VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 10.01.2005 - 11 K 5640/03 - asyl.net: M6110
https://www.asyl.net/rsdb/M6110
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Syrer, Kurden, Staatenlose, Abgelehnte Asylbewerber, Duldung, Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungskürzung, Abschiebungshindernis, Vertretenmüssen, Passersatzbeschaffung, Mitwirkungspflichten, Unabweisbar gebotene Hilfe
Normen: AsylbLG § 1a Nr. 2; AuslG § 4 Abs.1; DVAuslG § 25
Auszüge:

Die Beschränkung der Asylbewerberleistungen auf das nach den Umständen unabweisbar Gebotene zum 9. Juni 2003 mit Bescheid des Beklagten vom 4. Juni 2003 und Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 23. Juli 2003 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs.5 Satz 1 VwGO).

Nach § 1a Nr. 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 und ihre Familienangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6, bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Diese Voraussetzungen der Anspruchseinschränkung liegen vor.

Wie sich aus der Mitteilung der Zentralen Ausländerbehörde der Stadt E vom 8. Februar 2001 an die Ausländerbehörde des Kreises N ergibt, ist die von dort angestrebte und mit dem Antrag auf Erteilung von Passersatzpapieren damals auch bereits eingeleitete Aufenthaltsbeendigung in Form der Abschiebung mangels eines Identitätsnachweises der Kläger, ersatzweise der Angabe der Registrierungsnummer nicht vollziehbar. Wie bereits die jeweilige Befristung der anschließend erteilten Duldungen zeigt, aber auch aus der Mitteilung der Ausländerbehörde an den Beklagten von Anfang Juni 2003 hervorgeht, war die Ausländerbehörde auch Mitte des Jahres 2003 noch gewillt, die Kläger abzuschieben, sobald dies möglich ist.

Dass es hierzu nicht gekommen ist, haben die Kläger auch zu vertreten. Der Begriff des Vertretenmüssens im Sinne des § 1a Nr. 2 AsylbLG ist nicht mit dem Begriff des Verschuldens gleichzusetzen. Es genügt vielmehr, dass die Gründe, die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen entgegenstehen, im Verantwortungsbereich des Betroffenen liegen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 1999 - 24 B 1088/99 -, abgedruckt in: Gemeinschaftskommentar zum Asylbewerberleistungsgesetz (GK-AsylbLG), Stand: Mai 2003, Vll - zu § 1a (OVG - Nr. 3), S. 1 (2);GK-AsylbLG, a.a.O., III - § 1a Rdnr. 97 f.).

Auch wenn die Kläger nicht im Besitz von Identitätsnachweisen sind, ist davon auszugehen, dass dies in ihre Verantwortungssphäre fällt. Das Nichtvorhandensein von Ausweispapieren ist nämlich in aller Regel vom Betroffenen zu vertreten, weil es grundsätzlich in seiner Verantwortung liegt, derartige Papiere zu besitzen (vgl. OVG NRW, a.a.O. mit Verweis auf BT -Drs. 12/5008, S. 16 zu § 1a AsylbLG). Wie im Beschluss vom 17. September 2003 zum Antrag der Kläger auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt, ergibt sich eine entsprechende Verpflichtung des Ausländers in Anlehnung an § 25 Nr. 1 und 2 der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes und § 4 Abs. 1 des Ausländergesetzes. Das Vorliegen eines Ausnahmefalles ist nicht ersichtlich. Die Kläger hätten sich jedenfalls in weiterem Maße als geschehen, um die Ausstellung von Personalpapieren bemühen müssen. Nach eigenen Angaben hat der Kläger zu 1. einmal im August 2000 bei der syrischen Botschaft erfolglos Pässe oder Passersatzpapiere beantragt. Bereits dies ist nicht glaubhaft.

Jedenfalls war es den Klägern zuzumuten bis zum Jahre 2003 gegebenenfalls erneut bei der syrischen Botschaft vorzusprechen, detailliert die eigenen Familien- und Aufenthaltsverhältnisse in Syrien zu schildern und die Ausstellung von Personalpapieren zu beantragen. Entsprechende Bemühungen waren nicht deshalb von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil die Kläger vortragen, der syrische Staat stelle ihnen als staatenlose Kurden keine Pässe und Passersatzpapiere aus. Wie die Kammer bereits im Beschluss vom 17. September 2003 ausgeführt hat, trifft es zwar zu, dass der syrische Staat bestimmten Gruppen kurdischer Volkszugehöriger die Ausstellung von Reisedokumenten sowie eine Wiedereinreise verweigert. Die überwiegende Anzahl der über eine Million in Syrien lebenden Kurden besitzen jedoch die syrische Staatsangehörigkeit und damit alle bürgerlichen Recht und Pflichten (vgl. zur aktuellen Erkenntnislage: Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Syrien vom 1. April 2004, S. 10 f.).

Dass die Kläger der erstgenannten Gruppe angehören, kann angesichts des - wie im Beschluss vom 17. September 2003 im einzelnen beschrieben - deutlich gesteigerten Vorbringens des Klägers zu 1. zu seinem Verfolgungsschicksal in Syrien und der damit verbundenen Einschränkung seiner Glaubwürdigkeit nicht ohne weiteres angenommen werden. Da vor diesem Hintergrund Bemühungen zur Erlangung von Personalpapieren nicht offensichtlich aussichtslos waren, war den Klägern eine entsprechende Mitwirkung auch unter diesem Gesichtspunkt zumutbar.