Die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Ingewahrsamnahme kann mit einem Antrag nach § 13 Abs. 2 Freiheitsentziehungsverfahrensgesetz in einem eigenen, von der richterlichen Haftanordnung zu unterscheidenden Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden; die kurzzeitige Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG setzt nicht voraus, dass die Haftgründe des § 57 Abs. 2 S. 1 AuslG vorliegen. (Leitsatz der Redaktion)
Wortlaut und systematische Stellung des § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG unterscheiden die fakultativ anzuordnende auf einen Zeitraum von zwei Wochen begrenzte Sicherungshaft von den Haftgründen nach § 57 Abs. 2 S. 1 der Vorschrift, die, sei es inder Form gesetzlicher Vermutungen (Ziff. 1 bis 4), sei es in der Form des allgemeinen Haftgrundes der Ziff. 5, den begründeten Verdacht voraussetzen, dass sich der Ausländer seiner Abschiebung entziehen will. Die bereits wiedergegebene Gesetzesbegründung spricht ebenfalls deutlich dafür, dass durch diese Vorschrift die Möglichkeit für eine Sicherungshaft begründet werden soll, die in ihren Voraussetzungen selbständig neben denjenigen nach § 57 Abs. 2 S. 1 AuslG stehen und wegen ihres begrenzten Zwecks auf den Zeitraum von zwei Wochen beschränkt sein soll. Gegenteiliger Auffassung ist allerdings das OLG Frankfurt (Beschl. v. 15.03.2004 - 20 W 426/03 - zitiert nach juris), das die Anordnung der Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG nur dann als gerechtfertigt ansieht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür festgestellt werden können, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen wolle; die bloße Vermutung der Ausländerbehörde, der Betroffene werde zum Abschiebungstermin nicht zur Verfügung stehen, reiche dafür nicht aus. Dieser Auffassung vermag sich der Senat auch nach erneuter Überprüfung nicht anzuschließen, weil sie die Voraussetzungen der Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG vermengt mit denjenigen der Haftanordnung nach Satz 1 der Vorschrift. Der im Gesetz eigenständig geregelte Haftgrund des Satzes 2 der Vorschrift wird so der Sache nach zu einem Unterfall des allgemeinen Haftgrundes des begründeten Verdachts, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen will (Abs. 2 S. 1 Nr. 5 der Vorschrift). Dies gilt insbesondere, wenn das OLG Frankfurt die materielle Feststellungslast für konkete Umstände, die auf eine Entziehungsabsicht des Betroffenen schließen lassen, auch im Rahmen der Vorschrift des § 57 Abs. 2S. 2 AuslG der antragstellenden Ausländerbehörde auferlegen will. Dies führt zu einer weitgehenden Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs des § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG, die aus der Sicht des Senats nach Wortlaut, systematischer Stellung und dem Zweck der Vorschrift erkennbar nicht gewollt ist. Aus der vom OLG Frankfurt herangezogenen Entscheidung des BVerfG (NVwZ-Beilage 1994, 57 = InfAuslR 1994, 342) lässt sich für eine solche Auslegung des § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG nichts Entscheidendes ableiten. In dieser Entscheidung des BVerfG wird zwar aus dem Zweck der Haft als Mittel zur Sicherung der Abschiebung eine inhaltliche Einschränkung gegenüber dem zwingend ausgestalteten Haftgrund des § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AuslG in dem Sinne hergeleitet, dass eine Haftanordnung trotz Erfüllung des Tatbestandes der Vorschrift zu unterbleiben hat, wenn feststeht, dass sich der Betroffene seiner Abschiebung offensichtlich nicht entziehen will. Wen der Tatrichter aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls die Überzeugung gewinnt, dass der Betroffene zum vorgesehenen Zeitpunkt tatsächlich für die Abschiebung zur Verfügung stehen wird, wird auch im Rahmen des § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG die Ablehnung einer Haftanordnung nahe liegen.
Problematisch sind aber gerade diejenigen zahlenmäßig überwiegenden Fälle, in denen eine solche sichere Vorhersage nicht möglich ist. Es entspricht der langjährigen Erfahrung des Senats aus der Befassung mit Abschiebungshaftsachen, dass auch solche Ausländer, die bislang ihren ausländerrechtlichen Pflichten nachgekommen sind, nicht selten dazu neigen sich so einzurichten, dass sie am Tage einer ihnen angekündigten Abschiebung nicht zur Verfügung stehen. Das Gesetz selbst behandelt ein solches Verhalten im Rahmen des § 57 Abs. 2 S. 1 AusIG als zwingenden Haftgrund (Nr. 3 der Vorschrift). Ein solches Verhalten kann auch bei einem Ausländer nicht ausgeschlossen werden, der - wie der hier Betroffene - enge familiäre Bindungen zu seiner Ehefrau und seinemKind pflegt. Gerade daraus kann sich ein Anreiz zu einem obstruktiven Verhalten ergeben, wenn es auf diese Weise gelingen kann, die Abschiebung der gesamten Familie zu verhindern. Für diejenigen Fälle, in denen es ungewiss ist, ob sich der Ausländer dem bevorstehenden Vollzug der Abschiebung stellen wird, nimmt § 57 Abs. 2 S..2 AuslG eine Gewichtung vor, die dem Betroffenen zur Sicherung der Abschiebung und des dafür bereits angefallenen Vorbereitungsaufwands eine kurzfristige Freiheitsentziehung zumutet.
Das Landgericht hat bei seiner Ermessenentscheidung ferner die familiären Bindungen des Betroffenen, insbesondere die von ihm hervorgehobene Schwangerschaft seiner Ehefrau berücksichtigt. Wenn die Kammer diesen Gesichtspunkten letztlich keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat, liegt darin schon deshalb kein Rechtsfehler, weil der Betroffene und seine Ehefrau sich unter diesem Aspekt schwerpunktmäßig gegen die Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Abschiebungsmaßnahme als solche gewandt haben. Da im Hinblick auf die Schwangerschaft in der Person der Ehefrau ein Abschiebungshindernis für sie und das zweijährige Kind vorliege, sei auch die Abschiebung des Betroffenen selbst im Hinblick auf den grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) unzulässig. Die Gerichte der freiwilligenGerichtsbarkeit sind jedoch an die bestandskräftige Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Bundesamtes vom 19.08.2003 gebunden. Ob die Abschiebung des Betroffenen - auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts - zu Recht betrieben wurde, haben ausschließlich die Ausländerbehörde und die Verwaltungsgerichte zu prüfen (BayObLGZ 1993, 311, 313; OLG Karlsruhe NVwZ 1993, 811, 812; KG NVwZ 1997, 516). Es handelt sich in diesem Punkt um die Folgen der vom Gesetzgeber gewollten Rechtswegspaltung. Der Betroffene hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, bei dem zuständigen Verwaltungsgericht Eilrechtsschutz zu beantragen; dieser Antrag hat zu seiner Haftentlassung geführt.
Die angefochtene Entscheidung beruht auch nicht auf einer Verletzung der Verpflichtung zur Anhörung des Betroffenen. Zwar besteht auch im Beschwerdeverfahren gemäß § 103 Abs. 2 AuslG in Verpindung mit § 5 Abs. 1 FEVG die Verpflichtung, den Betroffenen mündlich anzuhören. Von einer erneuten mündlichen Anhörung kann aber abgesehen werden, wenn diese zur Sachaufklärung nichts beitragen kann. Hiervon durfte das Landgericht ausgehen. Der Amtsrichter bei dem Amtsgericht Herford hat den Betroffenen eingehend angehört. Der Betroffene hat seine Erstbeschwerde mit mehreren Schriftsätzen seines Verfahrensbevollmächtigten ausführlich begründet. Von seinem tatsächlichen Vorbringen, insbesondere seinen familiären Bindungen, ist das Landgericht bei seiner Entscheidung ausgegangen. Relevante Gründe, die mit ihm vor dem Landgericht mündlich hätten erörtert werden müssen, ergeben sich daraus nicht. Aus denselben Gründen ist es im Ergebnis auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Ehefrau des Betroffenen nur in schriftlicher Form und nicht mündlich angehört hat (§ 5 Abs. 3 S. 2 FEVG). Denn die Ehefrau des Betroffenen hat sowohl in einem eigenen Schreiben als auch mit Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen vom 18.10.2004 ihre Situation nach der Inhaftierung ihres Ehemannes näher dargestellt. Das Landgericht hat dieses Vorbringen berücksichtigt; eine ergänzende mündliche Anhörung der Ehefrau des Betroffenen hätte ersichtlich keine zusätzlichen Erkenntnisse erbringen können.