OLG Hamm

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Zitieren als:
OLG Hamm, Beschluss vom 15.04.2004 - 15 W 480/03 - asyl.net: M5803
https://www.asyl.net/rsdb/M5803
Leitsatz:

Stehen Name und Staatsangehörigkeit der Mutter eines neugeborenen Kindes nicht fest, da diese über keine Identitätspapiere verfügt, ist dennoch die Geburt einschließlich des Namens des Kindes mit einem Hinweis auf die Unsicherheit der Angaben im Geburtenbuch zu beurkunden.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Personenstandsrecht, Geburtenbuch, Geburtseintrag, Identitätszweifel, Abstammung, Annäherungsgrundsatz
Normen: PStG § 45 Abs. 2 S. 1; PStG § 21 Abs. 1; DA § 266 Abs. 1; PStG § 26 S. 1; NamÄndG § 8
Auszüge:

Hier geht es um einen im Inland eingetretenen Standesfall, der unabhängig davon beurkundet werden muss, ob die betroffenen Personen sich weiterhin hier aufhalten. Aufgabe des Geburtseintrags ist es insbesondere, den urkundlichen Nachweis der verwandtschaftlichen Abstammung des betroffenen Kindes zu ermöglichen. Die Abstammung des Kindes jedenfalls von seiner Mutter steht aufgrund der Geburtsanzeige fest. Darüber muss auch dann ein urkundlicher Nachweis geführt werden können, wenn nicht sämtliche weiteren Angaben, die gem. § 21 Abs. 1 PStG in den Geburtseintrag aufzunehmen sind, festgestellt werden können.

Nach Auffassung des Senats handelt es sich deshalb hier um einen Anwendungsfall des im Personenstandsrecht anerkannten Annäherungsgrundsatzes: Die gesetzlichen Vorschriften über die in die einzelne Beurkundung (hier im Geburtenbuch) aufzunehmenden Angaben haben den Sinn, die Personenstandsbücher klar und einheitlich zu gestalten, nicht aber sicher geschehene, zum Teil jedoch ungeklärte Standesfälle von der Erfassung auszuschließen. Lassen sich einzelne Tatsachen nicht feststellen, so ist die Beurkundung gleichwohl vorzunehmen, wobei in Kauf zu nehmen ist, dass der Eintrag unvollständig bleibt. Sich daraus ergebende Lücken der Beurkundung

sind in dem Eintrag ggf. zu erläutern (Thomsen, System des Personenstandsrechts, 1962, Rdnr. 27; Hepting/Gaaz, a.a.O., § 26, Rdnr. 10; KG StAZ 1979, 293, 295; VG Berlin StAZ 2000,242,243). In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, welche Maßstäbe anzulegen sind, wenn es ausschließlich um die ergänzende Aufnahme des Vor- und Familiennamens des Vaters in den Geburtseintrag geht und dessen Identität nicht festgestellt werden kann (vgl. LG Berlin StAZ 2002, 269; BayObLG StAZ 2004, 110). Steht - wie hier - das Abstammungsverhältnis des Kindes zu seiner Mutter fest, so erscheint es nicht gerechtfertigt, dem Kind einen möglichen urkundlichen Nachweis seiner Abstammung insgesamt zu verwehren, weil Identität und Namensführung auch seiner Mutter ungeklärt sind.

In den danach vorzunehmenden Geburtseintrag können aufgrund der Geburtsanzeige des Krankenhauses unproblematisch aufgenommen werden die Angaben über Ort, Tag und Stunde der Geburt und das Geschlecht des Kindes (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 und 3 PStG). Die Abstammung des Kindes kann durch den Eintrag urkundlich nur bewiesen werden, wenn dieser Angaben über die Namen der Eltern und des Kindes (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 und 4 PStG) enthält. Diese Eintragung setzt neben der Feststellung der Abstammung von dem jeweiligen Elternteil die Feststellung seiner Namensführung voraus. Da letztere jedoch nicht nachgewiesen ist, darf sie keinesfalls aus der Geburtsanzeige in der Weise in den Geburtseintrag übernommen werden, dass sich an den Eintrag die Beweiskraft des § 60 Abs. 1 PStG anschließen könnte. Da die Beurkundung jedoch hier aufgrund des Annäherungsgrundsatzes erfolgen soll, muss es möglich sein, durch einen klarstellenden Zusatz zum Ausdruck zu bringen, dass die Namensführung nicht festgestellt ist, sondern es sich bei den aufgenommenen Namen um nicht überprüfte Eigenbezeichnungen handelt, die lediglich als Hilfsmittel zur Identifizierung der betroffenen Personen dienen (a.A. AG Münster StAZ 2004, 47). Eine Eintragung, die ihrem Inhalt nach erkennen lässt, dass sie lückenhaft ist, weil weitergehende Ermittlungen nicht möglich waren, hat keine über ihren Wortlaut hinausgehende Beweiskraft (Hepting/Gaaz, a.a.O., § 60, Rdnr. 27).

Auf dieser Grundlage hält der Senat den in einer Parallelsache vom Amts- und Landgericht Hagen vorgeschlagenen Weg für gangbar, die Bezeichnung der Vor- und Familiennamen aus der Geburtsanzeige mit einem Zusatz zu übernehmen, der klarstellt, dass die inhaltliche Richtigkeit dieser Angabe abschließend nicht überprüft werden konnte.

In den Geburtseintrag nicht aufzunehmen ist der Vater des Kindes und - wie in der Geburtsanzeige geschehen - ein aus seinem Namen abgeleiteter Familienname des Kindes. Denn die Abstammung des Kindes von ihm steht nicht fest. Unabhängig davon, nach welchem Recht die Abstammung des Kindes zu beurteilen wäre - ein nach Art. 19 I Abs. 1 S. 1 EGBGB in erster Linie heranzuziehender gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes in Deutschland ist nicht festgestellt -, hängt die Vaterschaft nach dem bisher bekannten Sachverhalt maßgebend von dem Bestehen einer Ehe mit der Mutter ab. Diese ist jedoch nicht nachgewiesen. Bleibt das Bestehen einer Ehe zweifelhaft, von dem die Feststellung der Vaterschaft abhängt, darf der Vater zur Vermeidung einer Falschbeurkundung nicht in den Geburtseintrag aufgenommen werden (BayObLG, a.a.O.).

Der klarstellende Zusatz hat sich auch auf den Vornamen des Kindes zu erstrecken. Denn die Wirksamkeit der Vornamensgebung hängt gem. Art. 10 EGBGB von seinem Personalstatut ab, das im Hinblick auf die unbekannte Staatsangehörigkeit seiner Mutter nicht festgestellt werden kann.

Der Senat hat deshalb die Anweisung des Standesbeamten zur Vornahme des Geburtseintrags neu gefasst und sich dabei auf die sich aus der Entscheidung ergebenden Vorgaben beschränkt, während die konkrete Wortfassung des Eintrags dem Standesbeamten vorbehalten bleibt. Der Senat könnte sich - lediglich zur Verdeutlichung der erteilten Anweisung - folgende Fassung des Eintrags vorstellen: "H (Eigenbezeichnung), ohne Beruf, orthodox, wohnhaft in (...), hat am (...) in M einen Knaben geboren. Sie hat dem Kind den Vornamen X erteilt. Die ausländische Staatsangehörigkeit der Mutter sowie die Vor- und Familiennamen der Mutter und des Kindes konnten nicht festgestellt werden."