VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 15.11.2004 - 12 TG 3134/04 - asyl.net: M6074
https://www.asyl.net/rsdb/M6074
Leitsatz:

Dringende persönliche Gründe im Sinne von § 55 Abs. 3 AuslG können vorliegen, wenn dem Ausländer die Durchführung des Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens vom Inland aus gestattet ist.(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: D (A), Duldung, Dringende persönliche Gründe, Abgelehnte Asylbewerber, Aufenthaltserlaubnis, Familienzusammenführung, Ehegattennachzug, Deutschverheiratung, Eheliche Lebensgemeinschaft, Visumserteilung vom Inland aus, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Einstweilige Anordnung
Normen: AuslG § 55 Abs. 3; AuslG § 69 Abs. 2; AuslG § 23 Abs. 1 Nr. 1; VwGO § 80 Abs. 7; VwGO § 123; DVAuslG § 9 Abs. 2 Nr. 1
Auszüge:

Der Antrag auf Abänderung der im vorangegangenen vorläufigen Rechtsschutzverfahren (Aktenzeichen Verwaltungsgericht Gießen 9 G 5467/03 u. Hess. VGH 12 TG 716/04) ist zulässig, weil sich die den damaligen Entscheidungen zugrunde liegende Sachlage geändert hat (§ 80 Abs. 7 VwGO analog, siehe zur analogen Anwendung dieser Vorschrift im Verfahren nah § 123 VwGO: Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 123 VwGO Rdnr. 35). Aufgrund der Ermittlungen in dem gegen den Antragsteller geführten Strafverfahren, das mangels hinreichendem Tatverdacht (§ 170 Abs. 2 StPO) eingestellt worden ist, spricht anders als vorher jetzt Überwiegendes dafür, dass zwischen dem Antragsteller und seiner deutschen Ehefrau eine eheliche Lebensgemeinschaft im Sinne von Art. 6 GG und § 17 Abs. 1 AuslG besteht.

Wenn aufgrund dieser veränderten Umstände in eine - erneute - Prüfung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 1 VwGO) einzutreten ist, ergibt sich, dass der Antragsteller beide Voraussetzungen glaubhaft gemacht hat.

Der Anordnungsanspruch ergibt sich daraus, dass der Antragsteller einen sicherungsfähigen Anspruch auf Erteilung einer Duldung hat, um das Aufenthaltsgenehmigungsverfahren vom Inland aus zu betreiben. Rechtsgrundlage für den Duldungsanspruch ist § 55 Abs. 3 AuslG. Dringende persönliche Gründe erfordern die vorübergehende weitere Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet zur Durchführung des Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens, weil dem Antragsteller - insoweit entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 DV AuslG gestattet ist, die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau nach der Einreise einzuholen. Denn zum Zeitpunkt der Stellung seines Aufenthaltsgenehmigungsantrags am 21. Mai 2003 hielt sich der Antragsteller noch gestattet im Sinne von § 55 Abs. 1 AsylVfG im Bundesgebiet auf, weil er eine bis September 2003 gültige Aufenthaltsgestattung besaß und sein Asylverfahren erst durch Rücknahme des Berufungszulassungsantrags im Juli 2003 beendet wurde (§ 67 AsylVfG). Durch die Heirat einer deutschen Staatsangehörigen hat er ferner einen gesetzlichen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG allein unter der Voraussetzung des Bestehens einer ehelichen Lebensgemeinschaft erworben.

Neben den bereits oben aufgeführten Umständen, die im Zuge des strafrechtlichen Verfahrens ermittelt worden sind, hat der Antragsteller nunmehr im Abänderungsverfahren und im Beschwerdeverfahren hierzu zwei eidesstattliche Versicherungen der Schwester und einer Arbeitskollegin seiner Ehefrau beigebracht, aus denen sich ergibt, dass der Antragsteller seine Frau zumindest regelmäßig nachts von der Arbeit abholt und dass er sich zu unterschiedlichen Zeiten in der angegebenen Ehewohnung aufgehalten hat. Der Senat hält gerade die Bestätigung der Arbeitskollegin, aus deren Formulierung sich Ahnungslosigkeit über den Zweck der erwünschten Bestätigung ergibt, für jedenfalls hinreichend aussagekräftig, um die am Anfang des Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens aufgetretenen Zweifel am Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft (Antragsteller kann in der Wohnung nicht angetroffen werden und ist den Hausmitbewohnern nicht bekannt) wieder soweit zu erschüttern, dass im Widerspruchsverfahren der Sachverhalt vertiefend erforscht werden muss, falls die Behörde weiterhin Zweifel am Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft hat.