VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2005 - 11 K 344/03 - asyl.net: M6107
https://www.asyl.net/rsdb/M6107
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abgelehnte Asylbewerber, Kostenerstattung, Krankenbehandlung, Behandlungskosten, Zuweisung, Gewöhnlicher Aufenthalt, Örtliche Zuständigkeit, Eilfall, Notfall, Asylbewerberleistungsgesetz, Kostenträger
Normen: AsylbLG § 10a Abs. 2; AsylbLG § 10a Abs. 3 S. 3; AsylbLG § 10b Abs. 1; AsylVfG § 50
Auszüge:

Nach § 10b Abs. 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) hat die nach § 10a Abs. 2 S. 1 zuständige Behörde der Behörde, die nach § 10a Abs. 2 S. 3 die Leistung zu erbringen hat, die aufgewendeten Kosten zu erstatten. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.

Der Kläger hat Herrn B die fraglichen Leistungen aufgrund seiner Eilzuständigkeit nach § 10a Abs. 2 Satz 3 AsylbLG erbracht.

Eigentlich zuständig für die Leistungserbringung war gem. § 10a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG der Beklagte. Nach dieser Vorschrift ist unter anderem für die Leistungen in Einrichtungen, die der Krankenbehandlung dienen, die Behörde örtlich zuständig, in deren Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme hat oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat. Gem. § 10a Abs. 3 Satz 4 AsylbLG gilt, wenn jemand nach Abs. 1 Satz 1, d.h. aufgrund der Entscheidung der vom Bundesministerium des Innern bestimmten zentralen Verteilungsstelle verteilt oder von der im Land der zuständigen Behörde zugewiesen worden ist, dieser Bereich als sein gewöhnlicher Aufenthalt. Danach galt der Bereich des Beklagten auch im Zeitpunkt des Unfalls des Herrn B am 26. Februar 2002 und noch bis Ende Juni 2003 als sein gewöhnlicher Aufenthalt. Denn Herr B war mit Bescheid der Bezirksregierung B 1 vom 10. Dezember 1999 dem Beklagten im letztgenannten Sinne, d.h. landesintern gemäß § 50 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) zugewiesen worden. Diese Zuweisungsentscheidung war - entgegen der Einschätzung des Beklagten - auch im Februar 2002 noch wirksam.

Gem. § 43 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Die Zuweisungsentscheidung vom 10. Dezember 1999 war bis Februar 2002 weder aufgehoben worden noch hatte sie sich bis zu diesem Zeitpunkt erledigt.

In diesem Sinne erledigt ist eine Zuweisung nach § 50 AsylVfG trotz der systematischen Anknüpfung an das Asylverfahren und der damit verbundenen, vom Beklagten hervorgehobenen Terminologie der §§ 44 AsylVfG nicht bereits mit der unanfechtbaren Ablehnung des Asylantrags. Zur Erledigung führt vielmehr grundsätzlich erst die Beendigung des Aufenthaltes des betreffenden Ausländers durch Ausreise oder Abschiebung. Denn bis dahin ist der Zweck der Zuweisung nicht erfüllt, der neben der gleichmäßigen Lastenverteilung unter den betroffenen Gebietskörperschaften gerade darin liegt zu verhindern, dass der Asylbewerber durch freie Wahl seines Aufenthaltsortes die Durchsetzung seiner Ausreisepflicht erschwert.

Darüber hinaus wird die Erledigung allerdings auch durch die Ermöglichung eines asylverfahrensunabhängigen, d.h. nicht mehr der Abwicklung des vorangegangenen Asylverfahrens dienenden Aufenthalts herbeigeführt. Ein solcher Aufenthaltsstatus kann je nach Lage des Falles auch im Wege einer Duldung nach § 55 AuslG eingeräumt werden.

Herr B war - soweit ersichtlich - bis zu seiner stationären Aufnahme im Februar 2002 weder ausgereist noch war ihm bis zu diesem Zeitpunkt sein weiterer Aufenthalt asylverfahrensunabhängig ermöglicht worden.

Auch die beiden genannten Duldungen räumten Herrn B nicht die Möglichkeit ein, sich asylverfahrensunabhängig in Deutschland aufzuhalten. Die Ermöglichung eines Verbleibs im Bundesgebiet aus asylverfahrensunabhängigen Gründen ist in einer Duldung zu sehen, die die Ausländerbehörde nach unanfechtbarer Ablehnung des Asylantrags erteilt, weil sie die Abschiebung als im Sinne des § 55 Abs. 2 AuslG für unmöglich erachtet. Maßgeblich ist daher, ob die Ausländerbehörde die Abschiebung für in absehbarer Zeit realisierbar gehalten hat (vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Dezember 1999 - 17A 3994/98 -, a.a.O.; OVG NRW, Beschluss vom 30. März 2001- 16 B 44/01 -, S. 6 des Entscheidungsabdrucks).

Dies war jedoch im Zeitpunkt der Erteilung der beiden genannten Duldungen der Fall. Dass die Ausländerbehörde des Kreises N 1 damals von der Realisierbarkeit der Abschiebung in absehbarer Zeit ausging, deutet sich bereits in der Kürze der Befristung der Duldungen an, kommt aber vor allem auch darin zum Ausdruck, dass sie überdies unter der auflösenden Bedingung der Erlangung von Dokumenten standen, die zur Einreise in das Heimatland berechtigen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: OVG NRW, Urteil vom 1. Dezember 1999 - 17 A 3994/98-, a.a.O.).

Die Duldung vom 24. August 2000 war außerdem zeitlich eingebettet in eine Reihe von Ladungen zur dortigen Vorsprache zwecks Passersatzpapierbeschaffung - zuletzt bis zum 16. August 2000 und dann wieder unter dem 5. Oktober 2000. Kurz darauf drohte die Ausländerbehörde des Kreises N 1 Herrn B sogar ausdrücklich noch einmal die Abschiebung in sein Heimatland an, stellte ihm zwischenzeitlich eine Grenzübertrittsbescheinigung aus, beantragte nach deren Auslaufen bei der Zentralen Ausländerbehörde C 1 die Beschaffung von Passersatzpapieren, ließ ihn zur Fahndung ausschreiben und stellte nach der erneuten Festnahme des Herrn B in G im Dezember 2002 im Hinblick auf die beabsichtigte Vorführung bei der algerischen Botschaft schließlich einen Abschiebehaftantrag. Dies alles macht deutlich, dass die Ausländerbehörde des Kreises N 1 im Sommer 2000 die Abschiebung des Herrn B jedenfalls für in absehbarer Zeit realisierbar erachtete.

Ob eine Zuweisungsentscheidung darüber hinaus ihre Wirksamkeit verliert, wenn eine (asylverfahrensunabhängige) Duldung zwar nicht erteilt worden ist, Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts seit Abschluss des Asylverfahrens aber nicht eingeleitet worden und auch nicht abzusehen sind (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 16. Juni 2000 - 4 M 2124/00 -, FEVS 52, 124, 125), kann dahinstehen. Denn ein solcher Fall lag hier jedenfalls bis Februar 2002 nicht vor. Wie dargestellt hatte die Ausländerbehörde des Kreises N 1 vielmehr nach Abschluss des Asylverfahrens des Herrn B durchgängig die Absicht, Herrn B abzuschieben und hielt dies zwar nicht immer für in Kürze, aber doch jedenfalls für in absehbarer Zeit möglich. Dementsprechend hat sie bis zuletzt immer wieder konkrete Maßnahmen zur Vorbereitung der Abschiebung ergriffen.