OVG Bremen

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Zitieren als:
OVG Bremen, Urteil vom 08.12.2004 - 2 A 476/03.A - asyl.net: M6147
https://www.asyl.net/rsdb/M6147
Leitsatz:

§ 51 Abs. 1 AuslG für iranischen Staatsangehörigen wegen herausgehobenen exilpolitischen Engagements für Volksmudschaheddin durch umfangreiche Tätigkeit bei der Erstellung von Druckerzeugnissen.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Iran, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Antragstellung als Asylgrund, Exilpolitische Betätigung, Vereinigung zur Verteidigung der Menschenrechte im Iran e.V., Funktionäre, Zeitschriften, Redakteure, Publikationen, Demonstrationen, Überwachung im Aufnahmeland
Normen: AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

 

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zusteht.

Dass der Kläger den Iran nicht als politisch Verfolgter verlassen hat, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Dem Kläger steht jedoch Abschiebungsschutz wegen seiner politischen Nachfluchtaktivitäten zu. Zur Beachtlichkeit von Nachfluchtaktivitäten gegen das iranische Regime ist zunächst festzuhalten, dass weder die Asylantragstellung noch der mehrjährige Auslandsaufenthalt eine asylrelevante Verfolgungsgefahr begründen. Aus den Nachfluchtaktivitäten, die der Kläger insbesondere für die "Vereinigung zur Verteidigung der Menschenrechte im Iran e. V. " (im Folgenden: Vereinigung) unternommen hat, ergibt sich jedoch eine beachtliche Verfolgungsgefahr.

Er ist seit (...) nicht nur (gewähltes) Mitglied des Komitees für Propaganda der Vereinigung, sondern gehört nach Überzeugung des Senats im Bereich der Printmedien zu den führenden Köpfen und tragenden Stützen der exilpolitischen Arbeit der Vereinigung. Dabei dürfte aus iranischer Sicht nicht unbedeutend sein, dass der Kläger nach seiner - insoweit glaubhaften - Aussage vor dem Bundesamt aus einer Familie stammt, die schon seit 50 Jahren in der (...) tätig ist und zusammen mit seinem Vater im Iran einen Druckereibetrieb selbständig geführt hat. Vor dem Senat hat er in diesem Zusammenhang ergänzend erklärt, er sei im Iran "einschlägig ausgebildet" worden für die Kunst der Karikatur und der Schönschrift und habe auch dem Verein für Schönschrift in Teheran angehört. Über seine Ausbildung habe er auch ein Zeugnis erhalten.

Diese im Iran erworbenen Fähigkeiten hat der Kläger im Bundesgebiet zugunsten der Exilopposition und damit gegen das bestehende iranische Regime eingesetzt. Er gehört zu den Gründern der Zeitschrift der Vereinigung (...) die es seit(...) (monatlich) gibt, und die das offizielle Organ der Vereinigung darstellt. Er ist Mitglied des Redaktionsausschusses dieser Zeitung;(...) und auch auf der Webseite der Vereinigung zu finden. Der Kläger hat eine Vielzahl von Beiträgen - sowohl Leitartikel als auch andere Artikel - für diese Zeitschrift verfasst sowie wiederholt Karikaturen gefertigt. In den Artikeln und Karikaturen werden das bestehende iranische Regime und seine religiösen Führer scharf verurteilt (u. a. als korrupt und menschenverachtend) oder verhöhnt.

Daneben war der Kläger auch für die Zeitschrift (...) tätig und hat für diese ebenfalls - zeitweise regelmäßig (...) - gegen das iranische Regime gerichtete Artikel geschrieben. An politischen Veranstaltungen der Exilopposition hat er wiederholt teilgenommen, um dann anschließend in den Zeitungen darüber zu berichten (vgl. Schriftsatz vom 10.03.2003). Auch hat er Personen interviewt.

All dies zeigt, dass der Kläger im Bereich der Printmedien eine Tätigkeit entfaltet hat, die deutlich über den Rahmen massentypischer exilpolitischer Proteste hinausgeht.

Hinzu kommt, dass der Kläger als Mitglied des Komitees für Propaganda nicht nur an zahlreichen Demonstrationen oder sonstigen Aktionen teilgenommen, sondern diese - nach seiner glaubhaften Aussage vor dem Senat - auch organisiert hat, in dem u. a. Mitglieder mobilisiert und die Aufgaben an die Mitglieder verteilt hat. Der Senat nimmt dem Kläger auch ab, dass er wiederholt und an verschiedenen Orten auf Veranstaltungen der Vereinigung als Redner in Erscheinung getreten ist. Insgesamt gesehen ergibt sich, dass der Kläger durch sein Engagement und die von ihm entfalteten Aktivitäten aus der Masse oppositioneller Iraner erkennbar herausgetreten ist, sich also exponiert hat.

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Aktivitäten den Kläger in den Augen der iranischen Sicherheitskräfte mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner erscheinen lassen. Zwar dürften die "Vereinigung zur Verteidigung der Menschenrechte im Iran e. V," und die Zeitschrift (...) bei Berücksichtigung der eingeholten Auskünfte überregional von geringer Bedeutung sein. Andererseits betreiben die iranischen Stellen nach den Erkenntnisquellen einen erheblichen Aufwand, um die Aktivitäten oppositioneller Gruppen zu erfassen und findet eine intensive Überwachung statt (vgl. dazu Senatsurteil vom 01.12.1999 - Az. 2 A 506/98.A -). Das Auswärtige Amt weist im Lagebericht vom 03.03.2004 (Seite 23) darauf hin, dass iranische Stellen die im Ausland tätige Oppositionsgruppen genau beobachten. In der Auskunft von ai an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main vom 21.07.2003 wird mitgeteilt, im Teheraner Außenministerium gebe es eine Abteilung, die sich ausschließlich mit der Auswertung der persischsprachigen Exil-Presse sowie ausländischer Presse beschäftige. Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt in der Auskunft vom 23.08.2000 an das Verwaltungsgericht Leipzig aus, nach seinen Informationen, werteten iranische Sicherheitsbehörden auch die im Ausland erscheinenden oppositionellen Publikationen aus.

Angesichts dieser Auskunftslage ist davon auszugehen, dass den iranischen Stellen auch die erwähnten Exilaktivitäten des Klägers nicht verborgen geblieben sind, zumal es sich bei der "Vereinigung zur Verteidigung der Menschenrechte im Iran e. V." nach der in diesem Verfahren eingeholten Auskunft von ai vom 24.03.2004 um den bedeutendsten Zusammenschluss iranischer Flüchtlinge in Bremen handelt.