OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.09.2004 - 7 A 11060/03.OVG - asyl.net: M6001
https://www.asyl.net/rsdb/M6001
Leitsatz:

§ 53 Abs. 6 AuslG wegen Diabetes melitus, da Behandlung im Kosovo nicht finanzierbar und im übrigen Serbien und Montenegro nicht zugänglich ist.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Serbien und Montenegro, Kosovo, Albaner, Wiederaufgreifen des Verfahrens, Krankheit, Diabetes mellitus, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit, Serbien (A), Montenegro (A), Krankenversicherung, Registrierung
Normen: AuslG § 53 Abs. 6
Auszüge:

Das Verwaltungsgericht hätte dem Begehren der Klägerin, die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu verpflichten, entsprechen müssen.

Die Klägerin kann weder in ihrem Heimatgebiet, dem Kosovo (1.), noch in Serbien und Montenegro (2.) die notwendige medizinische Versorgung erhalten, weil sie aus finanziellen Gründen nicht in der Lage ist, die entstehenden Kosten für die Medikamente aufzubringen.

Zwar stehen mittlerweile im Kosovo Insulinpräparate zur Verfügung, die die Wirkstoffe enthalten, die der Klägerin im Bundesgebiet verabreicht werden, so dass eine Umstellung auf diese Medikamente denkbar wäre.

Die Kosten der Medikamente, die ca. 35,50 € pro Handelspackung (5 x 100 IU) betragen, müsste die Klägerin jedoch selbst aufbringen (vgl. Auskunft Deutsches Verbindungsbüro Kosovo, a.a.O.). Hierzu ist sie finanziell nicht in der Lage. Sie ist mittellos und lebt im Bundesgebiet von Sozialhilfe und gelegentlicher Unterstützung ihrer hier wohnenden Brüder.

Ein Krankenversicherungssystem, welches die notwendigen Kosten der medizinischen Behandlung der Klägerin übernimmt, existiert im Kosovo (noch) nicht (Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Serbien und Montenegro, Gesundheitswesen, März 2003). Die Klägerin ist mithin auf sich alleine gestellt und kann aus ihren Mitteln - wie ausgeführt - die notwendigen Kosten nicht decken. Hinzu kommt, dass die Schwere der Erkrankung der Klägerin, die Nähe und Fürsorge ihrer im Bundesgebiet lebenden Familie erfordert. Nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung ist die Klägerin nicht in der Lage, mit ihrer Erkrankung angemessen umzugehen, sich selbst die notwendigen Medikamente regelmäßig zu verabreichen und die entsprechenden Blutzuckerkontrollen durchzuführen. Sie bedarf deswegen der Unterstützung von Familienmitgliedern, die ihr hier auch gewährt wird.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann die Klägerin aber auch nicht auf eine Behandlung im übrigen Serbien und Montenegro verwiesen werden.

Serbien und Montenegro verfügen landesweit über ein Netz staatlicher und privater medizinischer Einrichtungen, die grundsätzlich von allen Staatsangehörigen genutzt werden können. Eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit findet nicht statt (Auswärtiges Amt vom 25. März 2003 an das VG Koblenz). Die Zugänglichkeit des medizinischen Versorgungssystems für alle Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro ist indessen zu trennen von der Frage der Kostentragung für die erforderliche medizinische Behandlung. Diese Kosten hat der Betreffende entweder selbst zu tragen oder sie werden von der Krankenversicherung übernommen. Handelt es sich, wie im vorliegenden Fall, um Personen aus dem Kosovo, so haben diese aber nur dann Zugang zu der Krankenversicherung, wenn sie als Flüchtlinge bzw. intern Umgesiedelte registriert werden. Aus dem Kosovo stammende ethnische Albaner können in Serbien allerdings im Regelfall nicht als intern Umgesiedelte registriert werden, da davon ausgegangen wird, dass gegen eine Rückkehr dieses Personenkreises in die jeweiligen Heimatorte (im Kosovo) keine Sicherheitsbedenken bestehen. Eine Registrierung ethnischer Albaner als intern Umgesiedelte in Serbien kommt allenfalls dann in Frage, wenn die Betroffenen aufgrund von "Kollaboration" mit serbischen Sicherheitskräften in der Zeit vor Juni 1999 im Kosovo mit Repressalien zu rechnen haben (vgl. zum Vorstehenden: Auswärtiges Amt vom 24. Mai 2004 an das VG Bremen).

Die aus dem Kosovo stammende Klägerin hätte somit nicht die Möglichkeit, sich als Flüchtling oder intern Umgesiedelte in Serbien oder Montenegro registrieren zu lassen, um über diesen Weg Krankenversicherungsschutz zu erhalten.