VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.10.2004 - 13 S 865/02 - asyl.net: M6090
https://www.asyl.net/rsdb/M6090
Leitsatz:

Die Sperrwirkung des § 8 Abs. 2 S. 1 AulG verwehrt der Ausländerbehörde die Ausstellung eines Konventionspasses im Ermessenswege gemäß Art 28 Abs. 1 S. 2 GK an einen ausgewiesenen, jedoch nach § 51 Abs. 1 AuslG geduldeten Ausländer. (amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: D (A), Straftäter, Ausweisung, Sperrwirkung, nachträgliche Befristung, Konventionsflüchtlinge, Reiseausweis, Rückkehrberechtigung, Rechtmäßiger Aufenthalt, Ermessen, Wohlwollensklausel
Normen: AuslG § 8 Abs. 2 S. 1; GFK Art. 28; AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung der Beklagten über seinen Antrag auf Erteilung eines Konventionspasses.

Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht kann es nicht beanstandet werden, dass die Ausländerbehörde von der Ermächtigung des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz im Falle des Klägers keinen Gebrauch gemacht und die Erteilung eines Reiseausweises abgelehnt hat. Offen bleiben kann dabei, ob sich der Kläger auf die Wohlwollensklausel des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz GK berufen kann. Hieran bestehen Zweifel, da diese Bestimmung nach ihrem Wortlaut - eigentlich - nur Anwendung finden kann, wenn es für den Flüchtling noch ein Land des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts gibt, deren Behörden ihm einen Reiseausweis ausstellen könnten. Hieran fehlt es im Falle des Klägers wohl deswegen, weil insoweit als Land der "Zuordnung" allenfalls die Türkei in Betracht kommt. Die Türkei dürfte für den Kläger im Hinblick auf seine langjährige Abwesenheit von dort sowie angesichts der Tatsache, dass in Bezug auf dieses Land ein Abschiebungsverbot nach § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt worden ist, jedoch nicht - mehr - das Land des gewöhnlichen rechtlichen Aufenthalts im Sinne der in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz GK verankerten Wohlwollensklausel sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.10.1985 - 9 C 30.85 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 39 und Urteil vom 16.10.1990 - 1 C 15.88 -, InfAuslR 1991, 76 sowie VGH Bad.- Württ., Urteil vom 5.10.1993 - 11 S 1999/92 -, zitiert nach Juris).

Die Frage, ob im Hinblick auf das Fehlen eines Landes des rechtmäßigen Aufenthalts die Wohlwollensklausel im Falle des Klägers überhaupt Anwendung finden kann, bedarf jedoch keiner Entscheidung. Die wohlwollende Prüfung des Antrags auf Ausstellung eines Flüchtlingsausweises nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz GK setzt nämlich jedenfalls voraus, dass die Entscheidung über diesen Antrag noch ergebnisoffen ist, d.h. der zuständigen Behörde noch die Wahl verbleibt, ob sie von der Ermächtigung des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz GKG Gebrauch machen will oder nicht. Hieran fehlt es jedoch im Falle des Klägers, da sich der Entscheidungsspielraum der Beklagten im Hinblick darauf, dass der Kläger bestandskräftig ausgewiesen worden ist, bereits dahingehend verengt hat, dass die Ausstellung eines Flüchtlingsausweises im Ermessenswege gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz GK nicht in Betracht kommt. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Der nach Art. 28 Abs. 1 GK auszustellende Reiseausweis hat den primären Zweck, dem Flüchtling grenzüberschreitende Reisen mit anschließender Rückkehr in das Land zu ermöglichen, das den Flüchtlingsausweis ausgestellt hat (vgl. Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht, Band 2, Art. 28 GK RdNr. 1 und BVerwG, Urteil vom 17.3.2004 - 1 C 1.03 -, DVBI. 2004, 970). Dementsprechend sieht § 13 Abs. 1 des Anhangs zur Genfer Flüchtlingskonvention auch die Verpflichtung jedes der vertragsschließenden Staaten vor, dem Inhaber eines von ihm gemäß Art. 28 GK ausgestellten Reiseausweises die Rückkehr in sein Gebiet zu einem beliebigen Zeitpunkt während der Mindest-Geltungsdauer des Reiseausweises von drei Monaten (vgl. § 13 Abs. 3 und § 5 des Anhangs zur Genfer Flüchtlingskonvention) zu gestatten. Zur Einräumung eines derartigen, mit der Ausstellung des Flüchtlingsausweises unabdingbar verknüpften Rückkehrrechts ist die Beklagte nach innerstaatlichem (Ausländer)Recht im Falle des Klägers jedoch nicht ermächtigt. Dem steht § 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG entgegen. Diese Vorschrift schreibt nämlich eine gesetzliche Einreisesperre (Einreiseverbot) und damit zwangsläufig auch eine Aufenthaltssperre (Aufenthaltsverbot) für Ausländer vor, die - wie der Kläger- ausgewiesen oder/und abgeschoben worden sind (vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 7.12.1999 - 1 C 13.99 -, InfAuslR 2000, 176). Für ausgewiesene und/oder abgeschobene Ausländer, die sich im Ausland aufhalten, besteht daher ein generelles Verbot, in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren und sich dort aufzuhalten (vgl. insoweit auch die Begründung zum Gesetzesentwurf vom 27.1.1990, BT-Drucks. 11/6321 S. 57), das nur ausnahmsweise durch die Erteilung einer Betretenserlaubnis nach § 9 Abs. 3 AuslG für einen kurzfristigen Aufenthalt durchbrochen werden kann (vgl. insoweit Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, § 9 AuslG RdNr. 38 f.). Die Sperrwirkungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG gelten für jede Ausweisung und/oder Abschiebung. Ausnahmen hiervon können nur aufgrund spezialgesetzlicher Vorschriften zugelassen werden (vgl. Hailbronner, AuslR, § 8 RdNr. 42). Eine derartige innerstaatliche Regelung existiert indes nicht für die Gruppe derjenigen Ausländer, die - wie der Kläger - den Flüchtlingsstatus nach der Genfer Konvention inne haben, deren Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des mit der Sperrwirkung einer Ausweisung verbundenen Aufenthaltsverbots bei Fortbestehen der Ausreisepflicht gemäß § 55 AuslG jedoch lediglich geduldet wird. Hiernach ist der Beklagten in Bezug auf den Kläger anders als in den Fällen der "nur" geduldeten, nicht aber (auch) ausgewiesenen Ausländer mit Flüchtlingsstatus (vgl. insoweit Jakober/Welte, a.a.O., § 56 AuslG RdNr. 22) von Gesetzes wegen die Einräumung der mit der Ausstellung eines Reiseausweises nach Art. 28 Abs. 1 GK unabdingbar verbundenen Rückkehrberechtigung untersagt.