OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 01.02.2005 - 2 ME 1326/04 - asyl.net: M6200
https://www.asyl.net/rsdb/M6200
Leitsatz:

Eine lediglich nach islamischen Ritus im Inland geschlossene Ehe zwischen einer Ausländerin und einem deutschen Staatsangehörigen kann nicht in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG einbezogen werden.

 

Schlagwörter: D (A), Syrer, Abschiebungsandrohung, Aufenthaltsbefugnis, Nachträgliche Befristung, Duldung, Imam-Ehe, Religiöse Eheschließung, Ehescheidung, Hinkende Ehe, Schutz von Ehe und Familie, Institutionsgarantie, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2; AufenthG § 97 Abs. 2 S. 2; AuslG § 12 Abs. 5 S. 2; AuslG § 55 Abs. 2; BGB § 1310 Abs. 1 S. 1; EGBGB § 13 Abs. 3; GG Art. 6 Abs. 1
Auszüge:

Eine lediglich nach islamischen Ritus im Inland geschlossene Ehe zwischen einer Ausländerin und einem deutschen Staatsangehörigen kann nicht in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG einbezogen werden.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, der Antragstellerin gegen die von der Antragsgegnerin in dem Bescheid vom 20. Oktober 2004 vorgenommene - für sofort vollziehbar erklärte - nachträgliche zeitliche Beschränkung ihrer Aufenthaltsbefugnis gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG (jetzt § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) und die in dem Bescheid zugleich ausgesprochene Androhung der Abschiebung nach Syrien vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.

Die der Antragstellerin ausschließlich zum Zweck der Realisierung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem (zweiten) Ehemann B. erstmals am 14. März 2000 erteilte und zuletzt bis zum 4. Februar 2006 verlängerte Aufenthaltsbefugnis, konnte, wie dies das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zu Recht hervorgehoben hat, von der Antragsgegnerin durch den Bescheid vom 20. Oktober 2004 nachträglich gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG bzw. § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zeitlich beschränkt werden, nachdem durch das am

13. August 2004 durch den Ehemann C. beim Amtsgericht (Familiengericht) D. in Gang gesetzte Scheidungsverfahren - NSZ 49 F 125/04 S -, aber auch aufgrund der eigenen Erklärungen der Antragstellerin deutlich geworden war, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann seit längerem nicht mehr existiert hat.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, ihr müsse gegen die von der Antragsgegnerin auch ausgesprochene Androhung der Abschiebung nach Syrien einstweiliger Rechtsschutz in Gestalt der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer (vorläufigen) Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG bzw. jetzt nach § 60 a Abs. 2 AufenthG gewährt werden, weil sie nach islamischen Ritus am 11. November 2004 in E. in der F. Moschee den am 1. September 2004 zum Islam übergetretenen deutschen Staatsangehörigen G. geheiratet habe und diese Verbindung auch unter dem Schutz der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Art. 6 Abs. 1 GG stehe, kann auch dies nicht zum Erfolg ihrer Beschwerde führen.

Denn wegen des gewöhnIichen Aufenthalts beider Eheleute (Antragstellerin/C.) in Deutschland ist nach Art. 17 Abs. 2 EGBGB die am 2. Mai 2004 möglicherweise erfolgte Scheidung als Privatscheidung für die staatliche Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland unwirksam (Palandt-Heldrich, BGB, 64. Aufl. 2005, RdNr. 12 zu Art. 17 EGBGB m. w. Nachw.), ausländerrechtlich also unbeachtlich; vielmehr hätte für eine Wirksamkeit der Scheidung der Scheidungsausspruch eines staatlichen Gerichtes vorliegen müssen (OLG Braunschweig, Beschl. v. 19.10.2000 -2 W 148/00 -, FamRZ 2001, 561). Da dies (bisher) nicht der Fall ist - bei dem Termin vom 30. November 2004 vor dem Familiengericht D. wurde die im Jahre 1997 in Syrien geschlossene Ehe der Antragstellerin nicht geschieden, muss die Antragstellerin ausländerrechtlich weiterhin als mit ihrem Ehemann C. verheiratet angesehen werden, wenn sie mit diesem auch nicht mehr in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammenlebt.

Ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung kann sich entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht daraus ergeben, dass sie am 11. November 2004 den deutschen Staatsangehörigen H. nach religiösem Ritus geheiratet hat; denn diese Verbindung genießt nicht den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG, wie dies das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss bereits zutreffend festgestellt hat.

Nach § .1310 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt in Deutschland eine wirksame Eheschließung voraus, dass sie vor einem Standesbeamten beurkundet wird. Dies gilt gem. Art. 13 Abs. 3 EGBGB auch dann, wenn einer der Verlobten - wie hier die Antragstellerin - Ausländerin ist. Allerdings kann auch eine sog. hinkende Ehe, also eine Eheschließung, die zwar nicht nach deutschem Recht, aber nach dem Recht des ausländischen Verlobten rechtswirksam zustande gekommen ist, den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG genießen (BVerfG, BeschI. v. 30.11.1982 -1 BvR 818/81 -, BVerfGE 62, 323, 331). Auch kann eine derartige Ehe zumindest für die ausländerrechtliche Ermessensbetätigung Bedeutung gewinnen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.4.1985 -BVerwG 1 C 33.81 -, BVerwGE 71, 228). Die am 11. November 2004 von der Antragstellerin eingegangene Verbindung kann aber nicht einmal als sog. hinkende Ehe aufgefasst werden; denn auch nach syrischem Recht handelt es sich bei dieser Verbindung nicht um eine wirksame Eheschließung.