OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 10.12.2004 - 9 LA 313/04 - asyl.net: M6205
https://www.asyl.net/rsdb/M6205
Leitsatz:

Der Sturz des Regimes von Saddam Hussein stellt eine im Regelfall den Widerruf einer Asylberechtigung bzw. der Feststellung von Abschiebungsschutz rechtfertigende nachträgliche Änderung der Verfolgungsituation im Irak dar. Die Beschränkung der Prüfung der nachträglichen und erheblichen Veränderung der Verhältnisse nur auf einzelne Landesteile (hier auf den Nordirak) ist weder sachlich geboten noch sonst gerechtfertigt (gegen VG Stade, Urt. v. 24.6.2004 - 6 A 804/04).

 

Schlagwörter: Irak, Nordirak, Asylanerkennung, Flüchtlingsanerkennung, Widerruf, Machtwechsel, Änderung der Sachlage, Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung, Divergenzrüge
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1 S. 1; AuslG § 51 Abs. 1; GG Art. 16a Abs. 1
Auszüge:

Der Sturz des Regimes von Saddam Hussein stellt eine im Regelfall den Widerruf einer Asylberechtigung bzw. der Feststellung von Abschiebungsschutz rechtfertigende nachträgliche Änderung der Verfolgungsituation im Irak dar. Die Beschränkung der Prüfung der nachträglichen und erheblichen Veränderung der Verhältnisse nur auf einzelne Landesteile (hier auf den Nordirak) ist weder sachlich geboten noch sonst gerechtfertigt (gegen VG Stade, Urt. v. 24.6.2004 - 6 A 804/04).

(Amtlicher Leitsatz)

 

Dass der Sturz des Regimes von Saddam Hussein nach allen vorliegenden Erkenntnissen eindeutig und unumkehrbar ist, und zwar trotz der weiterhin, ja sich noch verstärkenden problematischen Sicherheitslage im Irak, insbesondere im Hinblick auf terroristische Anschläge, entspricht der jüngeren Rechtsprechung des Senats (so der auch vom Verwaltungsgericht zitierte und seinem Urteil zugrunde gelegte Beschl. v. 30.3.2004, aaO). Eine Rückkehr der Baath-Regierung kann nach den derzeit gegebenen Machtverhältnissen und der Offenkundigkeit der veränderten politischen Gegebenheiten nach wie vor als ausgeschlossen bewertet werden. Der Senat folgt damit nicht - ebenso wie das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil - der vom VG Stade in seinem Urteil vom 24.6.2004 - 6 A 804/04 - möglicherweise geäußerten Rechtsansicht, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht vorlägen, weil sich die tatsächliche Situation im Nordirak nach dem Sturz von Saddam Hussein nicht von der derjenigen zu Zeiten seiner Herrschaft unterscheide und dass nach wie vor eine politische Verfolgung durch die irakische Zentralregierung dort nicht zu befürchten sei. Die Beschränkung der Prüfung einer nachträglichen und erheblichen Veränderung der Verhältnisse nur auf einzelne Landesteile wäre weder sachlich geboten noch sonst gerechtfertigt. Die mit dem Zulassungsantrag aufgeworfene Frage lässt sich eindeutig dahin beantworten, dass die Beantwortung der Frage nach einer nachträglichen und erheblichen Veränderung der Verhältnisse im Nordirak jedenfalls nach den derzeitigen Gegebenheiten landesweit zu beantworten ist und sich nicht nur auf die Verhältnisse im Nordirak beschränkt.

Das Verwaltungsgericht weicht auch nicht von dem oben zitierten Urteil des BVerwG vom 19.9.2000 (aaO) ab. Gegenteilig stützt das Verwaltungsgericht sein Urteil gerade auf diese Entscheidung. Einen davon abweichenden Rechtssatz zeigt der Zulassungsantrag auch weder konkret auf noch ist überhaupt eine Abweichung erkennbar.