OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.01.2005 - 18 B 2801/04 - asyl.net: M6113
https://www.asyl.net/rsdb/M6113
Leitsatz:

Duldungsgründe nach § 60 a AufenthG stehen gem. § 59 Abs. 3 AufenthG der Abschiebungsandrohung nicht entgegen.

 

Schlagwörter: D (A), Duldung, Aussetzung der Abschiebung, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Beschwerde, Zulässigkeit, Schutz von Ehe und Familie, Familienangehörige, Ehefrau, Kinder, Psychische Erkrankung, Reisefähigkeit, Gesetzesänderung, Zuwanderungsgesetz
Normen: VwGO § 123; VwGO § 80 Abs. 5; GG Art. 6; AuslG § 50 Abs. 3 S. 1; AufenthG § 59 Abs. 3 S. 1
Auszüge:

Duldungsgründe nach § 60 a AufenthG stehen gem. § 59 Abs. 3 AufenthG der Abschiebungsandrohung nicht entgegen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der mit der Beschwerdebegründung gestellte Hauptantrag, dem Antragsgegner zu untersagen, Abschiebemaßnahmen gegen den Antragsteller einzuleiten, ist unzulässig, weil ein solcher Antrag zulässigerweise nicht zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht werden kann. Das Beschwerdeverfahren dient ausschließlich der rechtlichen Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung. Deshalb ist im Beschwerdeverfahren für einen - wie hier - in erster Instanz nicht gestellten, allein im Wege einer Antragsänderung zu verfolgenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach der ständigen Senatsrechtsprechung kein Raum (vgl. Beschlüsse des Senats vom 25. November 2003 - 18 B 2299/02 -, und 9. November 004 - 18 B 2234/04 -).

Soweit der vom Verwaltungsgericht abgelehnte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 16. August 2004 weiterverfolgt wird, bleibt dieser - im Beschwerdeverfahren als Hilfsantrag gestellte - Antrag ohne Erfolg.

Mit der Beschwerdebegründung wird insoweit vorgetragen, der Antragsteller habe ein sich aus Art. 6 GG ergebendes Recht, nicht abgeschoben zu werden, weil sein Sohn Enis infolge einer schweren Entwicklungsstörung reiseunfähig sei. Seine Ehefrau leide unter einer psychischen Erkrankung.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei eine getrennte Abschiebung nur des Antragstellers mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie unvereinbar. Deshalb sei der weitere AufenthG des Antragstellers im Bundesgebiet zumindest zu dulden.

Dieses Vorbringen ist schon deshalb nicht geeignet, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis in Frage zu stellen, weil, worauf das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend abgestellt hat, etwaige Duldungsgründe gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 AuslG (in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung) die Rechtmäßigkeit der vom Antragsteller angefochtenen Abschiebungsandrohung unberührt gelassen haben. An dieser Rechtslage hat sich inhaltlich durch das Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (Art. 1 des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 - BGBl I S. 1950 - AufenthG) zum 1. Januar 2005 nichts geändert. Denn gemäß § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG steht dem Erlass einer Abschiebungsandrohung das Vorliegen von Abschiebungsverboten nichts entgegen. Vom Wortlaut her erfasst werden von dieser Regelung unmittelbar die in § 60 AufenthG geregelten und ausdrücklich als solche bezeichneten Abschiebungsverbote, die an die Stelle der bislang in § 51 Abs. 1 und 2 und § 53 AuslG geregelten Abschiebungshindernisse getreten sind. Im Unterschied zu § 50 Abs. 3 Satz 1 AuslG nimmt § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zwar die nunmehr in § 60 a AufenthG geregelte vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) nicht ausdrücklich in Bezug. Eine inhaltliche Änderung ist damit aber nicht verbunden. Zum einen lässt sich die vorübergehende Aussetzung einer Abschiebung begrifflich auch als zeitweiliges Abschiebungsverbot verstehen. Zum anderen ist ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien mit § 59 AufenthG eine konzeptionelle inhaltliche Änderung gegenüber dem bisher geltenden Recht nicht verbunden. Diese Vorschrift soll nach der Begründung des Gesetzentwurfs vielmehr im Wesentlichen § 50 AuslG entsprechen (vgl. Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für ein Zuwanderungsgesetz, BT-Drs. 15/420, S. 91).

Ein ausdrücklicher Verweis auf Duldungsgründe ist entfallen, weil nach der ursprünglichen Entwurfsfassung die Duldung, wie sie in §§ 55, 56 AuslG geregelt war, abgeschafft werden sollte. Erst im Laufe der parlamentarischen Beratungen ist § 60 a AufenthG in den Gesetzentwurf eingefügt worden, ohne der Duldung damit eine über das bisherige Ausländerrecht hinausgehende, bereits bei der Abschiebungsandrohung zu berücksichtigende Bedeutung beizumessen.