OVG Mecklenburg-Vorpommern

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Zitieren als:
OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 28.01.2004 - 1 O 5/04 - asyl.net: M5919
https://www.asyl.net/rsdb/M5919
Leitsatz:

Zur Frage eines Behandlungsanspruchs nach den §§ 4, 6 AsylbLG bei Vorliegen einer chronischen Erkrankung.

Es besteht kein Anspruch auf eine medizinisch nicht eindeutig indizierte bzw. aufschiebbare Behandlungsform (hier: Nierentransplantation an Stelle der gewährten Dialyse).

(Amtlicher Leitsätze)

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Krankenbehandlung, Kostenübernahme, Nierenerkrankung, chronische Erkrankung, sonstige Leistungen, Ermessen, akute Erkrankung, Prozesskostenhilfe
Normen: AsylbLG § 4; AsylbLG § 6; VwGO § 166
Auszüge:

 

Nach Lage der Dinge sind hinsichtlich der mit der Klage begehrten konkreten Behandlungsform "Nierentransplantation" die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG und erst recht die des § 6 Satz 1 AsylbLG offensichtlich nicht erfüllt. Mit Blick auf die letztgenannte Vorschrift ist es deshalb im Ergebnis unschädlich, dass sich Behörde und Verwaltungsgericht nicht mit dieser Vorschrift auseinander gesetzt haben.

Der Kläger trägt in Übereinstimmung mit den bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen und vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen ärztlichen Stellungnahmen im Beschwerdeverfahren selbst vor, dass die Nierentransplantation - im Gegensatz zur Dialyse - gegenwärtig aufschiebbar sei. Die Nierentransplantation ist insoweit nicht die "erforderliche" Behandlung der Erkrankung des Klägers im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG. Ob und (bejahendenfalls) welche ärztliche oder zahnärztliche Behandlung im Einzelfall zur Behandlung einer akuten Erkrankung oder eines Schmerzzustandes erforderlich ist, bemisst sich ausschließlich nach medizinischen Gesichtspunkten (vgl. Deibel, Praktische Probleme bei der Bewilligung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, ZAR 1995, S. 57, 61; Theis, a.a.O., S. 506; Hohm, a.a.O., III § 4 Rn. 51). Nicht eindeutig medizinisch indizierte bzw. aufschiebbare Behandlungen sind von der Leistungspflicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ausgeschlossen (vgl. Hohm, a.a.O., III § 4 Rn. 53); es besteht kein Anspruch auf eine optimale und bestmögliche Versorgung (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 26.08.1999 - 9 K 937/99 -, abgedruckt in GK-AsylbLG, Stand: Oktober 2003, VII - zu § 4 Abs. 1, VG-Nr. 3). Aus dem potentiell in Betracht kommenden Leistungsumfang sind all diejenigen der ärztlichen Behandlung zurechenbaren Tätigkeiten eines Arztes ausgenommen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände ihrem Wesen nach nicht erforderlich sind (vgl. Theis, a.a.O., S. 506; Deibel, Praktische Probleme bei der Bewilligung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, ZAR 1995, S. 57, 61; Hailbronner , a.a.O., Rn. 115; Hohm, a.a.O., III § 4 Rn. 49).

Da im Falle des Klägers als eindeutig medizinisch indiziert nach Maßgabe der erwähnten ärztlichen Stellungnahmen nur die bereits als Behandlung gewährte Dialyse zu betrachten ist, (noch) nicht jedoch die begehrte Nierentransplantation, liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG für letztere als Behandlungsmaßnahme nicht vor. Dies gilt erst recht im Rahmen der noch strengeren Voraussetzungen des § 6 Satz 1 AsylbLG hinsichtlich des Merkmals der "Unerlässlichkeit".

Soweit im Beschwerdevorbringen der Gesichtspunkt der (ordnungsgemäßen) Ermessensausübung angesprochen ist, verweist der Senat zunächst darauf, dass die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG kein Ermessen vorsieht, sondern eine gebundene Rechtsfolge regelt. Im Übrigen sind sowohl bezüglich der Vorschrift des § 4 als auch der des § 6 AsylbLG bereits - wie erörtert - die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, so dass die Rechtsfolgenseite keiner weiteren rechtlichen Überprüfung zu unterziehen ist.

Das - durchaus im Ansatz nachvollziehbare - zentrale Kostenargument der Beschwerdebegründung, wonach die zu erwartenden Dialysekosten höher als die der begehrten Nierentransplantation ausfallen sollen, ist im Rahmen der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 4, 6 AsylbLG gänzlich irrelevant, da es ausschließlich um die medizinische Indikation einer bestimmten Behandlungsart geht. Abgesehen davon handelt es sich dabei um ein fiskalisches Argument, hinsichtlich dessen ein subjektives Recht des Klägers ausgeschlossen ist.

Dieser Gesichtspunkt kann folglich bereits unter dem Blickwinkel der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO keine Berücksichtigung finden.