung herrschenden Auffassung (BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 1997 - 9 B 280/97 -, NVwZ-RR 1997, S. 741 742>; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. Januar 2000 - 6 A 12169/99.OVG -, InfAuslR 2000, S. 468; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Mai 1996 - 19 A 1770/96.A - JURIS; OVG Niedersachsen, Urteil vom 10. Januar 1997 - 1 L 3062/96 - JURIS; OVG Rheinland- Pfalz, Beschluss vom 21. April 1997 - 11 A 10920/97 - JURIS; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. März 1997, - A 14 S 2854/96 - AuAS 1997, S. 162; zustimmend Marx, AsylVfG, 5. Aufl. 2003, § 73, Rn. 169; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand August 2002, § 73 AsylVfG, Rn. 21; a. A. VG Frankfurt InfAuslR 2000, S. 469 472>; VG Stuttgart, InfAuslR 2003, S. 261 263>).

Sie ist nach den geltenden Maßstäben für die verfassungsgerichtliche Kontrolle fachgerichtlicher Entscheidungen (vgl. BVerfGE 18, 85 93>; stRspr) nicht zu beanstanden.

Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs verletzt den Beschwerdeführer auch nicht dadurch in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, dass sie angesichts der festgestellten Schutzrichtung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG eine Verletzung seiner Rechte durch den nicht unverzüglich erfolgten Widerruf verneint hat. Dabei kommt es auf die von der Verfassungsbeschwerde aufgeworfene Frage, inwieweit belastende Entscheidungen, die eine Norm des geltenden Rechts verletzen, unter Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG unabhängig von der Schutzrichtung der verletzten Norm abgewehrt werden können, nicht an. Der Verwaltungsgerichtshof misst der Schutzrichtung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ersichtlich die Bedeutung zu, dass das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bereits objektiv- rechtlich nicht gegen diese Bestimmung verstößt, wenn es die darin bezeichnete Statusentscheidung in Fällen, in denen ein Widerruf nicht unverzüglich erfolgte, später noch widerruft. Diese Auslegung ist nicht willkürlich und auch sonst verfassungsrechtlich ebensowenig zu beanstanden wie das zugrundeliegende Verständnis von Sinn und Zweck des Unverzüglichkeitsgebots. Zielt die Verpflichtung zu unverzüglichem Widerruf allein auf die alsbaldige Beseitigung der Statusentscheidung, so spricht von Verfassungs wegen nichts dagegen, sie für den Fall eingetretener Verzögerung nicht als Verbot der Nachholung zu verstehen. Bei verzögertem Widerruf liegt nach diesem Verständnis ein Rechtsverstoß nur darin, dass die Statusentscheidung nicht bereits früher widerrufen wurde, nicht aber darin, dass sie jetzt noch widerrufen wird.