Leistungen gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. für Ashkali aus dem Kosovo, da Rückkehr aufgrund der verschärften Sicherheitslage für ethnische Minderheiten nach den Unruhen vom März 2004 unzumutbar ist.(Amtlicher Leitsatz)
Die Antragsteller haben das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG glaubhaft gemacht. Sie haben - das ist zwischen den Beteiligten unstreitig - länger als 36 Monate abgesenkte Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen. Die Antragsteller haben auch glaubhaft gemacht, dass ihrer Rückkehr in ihre Heimat derzeit humanitäre Gründe im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG entgegen stehen.
Dabei geht die Kammer in Übereinstimmung mit dem Antragsgegner bei der hier gebotenen summarischen Prüfung davon aus, dass die Antragsteller der Bevölkerungsgruppe der albanisierten Roma (die auch als "Ashkali" bezeichnet werden) angehören.
Zwar hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in einem Beschluss vom 29. Oktober 2003 (12 ME 436/03) ausgeführt, dass bei Ashkali aus dem Kosovo die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht gegeben seien, weil ihrer Rückkehr in ihre Heimat allein auf grund ihrer Volkszugehörigkeit humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe nicht entgegen stünden. Unter Bezugnahme auf das zwischen dem Bundesminister des Innern der Bundesrepublik Deutschland und dem Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vereinbarten "Memorandum of Understanding" vom 31. März 2003 sei davon auszugehen, dass eine generelle Schutzbedürftigkeit für die Minderheit der "Ashkali" nicht mehr gegeben sei.
Zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung stellt sich die Lage der Ashkali im Kosovo aber anders dar. Zunächst hatte sich die Lage der Minderheiten (und damit auch der Ashkali) nach Beendigung des Kosovo-Krieges Mitte 1999 zunehmend gebessert.
Diese Sicherheitslage hat sich aber durch die Unruhen im März 2004 völlig verändert. Nach Angaben der UNMIK/ORC (Office of Returns and Communities) wurden bei den März-Unruhen mehr als 4.000 Personen vertrieben, darunter auch 390 Roma/Ashkali (Erkenntnisse des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Serbien und Montenegro/Kosovo, Berichtszeitraum: April bis Juli 2004, vom Juli 2004, Seite 11). Bei den gewaltsamen Vertreibungsaktionen im März 2004 kam es auch zu massiven Übergriffen auf Ashkali.
Der UNHCR schreibt in seinem Positionspapier zur fortdauernden internationalen Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo (August 2004), dass der Ausbruch von Massendemonstrationen im März 2004 eine weitere und äußerst schwerwiegende Bestätigung der brüchigen Sicherheitssituationen für die Minderheitengemeinschaft darstelle, die zu inter-ethnischer Gewalt und Unruhen in der Zivilbevölkerung in einem seit 1999 nicht erlebten Ausmaße geführt hätte. Die Gewalt habe sich rasch auf alle Teile des Kosovo ausgebreitet und zu Vertreibungen geführt, von denen alle Minderheiten betroffen gewesen seien. Hauptsächliches Ziel dieser inter-ethnischen Gewalt seien die Kosovo-Serben gewesen; gleichzeitig seien jedoch auch Roma, Ashkali und Ägypter von verschiedenen schweren Übergriffen betroffen gewesen. Die Sicherheitskräfte und die politische Führung seien außerstande gewesen, die Gewalt in einem früheren Stadium zu beenden und am Ende des dreitägigen Gewaltexzesses seien nach ersten Informationen 19 Tote und mehr als 950 Verletzte zu beklagen gewesen, wobei die Opfer - sowohl Tote als auch Verletzte - unterschiedlichen Volksgruppen angehörten.
Das ORC der UMNIK hatte nach den März-Unruhen aufgrund der sehr instabilen Sicherheitslage zunächst alle Abschiebungen storniert (Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Serbien und Montenegro/Kosovo vom Juli 2004, Seite 14).
Diese Situation hat sich bislang nach den dem Gericht bekannten Erkenntnisquellen noch nicht geändert. In dem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom/23. September 2004 (Az.:45.22.i2231/3.6.SCG-K) wird ausgeführt, dass die UNMIK sich trotz einer fortgeschrittenen Stabilisierung der Sicherheitslage im Kosovo derzeit noch nicht in der Lage sehe, einer Wiederaufnahme der Rückführung von Minderheiten-Angehörigen der Ashkali und Ägypter zuzustimmen.
Zusammenfassend ergibt sich nach Auffassung der Kammer hieraus, dass derzeit zu Lasten der Antragsteller aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus humanitären Gründen im Sinne des letzten Absatzes des § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht möglich sind. Vor dem Hintergrund der genannten Quellen ist derzeit den Antagstellern auch eine freiwillige Ausreise nicht zumutbar.