OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 01.02.2005 - 7 LA 200/04 - asyl.net: M6201
https://www.asyl.net/rsdb/M6201
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Familienasyl, Folgeantrag, Kinder, Minderjährige, Zeitpunkt, Antragstellung, Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung
Normen: AsylVfG § 26 Abs. 2 S. 1; AsylVfG § 71 Abs. 1; AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1
Auszüge:

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass § 26 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG mit dem Begriff des Zeitpunkts der Asylantragstellung, zu dem ein Familienasyl begehrendes Kindes minderjährig sein muss, in einem Folgeantragsverfahren grundsätzlich den Zeitpunkt des Folgeantrags meint (BVerwG, Urt. v. 13.8.1996 - 9 C 92.95 -, BVerwGE 101, 341; Urt. v. 17. 12. 2002 - 1 C 10.02 -, BVerwGE 117, 283). Höchstrichterlich geklärt ist ferner, dass Kindern eines Asylberechtigten, die als Minderjährige im zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Einreise oder mit der Antragstellung des Stammberechtigten Asylanträge gestellt haben, Familienasyl nach § 26 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG auch dann zu gewähren ist, wenn sie ihre Folgeanträge wegen der Dauer des Verfahrens zur Anerkennung des Stammberechtigten erst nach Eintritt der Volljährigkeit stellen konnten (Urt. v. 17.12.2002, aaO). Mit der durch das Asylverfahrensgesetz vom 26.Juli.1992 erfolgten Neufassung des Familienasyls für Minderjährige sollte dessen Schutzumfang erweitert werden. Anknüpfungspunkt für die Minderjährigkeit der Kinder sollte nicht mehr die Entscheidung über ihren Asylantrag, sondern der Zeitpunkt ihrer Asylantragstellung sein. Dieser Änderung lag die Überlegung zugrunde, dass sich eine längere Verfahrensdauer bis zu einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung nicht nachteilig auf die Kinder auswirken sollte. Dieser Regelungszweck ist durch die Asylrechtsnovelle vom 29.Oktober 1997, durch die das Erfordernis der Bestandskraft der Asylanerkennung des Stammberechtigten eingeführt worden ist, nicht berührt worden. Probleme, die sich daraus ergeben, dass das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und die Gerichte über die Asylanträge von Kindern in der Praxis schon dann ablehnend entscheiden, wenn noch nicht unanfechtbar feststeht, dass sie auch kein Familienasyl erhalten können, dürfen deshalb nicht zu Lasten der Kinder gelöst werden. Das aber wäre der Fall, wenn ein Folgeantrag der Kinder nach unanfechtbarer Ablehnung ihres Erstantrags und nachträglicher Anerkennung eines Elternteils - aufgrund des gleichzeitig (oder in mittelbarem Zusammenhang) gestellten Asylantrags - allein deshalb erfolglos bliebe, weil sie inzwischen (und letztlich wegen der Verfahrensgestaltung des Bundesamts oder der Gerichte) volljährig geworden sind (BVerwG, Urt. v. 17.12.2002, aaO).

Um eine solche Situation geht es vorliegend nicht. Der Beigeladene konnte seinen Folgeantrag nicht wegen der Dauer des Verfahrens zur Anerkennung des Stammberechtigten, seines Vaters, erst nach Eintritt der Volljährigkeit stellen. Vielmehr war sowohl das Verfahren des Stammberechtigten als auch das des Beigeladenen im zeitlichen Zusammenhang entschieden und bestandskräftig abgeschlossen worden. Den Folgeantrag hat der Beigeladene erst nach Eintritt seiner Volljährigkeit gestellt, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Anforderungen an die Asylgewährung bei Vorliegen einer quasi-staatlichen Verfolgung anders als die bis dahin herrschende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung gefasst hatte.

Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2002 offengelassen hat, ob abweichend von dem dargelegten Grundsatz in anderen Fallkonstellationen als der entschiedenen ausnahmsweise auf den Erstantrag abzustellen ist, "insbesondere, wenn der Stammberechtigte erfolgreich ein Wiederaufgreifen seines Erstantrags aus den ursprünglich vorgetragenen Gründen betreibt", folgt daraus eine Klärungsbedürftigkeit der in diesem Verfahren aufgeworfenen Fragen nicht. Der Umstand allein, dass es zu einer Rechtsfrage noch keine Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt, verleiht einer Rechtssache nicht grundsätzliche Bedeutung. Sie hat sie nur dann, wenn durch eine höchstrichterliche Entscheidung die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gewahrt oder das Recht in bedeutsamer Weise fortentwickelt werden kann. An dieser Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage durch Auslegung des Gesetzes ergibt oder durch die bisherige Rechtsprechung als geklärt angesehen werden kann (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 31. 7.1987 - 5 B 49.87 -, Buchholz 436.0 § 69 BSHG Nr. 14).

Zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist hier eine weitere Klärung nicht geboten. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass zu den in Rede stehenden Fragen unterschiedliche Auffassungen in der Rechtsprechung vertreten werden.