OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.01.2005 - 18 B 2665/03 - asyl.net: M6115
https://www.asyl.net/rsdb/M6115
Leitsatz:

§ 104 Abs. 4 AufenthG ist keine abschließende Regelung, so dass jedenfalls in Fällen, die über ihren Regelungsgehalt hinausgehen, die allgemeinen Bestimmungen zu den Aufenthaltsrechten anwendbar sind; es spricht vieles für eine Verlängerung einer gem. § 31 AuslG erteilten Aufenthaltsbefugnis eines volljährig gewordenen Kindes eines anerkannten Flüchtlings nach § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG; die Aufenthaltsbefugnis eines anerkannten Flüchtlings gilt als Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 2 AufenthG fort.

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltsbefugnis, Zuwanderungsgesetz, Gesetzesänderung, Übergangsvorschriften, Familienangehörige, Vater, Konventionsflüchtlinge, Volljährigkeit, Aufenthaltserlaubnis, Härtefälle, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Entscheidungszeitpunkt
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AuslG § 69 Abs. 3; AuslG § 31; AufenthG § 102 Abs. 1 S. 3; AufenthG § 25 Abs. 4 S. 2; AufenthG § 8; AufenthG § 104 Abs. 4
Auszüge:

§ 104 Abs. 4 AufenthG ist keine abschließende Regelung, so dass jedenfalls in Fällen, die über ihren Regelungsgehalt hinausgehen, die allgemeinen Bestimmungen zu den Aufenthaltsrechten anwendbar sind; es spricht vieles für eine Verlängerung einer gem. § 31 AuslG erteilten Aufenthaltsbefugnis eines volljährig gewordenen Kindes eines anerkannten Flüchtlings nach § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG; die Aufenthaltsbefugnis eines anerkannten Flüchtlings gilt als Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 2 AufenthG fort.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Aussetzungsantrag (§ 80 Abs. 5 VwGO) ist nach dem durch das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 - BGBI I 1950, - zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) weiterhin zulässig.

Die nach § 69 Abs. 3 AuslG eingetretenen Wirkungen des von den Antragstellern rechtzeitig vor Ablauf ihrer Aufenthaltsbefugnis gestellten Verlängerungsantrags bleiben erhalten (§ 102 Abs. 1. Satz 3 AufenthG).

Der Aussetzungsantrag ist auch begründet.

Nach Lage der Gerichtsakte sowie der vom Antragsgegner seiner Entscheidung zugrunde gelegten und dem Gericht übersandten Verwaltungsvorgänge lässt sich bei summarischer Prüfung die offensichtliche Rechtsmäßigkeit der im Streit stehenden Ordnungsverfügung nicht feststellen. Dabei kann offen bleiben, ob diese unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt ihres Erlasses bestehenden Sach- und Rechtslage offensichtlich rechtmäßig war. Die Widerspruchsbehörde wird bei ihrer noch ausstehenden Widerspruchsentscheidung die nunmehr bestehende Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen haben. Davon ausgehend beurteilt sich das Begehren der Antragsteller nunmehr nachdem Aufenthaltsgesetz. Dessen § 25 Abs. 4 dürfte vorliegend mangels einer einschlägigen Übergangsregelung, insbesondere wegen des offensichtlichen Fehlens der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 104 Abs. 4 AufenthG, dessen zeitliche Vorgaben bereits nicht erfüllt werden, allein als Anspruchsgrundlage für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen in Betracht kommen. Dabei wird zu prüfen sein, ob den Antragstellern infolge der ihnen bisher bereits erteilten Aufenthaltsbefugnisse eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG erteilt werden kann. Diese Regelung ermöglicht es im Ermessenswege, eine Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 AufenthG zu verlängern, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine ungewöhnliche Härte bedeuten würde, und schafft damit eine Ausnahmemöglichkeit von § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG für die Fälle, in denen bereits ein rechtmäßiger Aufenthalt besteht (vgl. BT -Drucks. 15/420, 79 f., zitiert nach GK-AufenthG zu § 25). Bei der danach zu treffenden Entscheidung werden im Rahmen einer Gesamtschau alle Belange der Antragsteller in den Blick zu nehmen sein. Dazu gehört neben den von der Antragstellerin zu 1. erbrachten Integrationsleistungen, die sich nach Aktenlage nicht abschließend beurteilen lassen, insbesondere - wie das Anhörungsschreiben des Antragsgegners vom 4. Februar 2002 verdeutlicht, dass die Antragstellerin zu 1. zu den jungen Erwachsenen zählt, bei denen eine Aufenthaltsbeendigung unter humanitären Gesichtspunkten als unbefriedigend erscheint, weil allein das Hereinwachsen in die Volljährigkeit dazu geführt hat, dass ihr nach § 31 AuslG legalisierter Aufenthalt, den sie wie auch die übrigen Familienmitglieder von ihrem seinerzeit Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG) genießenden Vater ableitete, abweichend vom Aufenthalt der Restfamilie nicht mehr verlängert wird (vgl. hierzu Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) vom 7./8. November 2001 sowie den hierzu ergangenen Runderlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein - Westfalen vom 28. November 2001 - 14/44.386-1 14-Kosovo/44.342).

Vorstehendes ist nicht bereits von vornherein deshalb unerheblich, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Bescheid vom 5. Dezember 2003 die gegenüber dem Vater der Antragstellerin zu 1. getroffene Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG widerrufen hat. Dies folgt zum einen daraus, dass über die hiergegen beim Verwaltungsgericht Düsseldorf erhobene Klage (15 K 8907/03.A) noch nicht entschieden worden ist. Zum anderen hat die Entscheidung des Bundesamtes nicht zwangsläufig das Erlöschen der dem Vater der Antragstellerin zu 1. erteilten Aufenthaltsbefugnis (jetzt Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, vgl. § 101 Abs. 2 i.V.m § 25 Abs. 2 AufenthG) zur Folge. Hierüber ist vielmehr erst noch in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG).

Des Weiteren würde es nicht zwingend gegen die Antragsteller sprechen, wenn § 104 Abs. 4 AufenthG - was der Senat ausdrücklich offen lässt - eine prinzipiell abschließende Regelung für den dort ausgeführten Personenkreis, dem die Antragstellerin zu 1. dem Grunde nach zuzuordnen sein dürfte, enthielte. Es gilt vielmehr zu beachten, dass die Norm die Struktur einer Altfallregelung aufweist, mit der gegenwärtigen Härten begegnet werden soll. Die Regelung gilt nämlich für Personen, denen entsprechende Regelungen des Zuwanderungsgesetzes (vgl. den auf dessen Grundlage geänderten § 26 AsylVfG) nicht zugute kommen, die sich regelmäßig seit längerem in bestimmte Voraussetzungen erfüllen (vgl. hierzu BT-Drucks. 15/420, 100 f., zitiert nach GK-AufenthG zu § 25).

Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich anderer sogenannter Altfall- bzw. Härtefallregelungen, die als Anordnung nach § 32 AuslG ergangen waren, ausgeführt, dass sie eine die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis (jetzt Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen) erleichternde, aber diesbezüglich keine abschließende Regelung darstellen.

Deshalb ist selbst mit Blick auf eine von einer Altfallregelung unter Umständen ausgehende Ermessensbindung ein Rückgriff auf die allgemeinen Bestimmungen zu den Aufenthaltsrechten jedenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn ein Sachverhalt zu beurteilen ist, der über den unmittelbaren Regelungsgehalt der Altfallregelung hinaus geht.

So dürfte es hier sein. Die Situation der Antragstellerin zu 1. unterscheidet sich von einer Vielzahl anderer Fälle zumindest dadurch, dass sie Mutter eines in Deutschland geborenen fünfjährigen Sohnes, des Antragstellers zu 2., ist. Es dürfte deshalb vor allem der Frage nachzugehen sein, ob im Falle einer Rückkehr der Antragsteller ins Heimatland das Kindeswohl in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. Dies wiederum dürfte davon abhängen, welche Situation die Antragsteller in ihrem Heimatland voraussichtlich antreffen werden.