VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 07.09.2004 - 10 UE 600/04 - asyl.net: M5939
https://www.asyl.net/rsdb/M5939
Leitsatz:

Unter "Familienangehörigen" iSv § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sind nicht nur die Mitglieder der "Kernfamilie" (Ehegatten, Eltern und Minderjährige Kinder) zu verstehen, sondern auch die Verwandten des Leistungsberechtigten Onkel und Tante. (Amtlicher Leitsatz)

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungskürzung, BSHG, Sozialhilfe, Familienangehörige, Verwandte, Kernfamilie, Anrechnung, Einkommen, Vermögen, Aufbrauchspflicht, Haushaltsgemeinschaft, Wirtschaftsgemeinschaft
Normen: AsylbLG § 1; AsylbLG § 1a; AsylbLG § 7; BSHG § 16
Auszüge:

Nach § 7 Abs. I Satz I AsylbLG sind Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden kann, vom Leistungsberechtigten und seinen Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben, vor Eintritt von Leistungen nach diesem Gesetz aufzubrauchen. Was unter "Familienangehörigen" im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist, erschließt sich mit letzter Klarheit weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung (vgl. dazu zutreffend VG Hamburg, Beschluss vom 13. Oktober 1998 - 8 VG 3451/98 -, NVwZ-RR 1999, 685 ff.) noch aus der Gesetzessystematik, wohl aber aus dem allgemeinen Sprachgebrauch sowie Sinn und Zweck der Rechtsnorm selbst und der nachfolgenden §§ 8 und 9 AsylbLG, die alle den Nachrang der Leistungen nach diesem Gesetz zum Ausdruck bringen. Diesen Regelungen liegt das Prinzip zugrunde, dass öffentliche Leistungen für den Personenkreis der Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG nur gewährt werden sollen, wenn diese nicht von Dritten Leistungen erhalten (VG Hamburg, Beschluss vom 13. Oktober 1998, a.a.O.). Wie das Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 12. April 2000 (5 B 179.99, NVwZ 2000 Beil. Nr. 10, S. 113) erkannt hat, stimmt die Zielsetzung des BSHG mit der Zielsetzung des AsylbLG nicht überein; beide Gesetze gehen von einer jeweils unterschiedlichen Bewertung des Einkommens- und Vermögenseinsatzes aus mit der Folge, dass die Regelung über Schonvermögen im Sinne von § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht anwendbar ist. Deshalb ist § 7 Abs. 1 Satz I AsylbLG so auszulegen, dass sein sondergesetzlicher Charakter zur Herstellung des Nachrang- und Selbsthilfegedankens (BVerwG, a.a.O.) voll zur Anwendung kommen kann, dementsprechend sind unter "Familienangehörigen" nicht nur die Mitglieder der Kernfamilie zu verstehen, sondern zumindest auch die Verwandten (s. § 1589 BGB) Onkel und Tante, die hier auch tatsächlich an Eltern statt für den Kläger sorgen.