OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 24.11.2004 - 9 LA 323/04 - asyl.net: M5946
https://www.asyl.net/rsdb/M5946
Leitsatz:

Trotz der wachsenden islamistischen Tendenzen, insbesondere den konzertierten Bombenanschlägen auf christliche Kirchen nach dem August 2004, ist im Irak eine allgemeine Verfolgung von Christen nicht feststellbar. Dies gilt auch für den schiitisch dominierten Süden.(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Irak, Christen, Religiös motivierte Verfolgung, Mittelbare Verfolgung, Gruppenverfolgung, Verfolgungsdichte, Anschläge, Übergriffe, Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung, Rechtliches Gehör, Beweisantrag, Ablehnung
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Auszüge:

Der Senat bejaht nicht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Der Kläger leitet diese aus der seiner Auffassung nach zunehmend bedrohlicher werdenden Situation von Christen im Irak ab.

Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak derzeit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gruppengerichtete Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur christlichen Bevölkerung drohe, ausweislich seiner Ausführungen auf Seite 10 ff. des Urteilsabdruckes des angegriffenen Urteils umfänglich begründet. Es ist u.a. auf der Grundlage des Beschlusses des Senats vom 21. Mai 2004 - 9 LA 13 3/04 - zu dem Ergebnis gekommen, dass trotz der jüngsten Ereignisse, insbesondere mehrerer Bombenanschläge auf christliche Einrichtungen, gleichwohl weder von einer landesweiten noch von einer nur regionalen Gruppenverfolgung im Irak ausgegangen werden könne. Dieser Einschätzung folgt der Senat weiterhin. Dabei verweist er auf seinen weiteren Beschluss vom 21. Oktober 2004 - 9 LA 291/04 -. Zwar ist mit dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2. November 2004 festzustellen, dass die Lage der ethnisch/konfessionellen Minderheiten im Irak vor dem Hintergrund wachsender islamistischer Tendenzen im Rahmen des Kampfes islamistischer bewaffneter Gruppen gegen die Übergangsregierung und die Multinationale Truppe im Land besonderer Beachtung bedarf. Gleichwohl ist die aktuelle Lage weiterhin nicht dahingehend zu bewerten, dass die für eine Gruppenverfolgung von Christen erforderliche Verfolgungsdichte bejaht werden kann. Ein anderer Schluss gilt auch nicht gerade für die Person des Klägers, der darauf verweist, dass er sich nicht auf ein sicheres Umfeld von christlichen Verwandten stützen kann. Der Senat bezieht sich in diesem Zusammenhang ergänzend auf die Ausführungen in dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2. November 2004, in dem, anders als noch in dem vorausgegangenen Lagebericht vom 7. Mai 2004, Seite 7, nunmehr umfänglich zur Lage der Christen das Folgende angeführt wird: ....

Diesen Angaben entnimmt der Senat die Schlussfolgerung, dass sich zwar die Lage gerade von Christen im Irak in den letzten Monaten zunehmend verschlechtert hat, gleichwohl kann weiterhin nicht von einer in diesem Sinne allgemeinen Christenverfolgung (vgl. auch Die Zeit vom 21. Oktober 2004, Gottes verfolgte Kinder) gesprochen werden. Gegenteilig fordert der Patriarch Emmanuel der 111., das Oberhaupt der chaldäisch-katholischen Kirche, weiterhin gerade zum Verbleib im Irak auf (F AZ vom 18. Oktober 2004).

Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist ebenfalls nicht feststellbar.

Gegen die aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Verpflichtungen hat das Verwaltungsgericht bei der Ablehnung der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge nicht verstoßen. Es hat seine Ablehnung darauf gestützt, dass dem Gericht hinreichende Erkenntnismittel vorliegen.

Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gegenteiliges folgt insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Erkenntnismittel offensichtlich im Juli 2004 enden und damit die Ereignisse aus jüngster Zeit nicht aufgenommen worden sind. Es ist gerade der Sinn der Mitteilung des Standes der Erkenntnismittelliste, dem Kläger Gelegenheit zur Überreichung weiterer bzw. neuerer Erkenntnismittel zu geben. Davon hat der Kläger ausweislich des Inhalts der Gerichtsakte erster Instanz auch umfänglich Gebrauch gemacht. Weitere Anforderungen sind dem Gebot des rechtlichen Gehörs nicht zu entnehmen.