OVG Hamburg

Merkliste
Zitieren als:
OVG Hamburg, Beschluss vom 21.01.2005 - 5 E 4531/04 - asyl.net: M6041
https://www.asyl.net/rsdb/M6041
Leitsatz:

Eine Auflage im Rahmen einer einem Ausländer erteilten Duldung, die die Aufnahme oder Fortsetzung eines Studiums untersagt, kann rechtmäßig sein.

 

Schlagwörter: D (A), Studenten, Strafverfahren, Revisionsverfahren, Duldung, Auflage, Studienverbot, Sofortvollzug, Anfechtbarkeit, Gesetzesänderung, Zuwanderungsgesetz, Ermessen
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AuslG § 56 Abs. 3 S. 2; AufenthG § 61 Abs. 1 S. 2; AufenthG § 102 S. 1
Auszüge:

Eine Auflage im Rahmen einer einem Ausländer erteilten Duldung, die die Aufnahme oder Fortsetzung eines Studiums untersagt, kann rechtmäßig sein.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen und möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich die Verfügung der Antragsgegnerin vom 3. September 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2004, mit der dem Antragsteller im Rahmen einer Auflage zu der ihm erteilten Duldung die Aufnahme oder Fortsetzung eines Studiums untersagt wurde, als rechtmäßig. In einem solchen Fall überwiegt das öffentliche Interesse an einer sofortigen Durchsetzung der Auflage das private Interesse des Antragstellers vorerst von einer Durchsetzung der Verfügung verschont zu bleiben. Andere private Interessen des Antragstellers, die bei der gebotenen Interessenabwägung entscheidend zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wären, sind nicht ersichtlich.

Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung der hier streitgegenständlichen Verfügung vom 3. September 2004 zunächst in der Verfügung selbst und dann ergänzend im Widerspruchsbescheid vom 28. September 2004 den Erfordernissen des § 80 Abs. 3 VwGO gemäß hinreichend schriftlich begründet.

Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist die gegen den Antragsteller verfügte Auflage aller Voraussicht nach rechtmäßig.

Zunächst ist davon auszugehen, dass die im September 2004 verfügte Auflage nicht etwa deswegen wirkungslos geworden ist, weil am 1. Januar 2005 das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) vom 30. Juli 2004, (BGBl. I, S. 1950) in Kraft getreten ist. Nach § 102 Satz 1 AufenthG bleiben, nämlich die vor dem 1. Januar 2005 getroffenen ausländerrechtlichen Maßnahmen, insbesondere zeitliche und räumliche Beschränkungen, Bedingungen und Auflagen, wirksam.

Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall (noch) die Regeln des Ausländergesetzes anzuwenden sind oder ob bereits die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes zur Anwendung kommen. Letzteres könnte in Betracht kommen, weil es sich bei der hier streitgegenständlichen Auflage zu einer Duldung um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handeln dürfte, bei dessen Überprüfung maßgeblich auf die Beurteilung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung bzw. bei einem Anfechtungsstreit in der Hauptsache auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 14. Juli 2003, A 3K 11224/03, Juris).

Die Antragsgegnerin konnte sich jedenfalls zum Zeitpunkt ihrer Verfügung auf § 56 Abs. 3 Satz 2 AuslG als Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung berufen. Nach dem nunmehr geltenden Aufenthaltsgesetz wäre die Auflage gleichermaßen nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG gerechtfertigt. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.

Die Antragsgegnerin dürfte als Rechtsgrundlage für die hier angefochtene Verfügung zu Recht § 56 Abs. 3 Satz 2 AuslG herangezogen haben. Nach dieser Vorschrift können "weitere Bedingungen und Auflagen" in Zusammenhang mit einer Duldung nach § 56 AuslG angeordnet werden. Eine Einschränkung des Inhalts dieser Bedingungen und Auflagen ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht.

Auch in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Ausländerbehörde durch Auflagen jedwede öffentliche Interessen schützen darf, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können. Hierzu gehören etwa auch finanzielle Belange der Bunderepublik Deutschland, ferner die Anordnung und Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 3.2.1999, AuAS 1999, S. 209). Entscheidend ist insoweit, dass die Anordnung weiterer Auflagen im Ermessen der Ausländerbehörde steht und eine Auflage ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes finden, also aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.1981, BVerwGE 64, 285). Vieles spricht daher im Ergebnis dafür, dass die Antrsgegnerin grundsätzlich befugt war, auf der Grundlage des § 56 Abs. 3 S. 2 AuslG zu Gunsten der von ihr geltend gemchten öffentlichen Interessen - fiskalische Interessen und der Schutz des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland - die streitgegenständliche Auflage zu erlassen.

Auch ist die Antragsgegnerin befugt, anlässlich einer Verlängerung einer Duldung erstmals eine belastende Nebenbestimmung beizufügen, die bislang nicht für notwendig erachtet wurde.

Auch wenn die nunmehr geltende Rechtslage zugrundelegt wird, dürfte die streitgegenständliche Auflage eine hinreichende tatbestandliche Grundlage in § 61 Abs. 1 AufenthG haben. Nach dieser Vorschrift ist der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt (§ 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, vgl. § 56 Abs. 3 Satz 1 AuslG). Weitere Bedingungen und Auflagen können angeordnet werden (§ 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, vgl. § 56 Abs. 3 Satz 2 AuslG). Eine Veränderung gegenüber der Rechtslage vor dem 1. Januar 2005 ist insoweit eingetreten, als sich nunmehr eine dem § 56 Abs. 3 Satz 3 AuslG vergleichbare Vorschrift nicht mehr wiederfindet. Daraus kann jedoch keine einschränkende Auslegung des Tatbestandes hergeleitet werden, da lediglich ein gesetzlich ausdrücklich normierter Unterfall der weiten Vorschrift des § 56 Abs. 3 Satz 2 AuslG weggefallen ist. Auch aus der Gesetzesbegründung ist nicht ersichtlich, dass die Vorschrift des § 61 Abs. 1 AufenthG gegenüber der Vorschrift des § 56 Abs. 3 AuslG einen veränderten Anwendungsbereich haben sollte (vgl. BT -Drs. 15/420 v. 7. Februar 2003 S. 92).

Schließlich spricht im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes alles dafür, dass die Antragsgegnerin nicht ermessensfehlerhaft gehandelt hat. Entscheidend ist insoweit, dass - wie bereits oben dargelegt - das in § 56 Abs.. 3 Satz 2 AuslG bzw. § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG der Antragsgegnerin eingeräumte Ermessen nicht schrankenlos ist, sondern die Auflage ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes finden muss. Im vorliegenden Fall ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Antragsteller gegenwärtig in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht (nur) im Besitz einer Duldung ist und damit lediglich seine Abschiebung zeitweise ausgesetzt wurde (vgl. §§ 55 Abs. 1, 56 Abs. 1 AuslG). Der Antragsteller verfügt gegenwärtig über keinen seinen Aufenthalt legitimierenden Aufenthaltstitel. Die von ihm im Dezember 2003 beantragte Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wurde mit Verfügung vom 12. Juli 2004 abgelehnt, die von ihm erhobene Klage gegen diese Entscheidung hat keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 72 Abs. 1 AuslG). Einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat der Antragsteller in diesem Zusammenhang nicht gestellt. Der Antragsteller ist daher grundsätzlich ausreisepflichtig. In dieser ausländerrechtlichen Situation dürfte der Antragsgegnerin ein weiter Ermessensspielraum dahingehend zustehen, jedwede weitere Verfestigung des Aufenthaltes des Antragstellers zu unterbinden, denn es entspricht gerade dem Zweck des Ausländergesetzes, den Aufenthalt von Ausländern, die nicht über einen legitimen Aufenthaltstitel verfügen, möglichst effektiv zu beenden. Im konkreten Fal! bedeutet dies, dass der Aufenthalt des Antragstellers unmittelbar nach Beendigung des Strafverfahrens beendet werden kann.

Es dürfte auch nicht ermessensfehlerhaft sein, im vorliegenden Zusammenhang fiskalische Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Ermessenserwägungen anzuführen (vgl. BVerfG, Besch.v. 15.12.1989, BayVBI. 1990, S. 207 f.). Auch wenn dem Antragsteller durch die Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. August 2004 vorläufig ein Studienplatz im Studiengang im zweiten Studienabschnitt zugewiesen wurde, so ist diese Entscheidung allein aus hochschulrechtlichen Gründen ergangen. Dies hindert die Antragsgegnerin jedoch nicht, aus nunmehr ordnungsrechtlichen Gründen dem Antragsteller die Fortführung des Studiums zu untersagen, soweit sie damit eine weitere Verfestigung des Aufenthalts des Antragstellers vermeiden will. Die aufenthaltsrechtliche Situation des Antragstellers hat bei der Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts erkennbar keine Rolle gespielt. Im Rahmen der ausländerrechtlich relevanten Gründe war die Antragsgegnerin aber durchaus befugt, darauf abzustellen, eine weitere Verfestigung des Aufenthaltes des Antragstellers zu vermeiden. Sie hat insoweit das umgesetzt, was die Systematik des Ausländergesetzes vorgegeben hat:

Danach darf ein Ausländer nur dann ein Studium in der Bundesrepublik Deutschland aufnehmen bzw. betreiben, wenn er ausländerrechtlich im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung (nunmehr einer Aufenthaltserlaubnis) ist. Gerade das trifft aber auf den Antragsteller nicht mehr zu. Ohne die hier streitgegenständliche Auflage wäre der Antragsteller vielmehr, der Gesetzessystematik des Ausländerrechts widersprechend, gegenüber anderen Duldungsinhabem - privilegiert -, indem er ohne im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung bzw. nunmehr einer Aufenthaltserlaubnis zu sein, ein Studium führen könnte. Dann aber kann es nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, wenn die Antragsgegnerin darauf abstellt, dass die nur begrenzt zur Verfügung stehenden Studienplätze für Ausländer zur Verfügung gehalten werden sollen, die über den entsprechenden ausländerrechtlichen Aufenthaltstitel verfügen.

Es kann dem Antragsteller auch nicht zugutekommen, dass seine Abschiebung aus Gründen der Strafverfolgung gegenwärtig (noch) nicht betrieben wird, denn diese Gründe sind vorübergehender Natur und haben keinen Einfluss auf seine aufenthaltsrechtliche Situation.

Anderweitige private Interessen des Antragstellers die - unabhängig von einer Abwägung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache - dazu führen könnten, dass sein privates Aussetzungsinteresse überwiegt, sind nicht ersichtlich. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass der Antragsteller in seinem Studium bereits weit fortgeschritten ist. Die Regelstudienzeit für den vom Antragsteller gewählten Studiengang beträgt acht Semester, die der Antragsteller allerdings bereits im Wintersemester 2002/03 um einige Semester überschritten hatte. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Studienabschluss in greifbarer Nähe liegt und somit nur noch von einer kurzen Aufenthaltsdauer des Antragstellers (zu Studienzwecken) in der Bundesrepublik Deutschland ausgegangen werden könnte und die Gefahr einer Verfestigung des Aufenthaltes als nur gering einzustufen wäre.